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Das neue Jonet: „Machen statt Jammern, mit dem Kopf in den Wolken und den Füßen im Schlamm“

Wenn Journalisten sich über Themen streiten, Wissenschaftsredakteure mit Lokaljournalisten diskutieren, der eine oder andere Jobtipp im Postfach eintrudelt – dann handelt es sich im Zweifelsfall um das Jonet, das seit 1994 Journalisten miteinander verbindet. Das Angebot von Journalisten für Journalisten hat seit einigen Wochen ein neues, frisches Gesicht. Aber wer steckt eigentlich dahinter?

Berlin – Ein kurzer Zuruf unter Kollegen und schon gibt es ganz viele unterschiedliche Meinungen zum Jonet. „Jonet ist auch, wenn sich Journalisten befetzen, beschimpfen, beleidigen, Standpunkte des anderen als Dummheit wahrnehmen – und auch als solche benennen“, oder aber „Jonet ist eine Ansammlung streitender Kinder, die von Zeit zu Zeit von einem “Hausmeister” zur Vernunft gebracht werden (warum hieß der nie Kindergartentante?)“ oder gar  „Jonet ist, wenn Journalisten ihre Zeit mit Endlosdebatten verbringen – als würden sie sich damit von Schreibblockaden ablenken . . .“. Eins verbindet die Kollegen aber alle - das Jonet finden sie trotz aller Kritik gut.

Die Berliner Journalistin Katrin Schwahlen gehört mit Corinna Blümel, Marcel Consée, Edda Grabar, Heike Rost und Christoph Ulmer zum ehrenamtlichen Kernteam von Jonet. Im NEWSROOM-Gespräch berichtet sie von dem Engagement für Jonet, für das Netzwerk, das Journalisten miteinander verbindet.

 

Fast 5000 Journalisten sind Mitglied bei Jonet. Christoph Ulmer, Edda Grabar, Heike Rost (obere Reihe) und Corinna Blümel, Marcel Conseé, Katrin Schwahlen (untere Reihe) gehören zum ehrenamtlichen Kernteam und geben regelmäßig wichtige Impulse. Fotos: privat,  HeikeRost.com

 

 

NEWSROOM: Frau Schwahlen, was genau verbirgt sich hinter Jonet?

Katrin Schwahlen: Jonet ist das größte deutschsprachige Journalistennetzwerk. Wir sind etwa 4.500 Journalistinnen und Journalisten, die sich seit 1994 austauschen, miteinander reden und sogar manchmal treffen. Seit Juli 2012 ist die Jonet-Website unsere frische und aufpolierte Plattform für ein Gemeinschaftsblog. Sie bietet im Gucklog Orientierung darüber, was gerade wichtig ist für die Zukunft des Journalismus, beobachtet im Debattenlog, wie die Nutzerinnen und Nutzer den Journalismus lebendig machen, und trägt im Medienlog zusammen, was die anderen über Journalismus und Medien schreiben und senden. Die eigentliche Mailingliste wird weitergeführt - zum Streiten, Tratschen und Meckern im geschlossenen Kreis.

NEWSROOM: Ist das Jonet eigentlich ein Verein?

Katrin Schwahlen: Jonet selbst ist kein Verein, es gibt aber im Hintergrund einen Verein zur Förderung journalistischer Netzwerke e.V., der unter anderem ein ganz kleines Konto verwaltet. Jonet ist einfach ein freiwilliger Zusammenschluss von engagierten Kolleginnen und Kollegen auf ehrenamtlicher Basis.

NEWSROOM: Über welche Themen diskutieren Ihre Mitglieder besonders gerne?

Katrin Schwahlen: Das wechselt über die Jahre und hängt auch davon ab, wie viel Zeit die Mitglieder investieren können und wollen. Im Augenblick haben wir eine eher ruhige Phase. Aber im Prinzip diskutieren wir alle Fragen, die mit unserem Beruf zu tun haben. Wohin entwickelt sich unser Beruf? Wohin geht es mit den Mediengattungen? Wie gehen wir mit den lästigen Wünschen nach Autorisierung von Texten oder der Forderung nach kostenlosem Bildmaterial um? Dazu gehört natürlich auch das Verhältnis zwischen freien Journalistinnen und Journalisten auf der einen und den Redakteurinnen und Redakteuren auf der anderen Seite, die Fairness im Umgang miteinander.

NEWSROOM: Journalisten gelten als noble und kluge Zeitgenossen. Wie nobel und klug sind die Kommentare, die Jonet-Mitglieder über die Liste austauschen?

Katrin Schwahlen: Journalisten sind klug und nobel, aber auch Menschen wie alle anderen. Und so sind dann auch die Kommentare. Ich kann jedem empfehlen, sich einfach anzumelden und mitzumachen. Dann sieht man nicht nur, wie Journalisten in ihren Netzwerken so ticken, sondern auch, wie sie reden, wenn sie unter sich sind. Voraussetzung ist natürlich, dass man irgendwas mit Medien macht.

NEWSROOM: Inzwischen gibt es für Journalisten zahlreiche Wege, sich mit Kollegen zu beratschlagen. Niemand muss wirklich alleine wirken, selbst wenn er ein Journalistenbüro in Schwerte-Ergste betreibt. Was unterscheidet das Jonet beispielsweise von Angeboten wie denen der Gewerkschaften?

Katrin Schwahlen: Bei Jonet gibt es immer wieder Menschen, die einfach Arbeit übernehmen, aber es gibt keine Funktionäre. Wir sind niemandem verpflichtet, nur uns und dem journalistischen Anspruch. Und dazu gehört sowohl Kollegialität, Unterstützung und über den eigenen Tellerrand hinausgucken als auch mal eine klare Ansage, wenn diese Eigenschaften fehlen. Gewerkschaften und Berufsverbände lesen aber durchaus bei uns mit, um zu wissen, wo der Schuh drückt.

NEWSROOM: Und wer finanziert das Jonet?

Katrin Schwahlen: Wir sind das Jonet, wir finanzieren uns selbst und leben von wenigen Spenden und dem freiwilligen Arbeitseinsatz einiger Aufrechter. Der Vorteil bei Jonet ist ja, dass wir es eben nicht nur in Schwerte-Ergste betreiben, in Neuharlingersiel oder am Ammersee, sondern virtuell, also überall. Schreiben und uns selbst zu organisieren ist unser Job, das kostet nichts extra, die Hausmeister und Administratoren arbeiten still und unentgeltlich im Hintergrund, die Kongresse der Vergangenheit wurden mit erheblichem ehrenamtlichen Aufwand organisiert, so dass die Teilnahmegebühren gering waren, Stammtische sind eben Stammtische, und die Kosten für den Server oder die Programmierung für die neue Website wurden von dem erwähnten Vereinskonto übernommen. In der Vergangenheit haben wir die Mitglieder auch mal um Spenden gebeten, um zum Beispiel einen neuen Server kaufen zu können.

NEWSROOM: Sie haben dem Jonet ein neues Gesicht gegeben. Wer hat sich bei der Neuausrichtung des Jonets engagiert?

Katrin Schwahlen: Zuerst waren ein paar Interessierte aus dem großen Jonet-Pool, die sich im März 2011 in Aiterbach am Chiemsee getroffen haben: 13 Leute, aus Hamburg, Berlin, Mannheim, München und Remseck. Wir haben ein Wochenende diskutiert, wie man den Mailinglisten und der Website wieder zu mehr Leben verhelfen kann, ob es sich - in Zeiten von Social Media - überhaupt lohnt, Mailinglisten und Website am Laufen zu halten. Frei nach dem Motto, das schon Jochen Wegener, der Gründer, 1994, ausgegeben hat: Machen statt Jammern, mit dem Kopf in den Wolken und den Füßen im Schlamm. Und das mit allen, die Lust dazu haben.

 

Am neuen Konzept vom Jonet haben mitgearbeitet: Boris Borchert, Christoph Drösser, Annette Leßmöllmann, Marcus Lindemann, Torsten Meise, Thomas Mrazek, Katrin Schwahlen, Björn Sievers, Hermann-Josef Tenhagen, Albrecht Ude, Christoph Ulmer, Lutz Wilde und Gerti Windhuber. Programmiert wurde die Seite von Karsten Kuhnen. Matthias Matting hat technisch beraten und immer wieder unterstützt, Werner Pluta ist „unser aller virtueller Hausmeister“, so Katrin Schwahlen.

 

Aber große Ideen brauchen Zeit. Die haben Journalisten bekanntermaßen wenig, und so hat es länger gedauert als geplant. In dem Jahr zwischen dem Treffen in Aiterbach und Relaunch haben wir in zahlreichen Mails und Skype-Konferenzen immer wieder diskutiert, ob es sinnvoll ist, was wir tun, ob wir es schaffen mit so wenigen Akteuren - und ob die Liste, also all die, die per Mail diskutieren, dass überhaupt wollen.

NEWSROOM: Was waren die Schwierigkeiten bei dem Relaunch? Und wie lange haben Sie gebraucht?

Katrin Schwahlen: Wenn man die ganze Zeit nimmt, verdammt lang, von März bis Juli. Also 2011 bis 2012, 15 Monate. Am Anfang war "wir fangen einfach mal an". Ja, und dann fing keiner an. Aber die Zeit ging ins Land. Dann gab es unendliche viele Mails, die immer länger und chaotischer wurden.

Allen fehlte Zeit, manchmal auch Ideen oder die Möglichkeit etwas umzusetzen. Keiner wollte selbsternannter Chef sein. Und so dümpelte das Ganze mehrere Monate vor sich hin. Irgendwann kam dann die Ansage: "wenn das so weitergeht, dann geht das nicht mehr." Corinna und Katrin haben das Steuer in die Hand genommen und eine To-do-Liste vorgegeben. Marcel hat die technische Koordination übernommen, programmierte und avancierte zum Ansprechpartner für alle Wordpress-Probleme. Denn das ist nicht so einfach, wie es scheint.

Es gab weitere Fragen zu beantworten: Wie viel Geld haben wir, um einen externen Programmierer zu bezahlen? Was wollen wir auf der Seite haben, wie sieht es mit der Sicherheit aus, wer übernimmt die ViSdP? Und ganz wichtig: wer setzt sich den Hut für die drei Logs auf?

Die Medienlog-Macherinnen sind ein eingespieltes Team. Debattenlog und Gucklog sind neu auf dem Plan, wollen aber auch regelmäßig befüllt werden, das wollen wir nicht dem Zufall überlassen. Dafür konnten wir Heike und Edda gewinnen. Auch aus der alten Aiterbach-Gruppe haben sich einige als potenzielle Autoren gemeldet. Längerfristig soll das Team noch ein bisschen wachsen. Und als alles fertig war, sollten auch noch diejenigen draufschauen, die die Ideen in Aiterbach entwickelt hatten oder die in der Vergangenheit hinter den Kulissen des Jonets mitgewerkelt hatten.

NEWSROOM: Als ein Herzstück von Jonet gilt die tägliche Medienschau. Macht es überhaupt Spaß, jeden Tag zuerst über das Elend und das Wehklagen von Medienmachern zu lesen?

Katrin Schwahlen: Ich bin eine der Medienloggerinnen und schreibe etwas zwei Mal pro Woche das Medienlog. Wenn denn Nutzern das Lesen so viel Spaß macht wie mir das Recherchieren, dann würde mich das sehr freuen. Ich finde es außerordentlich spannend täglich einen Überblick zu haben, was in der Welt der Medien passiert. Und das ist ja nicht nur jammern und weinen, sondern auch Inspiration und Nachdenken.

Zur Zeit diskutieren wir darüber, wo die Grenzen und Möglichkeiten des Medienlogs liegen: Fokussieren wir auf reine Journalismusthemen oder gehören Beiträge aus Grenzbereichen wie Kommunikation, wirtschaftliche Entwicklung von Medienhäusern oder Wikipedia auch ins Medienlog? Sind private Blogs, die sich mit Medien beschäftigen ebenso journalistisch wie journalistische Kommentare auf Facebook? Interessieren sich unsere Leser "nur" für Medien in Deutschland oder deutschsprachige Medien, Medien aus Europa oder sogar weltweit?

Mit Katrin Schwahlen von Jonet sprach NEWSROOM-Chefredakteur Bülend Ürük.