Vermischtes
KNA – Jana Ballweber

Auslandsrundfunk zwischen Kürzungen, Kritik und Digitalisierung

Dass Trump seinen Auslandsrundfunk einstampft, löste Empörung aus. Umstritten war internationale Medienarbeit aber immer – auch in Deutschland. Denn zwischen Perspektivenvielfalt und Propaganda liegt ein schmaler Grat.

Bonn (KNA) – Besonders lange hat es nicht gedauert, bis Donald Trump nach seiner Amtsübernahme im Januar die Axt an den US-amerikanischen Auslandsrundfunk legte. Inzwischen dauert das Tauziehen um Voice of America und Co. schon seit Monaten an – und wird vor Gericht ausgetragen. Und auch wenn weiterhin nicht klar ist, wie es mit den Medienhäusern weitergeht, hat die Europäische Union schon finanzielle Unterstützung angekündigt, um zumindest ein Grundangebot am Leben zu halten.

 

Der Aufschrei, der auf die Kürzungen der Trump-Regierung folgte, war enorm. Viele sahen einen Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit – in den Vereinigten Staaten und außerhalb. Dabei war Medienarbeit der USA im Ausland seit ihren Anfängen umstritten und wurde sogar als Propaganda, Einflussnahme und Kulturimperialismus kritisiert.

 

Vorwürfe, die auch gegenüber den US-amerikanischen Anbietern angebracht sind, sagt der Erfurter Medienwissenschaftler Kai Hafez im Gespräch mit dem KNA-Mediendienst. Er teilt den Auslandsrundfunk grob in drei Bereiche ein: „Der russische Sender RT ist der Propagandasender schlechthin. Die scheuen vor nichts zurück, auch nicht vor Faktenfälschung, und haben eine stark intervenierende Ausrichtung.“ Hier gehe es Hafez zufolge schlicht darum, den Faschismus hoffähig zu machen, in Deutschland beispielsweise, indem man die AfD normalisiere.

 

Hochgradig selektiv

Auch im Ukraine-Krieg sei bei russischen Auslandsmedien eine hochgradig selektive Nachrichtenlage bis hin zur Fälschung von Fakten zu beobachten, weswegen der russische Auslandsrundfunk in Europa ja auch zum Teil verboten worden sei, erklärt Hafez: „Hier wurden Grenzen überschritten, die man nicht überschreiten sollte. Das ist zum Teil Aufstachelung zu gewaltsamen Handlungen.“

 

In die zweite Kategorie fallen Hafez zufolge sowohl chinesische, indische, aber eben auch US-amerikanische Angebote: „Man sollte Voice of America nicht idealisieren. Das ist eigentlich ein klassischer Propagandasender – nicht im Sinne der Nachrichtenfälschung, aber es sind sehr selektive, an US-amerikanischen Interessen orientierte Auslandsrundfunk-Formate.“ Abseits von Russland mit seiner besonders aggressiven Politik unterscheiden sich dem Forscher zufolge die Großmächte bei der Medienarbeit kaum voneinander.

 

Anders sieht es in Europa aus. Hier treten Angebote wie der BBC World Service, die Deutsche Welle oder Radio France erheblich anders auf, sagt Hafez: „Diese Häuser haben einen sehr stark dialogischen Charakter. Ich erinnere gerne daran, dass es dem BBC World Service 2001 noch gelungen ist, ein Interview mit dem damaligen Taliban-Führer zu führen, als Großbritannien schon gegen Afghanistan in den Krieg zog.“ Ein journalistisches Heldenstück, meint Hafez, das der BBC im Ausland einiges Renommee verschafft habe.

 

Träger der deutschen Kulturpolitik

Auch die Deutsche Welle genieße mit ihrem Journalismus im Ausland eine gewisse Reputation. Kritisch müsse man die europäischen Redaktionen aber dennoch betrachten, fordert Hafez: „Eine wirklich kritische Haltung gegenüber der eigenen Außenpolitik, also der britischen bei der BBC oder der deutschen bei der Deutschen Welle, wird man sicherlich lange suchen müssen.“ Das gelte aktuell besonders für die deutsche Berichterstattung über den Krieg in Gaza, betont Hafez. Man könne bei der Deutschen Welle also nicht von einem selbstkritischen, vollständig entwickelten dialogischen Medium sprechen.

 

Das liegt auch in der Geschichte des Auslandsrundfunks begründet. In der Zeit des Zweiten Weltkriegs hatte die internationale Medienarbeit Hafez zufolge eine klare propagandistische Aufgabe im Kampf gegen den Faschismus. Aus US-amerikanischer Sicht habe sich nach Kriegsende nicht allzu viel geändert, nur sei aus dem faschistischen Gegner der stalinistische geworden.

 

Die Deutsche Welle, 1953 gegründet, gilt als Träger der auswärtigen Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Im Deutsche-Welle-Gesetz ist festgeschrieben, dass die Anstalt „deutschen und anderen Sichtweisen zu wesentlichen Themen vor allem der Politik, Kultur und Wirtschaft […] ein Forum geben“ soll, mit dem Ziel, das Verständnis und den Austausch der Kulturen und Völker zu fördern. Dafür erhält das Medienhaus sein Budget, das – anders als bei ARD, ZDF und Deutschlandradio – aus Steuermitteln finanziert wird.

 

Ein Deutschlandbild fürs Ausland

Die Redaktionen arbeiten zwar frei und explizit unabhängig von Parteien oder anderen Interessensgemeinschaften. Und doch ist es Aufgabe des Senders, deutsche Sichtweisen und Perspektiven in die Welt zu tragen und die deutsche Sprache zu fördern. Auf der Webseite schreibt die Deutsche Welle zum Beispiel, man vermittle mit seinen Angeboten, dass Deutschland eine liberale Demokratie sei, die in der europäischen Kultur verwurzelt ist.

 

Die Vermittlung eines Deutschlandbildes im Ausland sei früher der ausschließliche gesetzliche Auftrag der Deutschen Welle gewesen, so Hafez. Dieser Auftrag sei dann Schritt für Schritt erweitert worden, zum Beispiel um sogenannte „kompensatorische Elemente“. Das bedeutet, dass in autokratischen Staaten Mängel bei der Meinungsfreiheit mithilfe von ausländischen Rundfunkangeboten – dem sogenannten Kriseninterventionsfunk – ausgeglichen werden.

 

Bis heute genießen US-amerikanische Radiosender in postsowjetischen Staaten hohes Ansehen, weil sie zu Zeiten des Kalten Kriegs zwar ein einseitig positives Bild von den USA und über den Kapitalismus vermittelten, dabei aber die Sehnsüchte vieler Menschen in kommunistischen Diktaturen ansprachen, deren Alltag oft von Mangel und Eintönigkeit geprägt war. Hierbei ging es oft auch nicht nur um politische Nachrichten, sondern vor allem auch um vielfältige – und vor allem nicht ideologische – kulturelle Angebote und Unterhaltungsprogramme.

 

Renaissance nach 9/11

In den 1990er-Jahren habe es deshalb auch eine Zäsur gegeben, berichtet Medienwissenschaftler Hafez: „Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde die Existenz des Auslandsrundfunks, wie wir ihn kennen, infrage gestellt, ganz einfach deswegen, weil es plötzlich sehr viel Konkurrenz gab.“ Durch neue technische Möglichkeiten hätten Menschen im Ausland sich problemlos ausländische Sender über Satellit oder Kabel selbst beschaffen können. Doch diese Rechnung sei nicht aufgegangen, berichtet Hafez: „Die Menschen wollten keine deutschsprachigen Sendungen aus dem deutschen Programm, sondern Sendungen in ihrer Sprache.“ Und die bot eben nur der gute, alte Auslandsrundfunk an.

 

Spätestens nach den Anschlägen am 11. September und dem sogenannten Krieg gegen den Terror, der darauf folgte, habe es eine Art Wiedererweckung gegeben: „Plötzlich war es in den USA von großem Interesse, dass man arabische Öffentlichkeiten erreicht. Aber das war nur von sehr begrenzter Tragweite, denn die Verwüstungen, die die USA in diesen Regionen angerichtet haben, ließen sich natürlich nicht durch nett gemachten Auslandsrundfunk kompensieren“, so Hafez.

 

Von Kurzwelle zu KI

Parallel zur Weltgeschichte wirbelte aber auch der technische Fortschritt die internationale Medienarbeit durcheinander. „Die Geschichte des Auslandsrundfunks ist eine Geschichte der Kurzwelle“, berichtet Guido Baumhauer, der bei der Deutschen Welle seit 2006 als Managing Director of Distribution, Marketing and Technology für Vertrieb und Technik des deutschen Auslandsrundfunks verantwortlich ist, im Gespräch mit dem KNA-Mediendienst. Die Kurzwelle (KW) sei der Versuch gewesen, vom Heimatland aus die ganze Welt zu erreichen.

 

Viele Menschen, gerade die Älteren, kennen die Deutsche Welle oder die BBC noch aus einem pfeifenden, immer wieder hoch und runter modulierenden, sehr schlechten Radioprogramm, berichtet Baumhauer. „Das war aber damals der Weg, um Informationen in die Welt zu kriegen. Und jetzt muss man sagen: Von KW bis zu KI ist es ein echt weiter Weg.“ Heute sei man mit Künstlicher Intelligenz unterwegs. Die Kurzwelle gebe es zwar trotzdem noch für einzelne Regionen, aber: „Die Empfangsgeräte wurden immer seltener, und es wurde schnell klar, dass man damit wirklich nur noch ein ganz kleines Segment in ganz bestimmten Regionen erreicht“, berichtet Baumhauer.

 

Zwar könne man mit Kurzwelle unter Umständen digitale Zensur umgehen, wie sie beispielsweise im Iran vorherrsche: „Dort haben wir aber eine unglaublich junge Gesellschaft. Da könnte ich jetzt Kurzwelle in den Iran hineinsenden, wie die Amerikaner das bis vor Kurzem noch gemacht haben. Aber die Menschen dort benutzen alle Smartphones, die wissen, wie VPN-Software funktioniert, haben Software auf dem Handy, die die Zensur umgeht. Da brauche ich keine Kurzwelle mehr.“ In kleinerem Rahmen sei die Technologie aber noch für den afrikanischen Kontinent, beispielsweise für das Bürgerkriegsland Sudan, ein Thema. Aber auch dort nehme die Zahl der Menschen, die entsprechende Geräte besitzen und bedienen können, stark ab, so Baumhauer.

 

Der letzte Reputationsanker

Ohnehin liefern Baumhauer zufolge auch alte Technologien keine Gewähr gegen Zensur: „Wenn man bei der Kurzwelle auf gleicher Frequenz etwas anderes gegensendet, sogenanntes Jamming, kommt das Signal nicht mehr an. Auch das Fernsehen über Satellit können Regierungen blockieren.“ Mit der Digitalisierung und dem Aufkommen von Internet und Social Media habe man sich zwar gefreut, Menschen auf diesem Weg erreichen zu können. Aber auch hier hätten Autokraten schnell virtuelle Zäune hochgezogen, berichtet Baumhauer: „Wir als internationale Medien sind ein Fenster zur Welt, und wer dieses Fenster schließt, der fürchtet den Ausblick. Und es gibt viele, die das tun.“

 

Und je mehr Plattformen und Ausspielwege man bedient, desto aufwendiger wird die Distribution. Es reiche nicht, sich auf die Qualität seines Inhalts zu verlassen, warnt Baumhauer: „Die Welt wartet nicht auf uns. Die wartet nie auf Auslandsrundfunk.“ Gerade aufgrund der Zensur müssten die Menschen oft einen zusätzlichen Aufwand betreiben, um ausländische Angebote nutzen zu können.

 

Doch wer betreibt diesen Aufwand heutzutage überhaupt noch? Wie gefragt ist das Informationsangebot aus Deutschland und anderen westlichen Staaten – in einer Zeit, in der Großmächte wieder um Einfluss konkurrieren und gerade im Globalen Süden mehr Abstand zu den ehemaligen Kolonialmächten gesucht wird? Medienwissenschaftler Hafez ist zwiegespalten: „Einerseits gab es schon immer eine antikoloniale Grundstimmung. Die war in den 1950er-Jahren noch viel stärker als heute. Das Image der Engländer war in der arabischen Welt zum Beispiel miserabel, durch den Suez-Krieg geradezu hasserfüllt. Der BBC World Service wurde aber trotzdem gehört.“ Hafez sieht in dem Angebot gar den letzten Reputationsanker der Briten in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg.

 

Empowerment durch Technologie

Auf der anderen Seite gebe es durch die Dekolonisierung eine ganz neue Konkurrenz in vielen Staaten, in denen mittlerweile eigene Medienangebote etabliert worden seien, so Hafez weiter: „Das begann mit dem Satellitenfernsehen in den 1990er-Jahren und ist durch die Digitalisierung vervielfacht worden. Neue Technologien haben ein Empowerment erzeugt; mit wenig Kosten können Medienprodukte erzeugt werden.“

Um nicht den Anschluss zu verlieren, rät Hafez gerade den europäischen Auslandsrundfunkanstalten eine konsequente Ausrichtung an der Debatte: „Wenn die Europäer klug sind und eine Zukunft haben wollen, hören sie sich an, was in diesen anderen Medien passiert, nehmen die Debatten auf und gehen auf Augenhöhe in den Diskurs.“ Es dürfe nicht darauf ankommen, immer nur freundliche Botschaften über das eigene Land abzusenden, sondern sich auch kritisch mit der eigenen Außenpolitik zu beschäftigen: „Das würde durchaus auf Interesse stoßen“, ist Hafez sich sicher. So könne durch die Hintertür eine kulturelle Bindung erzeugt werden, die die europäischen Staaten mit ihrem Auslandsrundfunk ja immer schon angestrebt hätten.

 

Kostenpflichtige Sendeplätze

Zumal DW-Vertriebschef Baumhauer auf ein weiteres Problem hinweist: „Der Ausstieg der USA aus dem Auslandsrundfunk ist auch deswegen eine Katastrophe für die freie Meinungsbildung, weil bei den ausländischen Partnern jetzt deren Sendeplätze frei werden.“ Diese Partner meldeten sich dann zum Beispiel auch bei der Deutschen Welle und würden diese Plätze anbieten – aber nur im Austausch gegen Geld. Das könne und wolle die Deutsche Welle aber nicht leisten, weswegen russische oder chinesische Angebote zum Zug kämen, die gerne bereit seien, für solche Sendeplätze zu zahlen. „Das ist aus meiner Sicht noch viel gefährlicher, als einfach unsere Leitungen durchzuschneiden. Wir kommen nicht mehr an die Leute ran, und den Falschinformationen, die aus Russland und China kommen, wird nichts mehr entgegengesetzt.“

 

Konkurrieren wolle man auf diesem Gebiet nicht mit Russland oder China, sagt Baumhauer – schon allein wegen der hohen Summen, die dort im Spiel sind. Und auch Medienwissenschaftler Hafez sieht das Wohl des europäischen Auslandsrundfunks nicht in der Nachahmung russischer Bestrebungen: „Wir brauchen keine schöngefärbten oder sogar Fake-News-lastigen Sender. Dafür ist die Konkurrenzlage viel zu heterogen. Um mit so etwas durchzudringen, müsste man zu den russischen Mitteln greifen, wirklich viel investieren und sehr intervenierend sein.“ Das könne kaum ein Land wollen.

 

Stattdessen plädiert der Forscher für einen gemeinsamen europäischen Sender: „Ich habe das immer für ein bisschen gestrig gehalten, dass die Deutschen, die Franzosen, die Engländer alle ihr eigenes Zeug machen.“ Zumal ein eigener europäischer Sender auch auf innereuropäische Debatten vermittelnd wirken könnte, hofft Hafez: „Hier würde ich viel stärker investieren und dem Journalismus ganz andere Freiheiten geben“ – in Abgrenzung zur Konkurrenz aus Russland, China oder den USA.