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Newsroom – Rupert Sommer

Berichterstattung im Krieg: Was Medien jetzt beachten müssen

Berichterstattung im Krieg: Was Medien jetzt beachten müssen Sascha Lobo

Der Ukraine-Krieg stellt Medienhäuser weltweit vor massive Herausforderungen. Was nun wichtig ist – und wo die größten Schwierigkeiten liegen. „Vielleicht ist im 21. Jahrhundert der Informationskrieg wichtiger geworden als der mit Raketen“, schreibt Sascha Lobo.

Berlin – Kernproblem für viele Kolleginnen und Kollegen ist es aktuell, die Informations- und Bilderflut trotz aller Anspannungen, Belastungen und eigener Sorgen, so gut es geht, mit kühlem Kopf zu sortieren. Der Ernst der Lage gebietet enorme Sorgfalt und ein hohes Maß an Vorsicht bei der Bewertung von Quellen. 

 

„War es zuvor schon schwierig, aus der Konfliktregion verlässliche Informationen zu erhalten, ist eine objektive Informationsbeschaffung nun noch schwieriger geworden“, heißt es in dem packenden, aber auch höchst beunruhigenden Feature von Kurt Sagatz, das aktuell im „Tagesspiegel“ erschien

 

Der Medienredakteur der Hauptstadtzeitung hat sich dafür unter anderem bei Fernseh-Kollegen umgehört, die mit als erste vom Krieg in der Ukraine berichteten. Viele erzählen von enormen Schwierigkeiten, Bilder, die oft aus sozialen Medien stammen, bewerten zu können. „Bernd Rasem, der aus der Tagesschau24-Redaktion in Hamburg das Material einzuordnen versucht, erklärt am Vormittag immer wieder: ,Das sind alles Bilder, die wir so bekommen und nicht verifizieren können.‘“ 

 

„Durch die russischen Angriffe auf die Ukraine wird die Arbeit unserer Reporterinnen und Reporter – wie für alle Journalisten vor Ort – massiv erschwert“, heißt es in dem Feature weiter. Sagatz zitiert den WDR, der für die ARD das Studio Moskau federführend betreibt. „Die Teams in Kiew und Moskau bilden unter diesen Umständen die neusten Entwicklungen ab und ordnen die Ereignisse ein. Dabei steht die Sicherheit unserer Kolleginnen und Kollegen an oberster Stelle. Die Lage wird fortlaufend bewertet“, heißt es in dem WDR-Zitat.

 

Dabei ist die Einschätzung der Bilder nicht das größte Problem. Auch auf besondere Sorgfalt bei Formulierungen ist zu achten – und darauf, in der Hektik des Live-Berichtens nicht vorgestanzte, möglicherweise sogar propagandistisch geprägte Wendungen aufzugreifen. Davor warnt eindringlich Tobias Singer in einem Aufmacherartikel für den Dienst meedia.de.

 

„Genauigkeit in der Sprache ist wichtig – das gilt im Journalismus jetzt noch mehr als in friedlicheren Zeiten“, sagt er und liefert einige Bespiele für allem Anschein nach allzu unkritische Übernahmen in reichweitenstarken deutschsprachigen Medien von „Spiegel“ bis T-Online. Ein Beispiel ist der verharmlosende Terminuns „Sonder-Militäroperation“, den Russlands Präsident Putin gewählt hatte und der später Niederschlag in Berichten fand – mit oder ohne distanzierende Elemente wie Ausrufezeichen. „Die Sprachwahl macht sprachlos“, so Singer.

 

Schon früh hatte auch der Spiegel-Online-Kolumnist Sascha Lobo das Problem der angemessenen Sprachwahl aufgegriffen. 

 

Er schrieb zuletzt: „Vielleicht ist im 21. Jahrhundert der Informationskrieg wichtiger geworden als der mit Raketen und Kanonen, insbesondere, wenn Demokratien beteiligt sind. Denn durch Informationen werden Stimmungen beeinflusst, und in liberalen Demokratien entscheiden oft Stimmungen in Form von großen öffentlichen Debatten über das Handeln der Politik“, so Lobo. 

 

Zwar sind Propaganda, Desinformation und der Krieg mit Nachrichten wahrscheinlich so alt wie der Krieg selbst. Aber im Jahr 2022 lautet die große Frage: Ist ein Informationskrieg in Zeiten von Liveticker, Nachrichtenhagel und vor allem sozialen Medien leichter oder schwerer zu gewinnen als früher?" Auch dieser Frage müssen aktuell die vielen Live-Berichterstatter in den Medienhäusern stellen. 

 

Unbestritten ist allerdings: Das Geschehen in der Ukraine aus heimischen Newsrooms aus zu thematisieren ist das eine, ein lebensgefährlicher Vor-Ort-Einsatz natürlich etwas ganz anderes. 

Daher warnt der Deutsche Journalistenverband. „Journalistinnen und Journalisten im Kriegsgebiet sind in größter Gefahr“, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall aktuell. Es sei nicht davon auszugehen, dass kämpfende Truppen Rücksicht auf Journalisten und Journalistinnen nähmen. 

Der DJV rät den Korrespondenten in der Ukraine, engen Kontakt zu ihren Redaktionen zu halten, ihre Aufenthaltsorte mitzuteilen und sich in die Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amtes einzutragen.