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Corporate Publishing: Weil Unternehmen auf eigene Medien setzen, geben sie weniger Geld für klassische Werbung aus

Den klassischen Medien droht weiter Ungemach. Immer mehr Unternehmen setzen auf eigene Medien, jährlich investieren sie dafür 4,7 Milliarden Euro. Wieder ein Feld, auf dem sich gute Medienmanager für ihre Verlage verdient machen könnten.

Berlin – Andreas Siefke, Chef des „Forums Corporate Publishing“, glaubt, dass die Ausgaben der Unternehmen in diesem Bereich noch steigen wird. Inzwischen sind zwar auch schon einige klassische Verlage wie Burda oder Gruner und Jahr in diesem Sektor tätig; die Mehrzahl der Medienhäuser im deutschsprachigen Raum schauen der Entwicklung aber weiterhin nur tatenlos zu. Denn auch schon für kleinere Verlage kann sich der Einstieg in den CP-Sektor lohnen.

Im NEWSROOM-Interview bricht Andreas Siefke eine Lanze für die CP-Medien. „Gutes Corporate Publishing arbeitet mit der gesamten Klaviatur journalistischer Techniken und Formate, von der Reportage bis zur Glosse“, so Siefke, im Hauptjob Geschäftsführer und Gesellschafter der Medienagentur „KircherBurckhardt“ in Berlin.

 

Andreas Siefke (Bild) ist Vorsitzender vom "Forum Corporate Publishing". Immer mehr Unternehmen verlegen ihre eigenen Medien und reduzieren ihre Werbeausgaben. Eine Gefahr nicht nur für Publikumszeitschriften. Antworten auf diese Entwicklung haben bislang nur die wenigsten Verlage gefunden. Vor allem Platzhirsche wie Burda oder Gruner und Jahr haben sich auch als Produzenten erfolgreicher Unternehmenszeitschriften positioniert.

 

 

NEWSROOM: Herr Siefke, in Deutschland, Österreich und der Schweiz investieren Unternehmen jährlich 4,7 Milliarden Euro in eigene Corporate-Publishing-Medien. Die Sparte boomt. Was ist da los?

Andreas Siefke: Immer mehr Unternehmen gelangen zu der Erkenntnis, dass insbesondere klassische Webung an ihre Grenzen stößt und die Verbraucher nicht mehr erreicht. Die Unternehmen setzen daher auf relevanten Content und nicht auf auf Werbebotschaften, und das eben nicht mehr nur im Print. Die Branche befindet sich mit schnellen Schritten auf dem Weg in die Crossmedialität.

NEWSROOM: Woher kommt das Interesse der Firmen an eigenen Medien?

Andreas Siefke: Wie wir aus vielen Studien wissen, genießen contentgetriebene Medien im Vergleich zu allen anderen Unternehmensmedien die mit Abstand höchste Glaubwürdigkeit und erzielen Bestmarken in Bereichen wie Nutz- oder Unterhaltungswert aber auch Überzeugungskraft. Auf diese Stärken von Content besinnen sich immer mehr Unternehmen. Daher ist es wenig verwunderlich, dass nach unserer aktuellen Basisstudie vier von zehn Unternehmen bereits Budgets aus klassischer Werbung in Corporate Publishing umgeschichtet haben und sich dies als Trend auch für die Zukunft abzeichnet.

NEWSROOM: Sind das alles Zeitschriften, die die Firmen veröffentlichen?

Andreas Siefke: Nein, die Unternehmen bedienen sich inzwischen aller Medienformate, print wie digital. Vom klassischen Geschäftsbericht, dem crossmedial vernetzten Magazin über Bewegtbildformate bis hin zur nativ programmierten iPad App ist alles dabei.

NEWSROOM: Wie groß sind die Firmen, die eigene Medien veröffentlichen? Sind das alles Konzerne?

Andreas Siefke: Die Bandbreite der beauftragenden Unternehmen reicht vom klassischen inhabergeführten Mittelständler bis hin zur global operienden Großkonzernen. Corporate Publishing ist nicht nur für große Unternehmen eine spannende Mediengattung.

NEWSROOM: Wie wichtig sind soziale Medien für die Unternehmen?

Andreas Siefke: Es gilt als gesetzt, dass man sowohl Print- als auch Digital-Kompetenz haben muss und den Willen, crossmedial und in den Kategorien sozialer Netzwerke zu denken und anzubieten. Die Wertschöpfungskette ist im Hinblick auf das Thema Commerce länger geworden. Der Leser soll am Ende eine Probefahrt vereinbaren, ein Beratungsgespräch suchen oder die Testpackung vom Shampoo anklicken. Da sind die sozialen Medien ein spannender Ansatzpunkt. Das muss man aber auch bedienen können.

NEWSROOM: Und wie finanzieren die Unternehmen die eigenen Medien?

Andreas Siefke: So wie sie auch alle anderen Kommunikationsdisziplinen über entsprechende Budgets finanzieren. Allerdings werden die Zeitschriften teilweise jetzt schon durch Anzeigenverkauf refinanziert. Wie hoch die Refinanzierungsquote ist, hängt sehr konkret von der Branche, dem Unternehmen und dessen Marken ab.

Was sagen Sie zum Thema Corporate Publishing? Schlafen die Verantwortlichen in den Medienhäusern? Ihre Nachricht bitte direkt per Email an chefredaktion@newsroom.de!

NEWSROOM: Müssen sich die klassischen Verlage mit ihren Zeitschriften vor den CP-Medien fürchten?

Andreas Siefke: Unternehmen werden zu Verlegern, Corporate Publishing zu Private Label Media, und die Grenzen zwischen Print und Digital werden durch technische Weiterentwicklungen aufgehoben. Wie auch die aktuelle Basisstudie des EICP zeigt, wird die Bedeutung von Owned Media und damit von Corporate Publishing in Zukunft erheblich steigen, gleichzeitig werden die Werbeausgaben reduziert. Diese Entwicklung wird die klassischen Verlage zumindest nicht beruhigen.

NEWSROOM: Was können klassische Medien von CP-Medien lernen?

Andreas Siefke: Die Unternehmen werden in Sachen Gestaltung und Aufmachung zunehmend mutiger. Allerdings muss man hier nach Branchen differenzieren. Auch die Unternehmensgröße spielt eine Rolle. Avantgardismus ist ja kein Selbstzweck. Ein exzellentes Beispiel, das auch unter den Preisträgern des diesjährigen BCP-Awards ist, ist „Max Joseph“, das Magazin der Bayerischen Staatsoper, das ebenso jüngst „LeadMagazin des Jahres“ geworden ist. Damit ist erstmals ein Corporate Publishing-Magazin bei den „LeadAwards“ ausgezeichnet worden. Für die Gattung ein toller Erfolg.

NEWSROOM: Sie haben kürzlich die CP-Awards verliehen. Was macht CP-Medien erfolgreich? Was sind die Trends in diesem Jahr?

Andreas Siefke: Ein Trend, der sich zeigt, sind die vielen Einreichungen aus dem Digital-Bereich. Reine Print-Titel ohne Online-Komponente gibt es kaum noch. Crossmedia und Social Media-Anbindung heißen hier die Stichworte. Aber auch die Verbindung aus Content und konkreten Sales-Zielen wird unter den Schlagworten Editorial Shopping und Content Marketing derzeit intensiv diskutiert. Zum anderen ist das Thema Effizienz weiterhin hochaktuell, also der Nachweis, was ein Corporate Publishing-Medium - Print wie Digital oder in Kombination – final für die Unternehmensziele leistet.

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NEWSROOM: Welche Rolle spielt eigentlich Journalismus bei CP-Medien? Die Zeitschriften sind doch bestimmt voll mit Werbetexten!

Andreas Siefke: Da muss ich leider vehement widersprechen. Gerade Corporate-Publishing-Medien unterscheiden sich nachhaltig von Werbung und genießen nachweislich im Reigen der Unternehmenskommunikationstools die höchste Glaubwürdigkeit. Gutes Corporate Publishing arbeitet mit der gesamten Klaviatur journalistischer Techniken und Formate, von der Reportage bis zur Glosse.

Mit Andreas Siefke, Vorsitzender des Forums Corporate Publishing, sprach NEWSROOM-Chefredakteur Bülend Ürük.

Zur Person: Andreas Siefke leitet gemeinsam mit Lukas Kircher, Rainer Burkhardt, Andreas Schulte, Frank Kluge und Burkhard Tewinkel die Medienagentur KircherBurkhardt. Seit März 2012 ist er Geschäftsführer und Gesellschafter der Agentur und verantwortet den Bereich Content Marketing. Als Vorsitzender des Forum Corporate Publishing, Vorstandsmitglied des Media Forum Europe und Jury-Mitglied der "Lead Awards" setzt sich der promovierte Marketing- und Verlagsexperte für für wirksame Konzepte, starke Inhalte und kraftvolle Gestaltung ein. Andreas Siefke ist verheiratet, hat einen kleinen Sohn und lebt in Berlin. Von 2004 bis 2012 war der gebürtige Westfale Geschäftsführer bei Hoffmann und Campe Corporate Publishing in Hamburg.