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dpa - Deutsche Presseagentur GmbH

Australien: Journalisten droht Haft wegen Berichten über Missbrauchsprozess

Ihnen wird zur Last gelegt, gegen eine von Gericht angeordnete Nachrichtensperre verstoßen zu haben.

Melbourne (dpa) − Wegen Berichten über den Missbrauchsprozess gegen den ehemaligen Vatikan-Finanzchef George Pell drohen 23 Journalisten in Australien empfindliche Geldstrafen oder sogar Haft. Die Staatsanwaltschaft des Bundesstaats Victoria erhob am Dienstag Anklage. Den Journalisten wird zur Last gelegt, gegen eine von Gericht angeordnete Nachrichtensperre verstoßen zu haben. 

Kardinal Pell (77) war wegen sexuellen Missbrauchs von zwei Chorknaben in diesem Monat zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Obwohl es weltweit großes Interesse daran gab, durfte über das Verfahren lange Zeit nicht berichtet werden. Erst mit Bekanntgabe der genauen Haftstrafe hob das Gericht das Berichterstattungsverbot auf.

Die Staatsanwaltschaft veröffentlichte die Namen von 23 Journalisten und 13 Medienhäusern, die auf die eine oder andere Weise gegen die Nachrichtensperre verstoßen haben sollen. Betroffen sind renommierte Blätter wie der „Sydney Morning Herald“, die „Brisbane Times“ oder „The Age“. Ausländische Journalisten und Medien sind nicht darunter.

Die Verfahren sollen Mitte April in Melbourne beginnen. Auf Missachtung von Gerichtsbeschlüssen stehen in Victoria bis zu fünf Jahre Haft. An Geldstrafen wären für Journalisten bis zu 63 000 Euro möglich, für ihre Arbeitgeber sogar mehr als 300 000 Euro.

Während des mehrmonatigen Prozesses gegen Pell durfte über das Verfahren praktisch nicht berichtet werden − eigentlich auch nicht in ausländischen Medien, wenn diese in Australien empfangen werden konnten. In Zeiten des Internets kam dies einem strikten Verbot gleich. Manche Blätter zogen sich aus der Affäre, indem sie den Fall nur in ihren gedruckten Ausgaben erwähnten.

Das Gericht hatte die sogenannte „Suppression Order“ damit begründet, dass Geschworene in einem anderen Verfahren gegen Pell von den Berichten beeinflusst werden könnten. Viele sahen darin eine massive Einschränkung der Pressefreiheit.