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Die Kunst des journalistischen Fragens: 10 Regeln

Die Kunst des journalistischen Fragens: 10 Regeln Barbara Maas

Der Weg zu guten Antworten ist eine gute Fragetechnik. Trainerin Barbara Maas zeigt in der „Journalisten-Werkstatt“, wie es gelingt, die „richtigen“ Fragen zu stellen.

Berlin – Ein gutes journalistisches Stück beginnt immer mit einer guten Frage. Mit einer Frage, die bewegt, aufrüttelt, vielleicht sogar Systeme zum Einsturz bringt. Recherchen gewinnen an Tiefe, indem wir nicht aufhören, weiter Fragen zu stellen. Solche Fragen sind nicht selbstverständlich. Aber wir können sie üben, erklärt Trainerin Barbara Maas und sie nennt in der „Journalisten-Werkstatt“ „Die Kunst des Fragens“ zehn Regeln:

 

1. Folgen Sie der Neugier und bleiben Sie flexibel

Bereiten Sie einen Leitfaden vor, machen Sie einen Plan – und trauen Sie sich dann im Gespräch, etwas davon über den Haufen zu werfen. Seien Sie offen, wenn sich Ihre Erwartungen nicht erfüllen. Fragen Sie nach, wenn plötzlich interessante Randaspekte auftauchen.

 

Und lernen Sie auf keinen Fall bestimmte Fragen auswendig. Das wirkt künstlich – und kann die Beziehungsebene im Gespräch empfindlich stören.

 

2. Formulieren Sie genau, klar, einfach und natürlich

Das sorgt dafür, dass andere Sie verstehen und so auch besser antworten können. Fragen Sie einen Polizisten oder eine Feuerwehrfrau nicht: „Was war Ihr Zuständigkeitsbereich in diesem Einsatz?“ Seien Sie konkret: „Wo waren Sie? Was haben Sie gemacht?“ So erhalten Sie auch konkrete Antworten.

 

3. Stellen Sie kurze Fragen

Wer eine lange und komplizierte Frage stellt, erhält eine lange und komplizierte Antwort. Das Gegenüber ist zu Recht verwirrt und lässt sich auf das komplizierte Gedankengerüst ein. Am Ende laufen Sie Gefahr, dass niemand mehr versteht, worum es überhaupt geht.

 

4. Vermeiden Sie Kettenfragen! Eine Frage – eine Antwort

„Können Sie mir sagen, was genau bei dem Unglück passiert ist? Wo lagen die Gründe? Wie lässt sich so etwas in der Zukunft vermeiden?“ Das sind Kettenfragen – und wir stellen sie andauernd. Zum Beispiel, weil wir aufgeregt sind oder unter Zeitdruck stehen.

 

Das Problem: Wer Kettenfragen stellt, bekommt sehr wahrscheinlich nicht auf alle enthaltenen Aspekte Antworten – und das steht dem Informationsinteresse Ihres Publikums entgegen. Auch sonst droht maximale Verwirrung. Die befragte Person weiß nämlich nicht, auf welche der Fragen sie antworten soll, und wird wahrscheinlich nur auf die letzte Frage reagieren.

 

5. Vermeiden Sie Suggestivfragen

Sie möchten Ihr Gegenüber nicht manipulieren, sondern ins Erzählen, Beschreiben oder Erklären bringen.

 

6. Bewerten Sie so wenig wie möglich

Es gibt Ausnahmen zu dieser Regel: Wenn Ihr Interviewpartner nachweislich lügt, sollten Sie diese Lüge ansprechen. Ansonsten gilt: Versuchen Sie, Beobachtungen und Bewertungen so gut wie möglich zu trennen. Wenn Sie fragen, geht es erst einmal nur darum, die andere Person zu verstehen. Für Einordnung und Kritik ist später noch Gelegenheit.

 

Äußerungen, die nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen sind, müssen Sie nicht unkommentiert stehen lassen. Das gilt umso mehr für Wortlaut- und Live-Interviews. Besonders im Gespräch mit Menschen, die nicht oft mit Journalisten sprechen, hilft aber eine andere Strategie: Halten Sie sich mit Ihrer eigenen Meinung zurück, schließlich soll es ganz um den anderen Menschen gehen. Wählen Sie eher eine Nachfrage, wenn Sie etwas irritiert: „Wie meinen Sie das?“ Aber Vorsicht: Auch Tonfall und Körpersprache können abwertend wirken.

 

7. Mischen Sie konventionelle und herausfordernde Fragen

Entscheiden Sie bewusst, ob Sie wirklich gleich mit einer schwierigen Frage mitten ins Gespräch springen oder Ihrem Gesprächspartner Zeit zum Aufwärmen geben wollen. Geben Sie auch im Gespräch immer wieder Raum für Fragen, die eher leicht zu beantworten sind.

 

Und falls Ihr Gesprächspartner auf eine der vorgestellten systemischen Fragen nicht antworten kann oder will, gehen Sie freundlich weiter im Gespräch. Beißen Sie sich nicht fest.

 

8. Denken Sie vom Ende her

Möchten Sie in einem Kurzinterview möglichst schnell zum Punkt kommen und Ihr Gegenüber auf eine Antwort festlegen, schlagen die Journalismus-Trainer Jürgen Friedrichs und Ulrich Schwinges den sogenannten „Trichter“ vor: Diese Strategie beginnt mit einer offenen Frage, schließt zwei oder drei konkrete Nachfragen zum Verständnis an und endet mit einer geschlossenen Frage, die nur mit Ja oder Nein beantwortet werden kann.

 

Um den „Trichter“ anzuwenden, muss man sich zuerst darüber im Klaren sein, mit welcher Frage das Gespräch enden soll und dann die einleitenden Fragen formulieren.

 

9. Lassen Sie Zeit zum Nachdenken

Hetzen Sie nicht durch das Gespräch – vor allem nicht, wenn Sie unter Zeitdruck stehen. Stellen Sie Ihre Fragen bewusst. Lassen Sie Ihrem Gesprächspartner Raum, die eigenen Gedanken zu ordnen. Schenken Sie sich selbst Zeit, im Gespräch Verbindungen im Gesagten zu knüpfen und daraus neue Fragen zu entwickeln.

 

10. Machen Sie sich smarte Notizen!

Ihre eigenen Fragen, besondere Gedanken aus dem Gespräch, Anknüpfungspunkte für weitere Recherchen, Annahmen und Hypothesen: Schreiben Sie diese Dinge auf. Trotzdem sollten Sie vor allem präsent im Gespräch sein und sich voll auf die andere Person konzentrieren. Wie das am besten funktioniert, erfahren Sie in dieser Werkstatt auf den nächsten Seiten.

 

  • Fragen der Haltung
  • Die Vorbereitung
  • Gute Fragen, schlechte Fragen
  • Zuhören
  • Checkliste

Die gesamte „Journalisten-Werkstatt“ „Die Kunst des Fragens“ finden Sie hier.

 

Barbara Maas unterstützt als Journalistin, Trainerin und Coachin Medienprofis im digitalen Wandel. Sie liebt Innovation, Serious Play – und die kleinen und klaren journalistischen Formen. https:/barbara-maas.de