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Deutsche-Bank-Sprecher Jörg Eigendorf: Ich brauche kein Schmerzensgeld, um hier zu arbeiten

Deutsche-Bank-Sprecher Jörg Eigendorf: Ich brauche kein Schmerzensgeld, um hier zu arbeiten Jörg Eigendorf auf dem Cover des aktuellen „Wirtschaftsjournalisten“

Vor fünf Jahren vollzog Jörg Eigendorf einen spektakulären Seitenwechsel: Von der „Welt“, wo er Chefreporter des Investigativteams und Mitglied der Chefredaktion war, wechselte er als Konzernsprecher zur Deutschen Bank. Im „Wirtschaftsjournalist“-Interview spricht er mit Wolfgang Messner offen über seinen Job, für den er täglich wie ein Hochleistungssportler trainiert, über seinen Arbeitsvertrag und Neuzugang Sven Afhüppe.

Jörg, wir kennen uns aus dem Journalismus seit mehr als 15 Jahren. Nun zum Sie zurückzukehren, wäre aus meiner Sicht verlogen. Wir bleiben beim Du – einverstanden?

Jörg Eigendorf: Einverstanden!

 

Der Journalismus ist ein Beruf, den man liebt, womit man im besten Fall der Gesellschaft und der Demokratie einen Dienst tun kann. Aber was ist so toll daran, der Sprecher der Deutschen Bank zu sein, außer dem vielen Geld, das man dafür bekommt?

Es gibt sehr vieles, was in dieser Rolle sinnstiftend sein kann. Es gilt heute für mich immer noch das, was ich gepostet habe, als die Bank meinen Wechsel bekannt gegeben hat: Wenn ich hier einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, dass die Deutsche Bank, diese Institution, die sie für das Land ist, wieder ihren Weg und ihre Rolle findet,die sie für dieses Land und auch für Europa haben sollte – dann ist das unglaublich sinnstiftend.


Wie soll das gehen?

Der Journalist verändert durch seine Beobachtung und durch das, was er berichtet. In der Rolle des Kommunikators kann man hingegen direkt an der Wurzel verändern. Ich verstehe Kommunikation nicht als eine Sendefunktion, sondern als eine Beratungs- oder Entscheidungsfunktion. Das bedeutet: Wir sitzen bei der Entscheidung entweder mit am Tisch oder werden sehr früh mit eingespannt. Denn nur, was wir als Bank kommunizieren und erklären können, sollten wir auch entscheiden.

(...)

 

Hat man als Kommunikationschef einen Einfluss auf die Strategie der Bank?

Ein Management, das die Kommunikationschefin oder den Kommunikationschef nicht mit einspannt, wenn eine neue Strategie entsteht, würde wie ein Pilot handeln, der einen Teil des Radarsystems ausschaltet. Die Kommunikatoren bei wichtigen strategischen Entscheidungen einzubinden, ist bei globalen Unternehmen gang und gäbe.

 

Hat dieser Job Dich verändert?

Ich habe sehr viel gelernt, und das hat mich verändert. Meine Lernkurve ist auch nach fünf Jahren immer noch steil. Auch, weil ich den Bereich Nachhaltigkeit verantworte. Da geht es zunächst einmal nicht um Reputation, sondern ums ureigene Bankgeschäft und alles, was damit einhergeht. An einem solchen Transformationsprozess mitzuarbeiten, ist sehr lehrreich - und eben auch sinnvoll.

 

Als Mensch hast du dich nicht verändert?

Das verändert einen natürlich als Person. Man ist fremdgesteuerter. Ich habe schon als Journalist sehr hart gearbeitet. Hier aber ist die Fremdsteuerung noch ein bisschen größer, weil es so viele gibt, die über mein Zeitbudget verfügen können. Ich hätte einfach gern mehr Zeit.

(...)

 

Hat der Journalist Eigendorf den Sprecher Eigendorf gewarnt, was auf ihn zukommt, wenn er zur Deutschen Bank geht?

Das war am Ende eine intuitive Entscheidung, die ich damals zusammen mit meiner Frau und wenigen vertrauten Menschen getroffen habe. Ich habe mich dann auf die Aufgabe intensiv vorbereitet. Mit speziellen Trainern und Beratern, unter anderem mit erfahrenen Sprechern wie Emilio Galli Zugaro, dem langjährigen Kommunikationschef der Allianz, oder Björn Edlund, ehemals ABB und Shell. Ich habe sehr gute Coaches gehabt, und die haben mir geholfen, mich schnell in der neuen Rolle einzufinden.


Was hat Dich am meisten überrascht, was am meisten gefordert und am meisten enttäuscht, als Du Deinen Job angetreten hast?

Überrascht hat mich - und ich glaube, auch andere -, wie schnell ich mich in der Deutschen Bank zu Hause gefühlt habe. Ich hatte überhaupt nicht das Gefühl zu fremdeln und fühlte mich schnell zugehörig. Das hat es mir erleichtert, mich für die Bank einzusetzen.

 

Und gefordert?

Mich in die Konzernstrukturen einzufinden. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie Abstimmungsprozesse hier gehen. Dieses Tempo! Ich habe mal gescherzt, wenn wir eine Wochenzeitung wären, würden wir einmal im Jahr eine Weihnachtsausgabe produzieren, die dann aber leider erst im neuen Jahr erscheint. Wobei vieles auch deshalb so lange dauert, weil es rechtliche Konsequenzen haben kann. Alles wird hier mehrmals nebeneinandergelegt.

 

Was hat Dich enttäuscht?

Enttäuscht hat es mich immer, wenn Leute Konzernpolitik gespielt haben. Wenn man auf einmal von einem E-Mail-Verteiler verschwindet, dieses „Ruling by information“. Das hat sich aber in der ganzen Bank verbessert. Das liegt entscheidend auch an -Christian Sewing, der es überhaupt nicht schätzt, wenn drei Leute entscheiden sollten und plötzlich eine oder einer nicht mehr eingebunden ist.

 

Du bekommst hier doch Geschichten mit, wo Du Dir früher gesagt hättest "das müssen wir unbedingt drucken". Was machst Du mit diesem Wissen?

 Das ist auch etwas, was ich überraschend fand. Man hat Zugang zu unglaublich vielen Informationen, aber manchmal muss man sie sich auch mühsam zusammensuchen. Ich habe am Anfang mal gesagt: Ich fühle mich wie ein investigativer Journalist mit privilegiertem Zugang. (lacht)

 

Das kam sicher gut an.

Ja. Das kam gut an... (lacht) Aber alle wissen, wie ich das meine. Und alle können sich darauf verlassen, dass ich kein Buch über die Deutsche Bank schreiben werde.

 

Interessant.

Das kommt für mich nicht in Frage. Ich fände es unehrenhaft. Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, müssen wissen, dass sie mir vertrauen können. Aber es sind andere Dinge, die man lernt: die Einsamkeit von Macht und Verantwortung zum Beispiel. Wenn man ganz nah an Menschen in Spitzenpositionen dran ist, die Entscheidungen treffen müssen. Wie allein man da ist und wie wichtig Vertrauen dann ist. Und wie Entscheidungen entstehen.

 

Das ist anders als im Journalismus?

Ich habe das da auch erlebt, aber das war in einer Redaktion von rund 450 Frauen und Männern. Das ist aber in einem Unternehmen von dieser Größe etwas anders. Eine Entscheidung, die fundamentale Folgen hat, wo es vielleicht um Tausende Menschen geht. Das macht verdammt einsam.

(...)

 

Dein Pensum ist geradezu unmenschlich. Angeblich kommst Du mit vier Stunden Schlaf aus und stehst um 4 Uhr früh auf. Was machst Du da?

Keine Mystifizierung, bitte. Ich stehe früh auf, das stimmt, aber vier Stunden Schlaf sind mir zu wenig. Richtig ist aber: Dieser Job ist Hochleistungssport. Da kannst du es nicht ruhig angehen lassen. In der Rolle muss ich jeden Tag fit sein. Deshalb lebe ich auch ein bisschen wie ein Sportler.

 

Was machst Du?

Ich meditiere und treibe jeden Tag Sport: Joggen, Yoga, Radfahren, Schwimmen, Tennis - immer früh morgens, wenn mich niemand stört.

 

Ich wäre um die Zeit zu müde.

Für mich ist das Medizin. Es geht mir körperlich und geistig heute viel besser als vor zehn Jahren.

(...)

 

Nach spätestens fünf Jahren gilt man in Deinem Job eigentlich als ausgebrannt. Warum hast Du Deinen Vertrag dennoch verlängert?

Ich rede nicht über meinen Arbeitsvertrag. Nur so viel sei gesagt: Ich brauchte ihn nicht zu verlängern.

 

Dein Vertrag müsste doch im April aber nach fünf Jahren auslaufen?

Manches ist banaler, als man denkt: Ich bin Angestellter der Deutschen Bank mit einem unbefristeten Vertrag. Aber davon abgesehen gibt es auch überhaupt nichts, was mich hier wegzieht.

 

Dein Nachfolger steht mit Sven Afhüppe doch schon ante portas. Der ehemalige "Handelsblatt"-Chefredakteur übernimmt zum 1. März die politische Abteilung. Es heißt bereits, er würde Dich im nächsten Jahr ablösen.

Dann habe ich ja noch ein bisschen Zeit. Aber im Ernst: Wir freuen uns sehr darüber, dass Sven seine Expertise auf dem politischen Gebiet in unserer Bank einbringen wird. Er kommt in ein starkes Führungsteam, das jede Verstärkung begrüßt. Und ich freue mich persönlich auf unsere Zusammenarbeit, wir werden voneinander lernen.

 

Außerdem berichtet Afhüppe direkt an Sewing und nicht an Dich. Mein Machtverlust ist offenkundig.

Verantwortung kann man nur verlieren, wenn man sie vorher hatte. Ich war aber nicht für politische Angelegenheiten zuständig, die Verantwortung dafür lag vorher bei Christian Berendes, dessen Aufgabenfeld nun an anderer Stelle erweitert wurde.

(...)

 

Eine Rückkehr in den Journalismus schließt Du aus?

Nein.

(...)

 

Eine Festanstellung brauchst Du nicht mehr anzustreben. Denn finanziell bist Du ja unabhängig.

Diesen Satz liebe ich. Was heißt finanziell unabhängig?

 

Dein Gehalt soll – Boni inklusive – bei rund einer Million Euro liegen.

Ich lebe gut und ich bin glücklich. Aber mich nervt es, wenn mich Leute auf mein Gehalt ansprechen. Ich brauche kein Schmerzensgeld, um hier zu arbeiten. Für mich sind drei Punkte wichtig: erstens eine gewisse Autonomie in meiner Arbeit; zweitens eine Lernkurve, etwas entwickeln zu können und selbst besser zu werden. Und das Dritte ist für mich wie gesagt Sinnhaftigkeit. All das ist gegeben. Das sind die Gründe, warum ich hier bin.

 

Warum Jörg Eigendorf die Deutsche Bank trotz aller Skandale verteidigt, warum er sich so stark mit ihr identifiziert, wie er eine Lanze fürs Investmentbanking bricht, wie hartnäckig er arbeitet, wie er mit Fehlern umgeht und wie er seine Zukunft sieht.

Zum neunseitigen Titelinterview mit Deutsche-Bank-Sprecher Jörg Eigendorf.

 

Der Wirtschaftsjournalist erscheint wie kress.de im Medienfachverlag Oberauer. Chefredakteur ist Wolfgang Messner.