Vermischtes
Newsroom – Markus Wiegand, Robin Rittinghaus

Desaströse Mitarbeiterbefragung: Warum die Redakteure bei Bauers Volksstimme so unzufrieden sind

Desaströse Mitarbeiterbefragung: Warum die Redakteure bei Bauers Volksstimme so unzufrieden sind Chefredakteur Alois Kösters

Die Bauer Media Group hat die „Mitteldeutsche Zeitung“ gekauft, um sie mit ihrer „Volksstimme“ in Magdeburg zu fusionieren. Schon vor dem Start hat Chefredakteur Alois Kösters ein Problem.

Magdeburg – Ganze 90 Minuten hatte die Chefredaktion der Magdeburger „Volksstimme“ im Juli für eine wichtige Redaktionskonferenz anberaumt. Das ist eine ganze Menge für eine Zeitung, von der Führungskräfte des Besitzers Bauer Media Group informell gerne mal behaupten, sie sei eine der effizientesten des Landes. Vermutlich stimmt diese Einschätzung, denn nach von einem Teilnehmer handgestoppten 44 Minuten war die Sitzung schon wieder vorbei, obwohl der Inhalt mehr als brisant war. 

 

Heike Groll aus der Chefredaktion präsentierte per Videokonferenz die Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung, die desaströs ausgefallen war. Die Bauer Media Group hatte die internationale Personalberatung Korn Ferry beauftragt, im August 2019 weltweit zu messen, wie zufrieden die Mitarbeiter im Konzern sind. 

 

In der Auswertung für die Redaktion der „Volksstimme“, die kress pro vorliegt, haben die Berater jeweils rot hervorgehoben, wenn die Ergebnisse unter denen des Gesamtkonzerns oder einem Vergleichswert aus der Konsumgüterindustrie liegen. Das Ergebnis: Es wimmelt nur so von roten Feldern, die die große Unzufriedenheit in der Belegschaft dokumentieren. Dem Satz „Ich würde mein Unternehmen als guten Arbeitgeber weiterempfehlen“ etwa stimmten nur 25 Prozent der Redakteure zu. Das liegt 38 Prozentpunkte unter dem Wert der Bauer Media Group insgesamt und 46 Prozentpunkte unter dem Wert der Konsumgüterbranche, den die Berater als „Norm“ herangezogen haben. Der Aussage „Mein Team hat genügend Mitarbeiter, um die anfallende Arbeit zu erledigen“ stimmten nur 7  Prozent zu. 88 Prozent der Redakteure, die teilnahmen, fanden dagegen, dass die Ressourcen nicht ausreichen. 

 

Die Mitarbeiter gaben diesem Thema die höchste Priorität. Vermutlich ist die Unzufriedenheit sogar größer, als es die Befragung festhält. Denn in der Redaktion war die Beteiligung mit 60 Prozent deutlich schwächer als im Gesamtkonzern. Viele freie Mitarbeiter, intern auch „Millimetersklaven“ genannt, weil sie für tiefe Honorare die Zeitung vollschreiben, nahmen erst gar nicht teil.

 

Heike Groll trug die Ergebnisse nüchtern vor, „mit einer Stimme wie eine Bahnhofsansage“, sagt ein Zuhörer, der sich nur an eine einzige Frage im Anschluss daran erinnert: Ob man künftig mit mehr Ressourcen rechnen könne? Die Antwort lautete nein. Die Besprechung der Befragung passt zu den Ergebnissen. Dort halten die Autoren fest:"„Die Hälfte der Mitarbeiter vermisst offene und ehrliche Kommunikation des Unternehmens mit den Mitarbeitern.“ Ein langjähriger Mitarbeiter kommentiert die Ergebnisse so: „Es gibt keine wertschätzende Unternehmenskultur. Es wird auf Hierarchien bestanden. Konstruktive Kritik wird als anmaßend verstanden.“ 

 

Die Bauer Media Group räumt auf Anfrage Schwächen ein. Kommunikationschef Arnd Wagner hält fest: „Allgemein gesprochen kann man sagen, dass wir Defizite in der Kommunikation und der Entwicklung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben. Hier müssen und werden wir uns verbessern. Was die Frage der Arbeitsbelastung anbelangt, sehen wir uns an, welche Bereiche davon besonders betroffen sind – und warum – und schaffen Abhilfe.“ 

 

Wenn man sich vor Ort über die Ursachen für die miserablen Werte umhört, sehen viele Mitarbeiter in Chefredakteur Alois Kösters den Hauptgrund. Geschäftsführer Marco Fehrecke tritt deutlich weniger in Erscheinung. Zudem sind die Werte der Mediengruppe Magdeburg insgesamt, also inklusive der Verlagsmitarbeiter, lange nicht so schwach wie die in der Redaktion, die Kösters schon seit neun Jahren leitet.

 

Quellen aus Redaktionskreisen sehen menschliche Defizite beim langjährigen Chef. Im Frühjahr feuerte er etwa den langjährigen Redaktionsleiter in Stendal aus heiterem Himmel, den Kollegen als Leistungsträger beschreiben. Nach der persönlichen Kündigung vor Ort musste sich die Führungskraft innerhalb von wenigen Stunden vom Team verabschieden und ihre Sachen packen. 

 

Mitarbeiter sehen in Kösters vor allem einen unbarmherzigen Kostenmanager, der die Vorgaben der Bauer Media Group ohne Pardon umsetzt. Auch gestandene Redakteure mit viel Berufserfahrung verdienen bei der „Volksstimme“ demnach nur rund 40.000 Euro im Jahr, im Lokalen teils darunter. Die Bauer Media Group wollte die Zahl nicht kommentieren. 

 

Auch bei der zentralen Frage der Weiterentwicklung der Zeitung hat der Chefredakteur seine Mannschaft nicht hinter sich. Der Aussage „Mein Unternehmen ist innovativ, wenn es um die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen geht“ stimmte nur ein Drittel zu. 

 

In informellen Gesprächen mit „kress pro“ äußern Mitarbeiter teils scharfe Kritik an Chefredaktion und Geschäftsführung. Die Zeitung werde kaputtgespart, lautet der häufigste Vorwurf. Die Bauer Media Group entgegnet: „Bei der Qualität unserer Produkte machen wir keine Abstriche. Sonst hätten wir in den vergangenen Jahren nicht zu den Tageszeitungen in Ostdeutschland gehört, die im Vergleich am wenigsten Auflage verloren haben.“ Allerdings hat auch die „Volksstimme“ seit dem Amtsantritt von Kösters im Oktober 2011 laut IVW 24,5 Prozent ihrer hart verkauften Abos verloren und ist von rund 180.900 auf 136.500 Exemplare gefallen. 

 

Am Schluss der Auswertung finden sich „Key Driver (Haupttreiber), an denen der Bereich Redaktionen arbeitet“. Künftig soll es jährliche Mitarbeitergespräche geben, auch „Gehaltsanpassungen“ und „mehr Urlaub“ werden angekündigt. Einen weiteren personellen Ausbau allerdings soll es nicht geben, hält man ebenso fest. 

 

Die Mediengruppe hat ohnehin das Problem, dass sie nicht alle Stellen besetzen kann, wie die Korn-Ferry-Studie festhält. 2017 und 2018 schieden rund 20 Mitarbeiter in der Redaktion aus und die Nachbesetzungen waren schwierig. Dieses Problem könnte sich verschärfen, warnt Korn Ferry. Zwischen 2025 und 2030 gehen „zahlreiche Mitarbeiter in den Ruhestand, Jüngere rücken nach, mit ihnen andere Wertvorstellungen und Erwartungen an Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf“. Schon heute hat die Mediengruppe Magdeburg Probleme, Volontärsstellen zu besetzen. In der Auswertung findet sich als Vorschlag daher sogar eine „Antrittsprämie für Volontäre“. 

 

Für die Bauer Media Group sind die schlechten Ergebnisse als Arbeitgeber kein Einzelfall. Das Medienunternehmen gilt in der Branche nicht als attraktiv. In einer kress pro-Auswertung des Bewertungsportals Kununu hatte es die Bauer Media Group Anfang des Jahres nur auf den drittletzten Platz von 46 Medienunternehmen geschafft, die gewertet wurden. 

 

Welche Rolle Altverleger Heinz Bauer bei der „Volksstimme“ noch spielt und welche Ergebnisse bei der Mitarbeiterumfrage im Detail herauskamen, lesen Sie hier.