Vermischtes
dpa – Anna Ringle

Noch immer zu wenig Chefinnen bei Regionalen

Frauen in Chefredaktionen bei Regionalzeitungen in Deutschland sind heute im Vergleich zu Männern immer noch selten zu finden. Der Verein ProQuote Medien fragte Journalistinnen, warum das so ist.

Hamburg (dpa) − „Geschlossene Männerzirkel“, „Altherrengeschäft“ und „enge Bande zwischen alten weißen Männern“: Seit Jahren prangert der Verein ProQuote Medien an, dass zu wenige Frauen in Führungspositionen im Journalismus kommen. Die Organisation zählt in Abständen, wie hoch der Anteil der Macht ist, die Frauen in Redaktionsspitzen haben. Der Verband spricht nun mit Blick auf Regionalzeitungen abermals von „starren Krusten“ und legt eine neue Analyse vor. Sie basiert auf Interviews mit einigen Journalistinnen in Medienhäusern.

 

Das Thema Frauen in Top-Jobs betrifft hierzulande nicht alleine die Medienbranche. Ein Beispiel: Am Donnerstag debattierte der Bundestag über das Gesetz für eine Frauenquote in Vorständen. Das Gesetz sieht vor, dass in börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen mit mehr als drei Vorständen künftig mindestens eine Frau im Vorstand sitzen muss. Das muss bei Neubesetzungen von Posten berücksichtigt werden. Für Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes sollen die Regeln strenger sein: Hier soll generell bereits bei mehr als zwei Mitgliedern in der Geschäftsführung mindestens eine Frau sein.

 

Am Mittag diskutierten Vertreterinnen des Vereins ProQuote Medien mit mehreren Führungsleuten aus Medienhäusern über das Ungleichgewicht von Männern und Frauen in Chefredaktionen − aufbauend auf der jetzt vorgelegten Analyse.

 

Der Verein in Hamburg, der sich seit Gründung im Jahr 2012 dafür einsetzt, dass mehr Frauen in Führungspositionen im Journalismus kommen, hatte 2019 zur Zusammensetzung von Chefredaktion und Stellvertretung bei 100 Regionalzeitungen dieses Ergebnis präsentiert: Bei Blättern mit eigenem Mantelteil betrage der so genannte Frauenmachtanteil 10,2 Prozent. Bei einer Untersuchung drei Jahre zuvor, bei der allerdings nicht alle Zeitungstitel deckungsgleich waren, lag der Anteil bei 9,5 Prozent. Mit Frauenmachtanteil ist nicht der Frauenanteil an sich in den Führungsteams gemeint. ProQuote Medien gewichtet die Ebene der Führungspositionen zusätzlich. Je höher eine Position ist, desto mehr Gewicht bekommt sie.

 

Bei den damals 100 in die Untersuchung aufgenommenen Redaktionen waren acht von 108 Chefredaktionsstellen mit Frauen besetzt. Im Vergleich auch zu Bereichen wie Publikumszeitschriften und Rundfunk schnitt die Regionalpresse schlechter ab.

 

Aufbauend auf diesen bereits länger zurückliegenden Zahlen legte der Verein nun die Analyse vor. Kern des Ganzen sind 16 strukturierte Interviews mit Regionalzeitungsjournalistinnen aus ganz Deutschland. Es ist also ein Einblick, der nicht repräsentativ ist, aber ein Bild der Branche abgeben möchte.

 

Die Studie listet immer wieder Zitate der Interviewten auf. Ein Beispiel: „Ich denke, dass es in Regionalzeitungen noch stärker geschlossene Männerzirkel gibt als anderswo. Mit diesen Zirkeln meine ich sich selbst stabilisierende Systeme. Da kommen Sie als Frau ganz schwer rein.»

 

Die Studie empfiehlt den Medienhäusern unter anderem: Strukturiertere Personalentwicklung mit Perspektivgesprächen, Talentförderung und lebendiger Feedbackkultur. Gleichstellung in den Redaktionsspitzen sollte als Unternehmensziel verankert werden. Flexibles Arbeiten und neue Arbeitszeitmodelle werden auch angeraten.

 

In der Video-Diskussion des Vereins mit mehreren Vertretern von Medienhäusern zeigte sich ein differenziertes Bild. Die Chefredakteurin Digital bei „Stuttgarter Zeitung“ und „Stuttgarter Nachrichten“, Swantje Dake, sagte auf die Frage, ob die Ergebnisse der Analyse das abdeckten, was ihr auch Kolleginnen erzählen: in Teilen. Es gebe einzelne Erfahrungen, die genau das abbildeten. Im Großen und Ganzen seien Regionalzeitungen immer noch eine männlich dominierte und geprägte Branche.

 

Die stellvertretende Chefredakteurin des „Mindener Tageblatts“, Nina Könemann, berichtete, dass es speziell bezogen auf das eigene Haus anders aussehe als es in der Studie durchkomme. In weiten Teilen der Medienlandschaft sei es aber immer noch so − zumindest auf Verlagsebene. Sie führte das auch darauf zurück, dass es oftmals ländliche Strukturen seien. Und Standorte, bei denen es nicht so häufig Wechsel gebe wie in größeren Häusern. Sie gehe aber auch davon aus, dass sich viele Frauen möglicherweise erst gar nicht bewerben oder sich in diesen Positionen nicht sehen.

 

„Rheinpfalz“-Chefredakteur Michael Garthe sagte über die Analyse und die bisherige Entwicklung in der Branche: „Generell ist es in der Tat ein Problem. Die Studie beschreibt das richtig.“ Es habe zu wenig konkrete Frauenförderung gegeben. „Es hat zu wenig Überlegungen gegeben, welche Modelle man anbieten kann, um mehr Frauen in Führung zu kriegen.“ Bei seiner Zeitung arbeite man seit einigen Jahren daran.

 

Der Chefredakteur der „Rheinischen Post“, Moritz Döbler, dankte ProQuote Medien, dass der Verein bei dem Thema „am Ball“ bleibe. „Ich glaube, das ist jedenfalls meine Wahrnehmung, dass sich gerade in den letzten zwei, drei Jahren da viel getan hat“, sagte er mit Blick auf die Branche. Gefragt nach dem in der Analyse angedeuteten „Karussell“, also dass Männer von Männerzirkeln in Jobpositionen im Laufe ihrer Karriere weitergereicht werden, ergänzte er: Dies entspreche nicht mehr dem Bild, das er in den Medien sehe. „Ich glaube, dass sich da wirklich viel getan hat.»