Vermischtes
KNA – Jana Ballweber

Die Netzwerk-Recherche-Jahreskonferenz 2025 in Hamburg – Pommes und Plauderei

Jahr für Jahr lockt das Treffen von Netzwerk Recherche investigative Journalisten und vernetzungswilligen Branchennachwuchs nach Hamburg. Ausgetauscht werden viele Visitenkarten und Methoden – aber wenig medienpolitische Visionen.

HAMBURG (KNA) –  Der Blick in die Realität kann dieser Tage ganz schön hart sein: Kriege, Krisen, Katastrophen – und dann bröckelt es auch noch hier und anderswo gehörig an der Demokratie. Mehr, als viele Menschen ertragen können, wie auch der Reuters Digital News Report in dieser Woche wieder gezeigt hat.

 

Anders als der Rest der Bevölkerung können Journalist:innen sich im Regelfall nicht aussuchen, ob sie sich gerade mit der Nachrichtenlage befassen wollen oder nicht. Sie machen die Nachrichtenlage. Und dennoch: Wer sich bei der Jahreskonferenz von Netzwerk Recherche am vergangenen Wochenende in Hamburg einmal genauer umgehört hat, konnte auf ganz brancheneigene Art doch Anzeichen von Nachrichtenvermeidung entdecken.

 

Die Netzwerk-Recherche-Konferenzen gelten für viele Medienschaffende als großes Klassentreffen. Man trifft alte Weggefährt:innen, knüpft neue Kontakte, verabredet sich für die nächste große Recherche – oder plaudert einfach nur bei der obligatorischen Portion Pommes im Innenhof des NDR über Branchentratsch. Und so ganz nebenbei gab es auch in diesem Jahr wieder ein pickepackevolles Programm, das zur Diskussion und vor allem zur Weiterbildung einlud.


Lücken im Programm

Geprägt waren viele Veranstaltungen vor allem von der Methodenvermittlung – und der Gelegenheit, den alten Recken und jungen Wilden zu ihren oft beeindruckenden Recherchen Löcher in den Bauch zu fragen. Auch vermeintlich softere Themen wie das Wohlbefinden in der Branche – die Grundvoraussetzung für guten Journalismus – werden immer wichtiger und mit vielen klug besetzten Panels bedacht.

 

Rar gesät waren – trotz des Mottos „Harte Zeiten, harte Fakten“ – jene Veranstaltungen, die sich mit Medienpolitik und möglichen Antworten der Branche auf politische Entwicklungen befassten. Zwar versprach die hyperpolitische Keynote von re:publica-Gründer und Digitalexperte Markus Beckedahl genau jene Auseinandersetzungen. Doch im Programm schlug sich das im Anschluss kaum nieder.

 

Es ist schon bemerkenswert: Kein Programmpunkt explizit zum politischen Angriff auf das Informationsfreiheitsgesetz. Keiner zur anstehenden Entscheidung über den Bestand des Verbots des rechtsextremen Magazins Compact. Keiner über das politische Taktieren mit dem Rundfunkbeitrag und dem teils zerschnittenen Tischtuch zwischen ARD, ZDF und den Bundesländern. Und auch nichts über die Frage, wie Redaktionen aus der selbstverschuldeten Abhängigkeit von US-amerikanischen Digitalkonzernen herauskommen können – Konzernen, die den Faschismus gerade mit Handkuss willkommen heißen. Kein Programmpunkt über die sich häufenden Arbeitskämpfe in der Branche und die Weigerung der Verleger, sich tariflich auf KI-Regeln festzulegen. Kein Panel über den Koalitionsvertrag und die Medienpolitik der Bundesregierung. Keines über deren Tatenlosigkeit.

 

Aufs Handwerk besinnen

Natürlich kann es auch eine Strategie sein, sich im Angesicht der Krisen und Kulturkämpfe auf das Handwerk zu besinnen. Harte Fakten schaffen gegen die harten Zeiten. Unbeirrt bleiben. Zumindest dieser Kampfgeist war bei der Konferenz allgegenwärtig. Doch auch dieses Handwerk braucht ein Ökosystem und eine Infrastruktur, um wirken zu können.

 

Dass es nicht unbedingt nur am Verantwortungsgefühl hapert, zeigen vor allem die informellen Gespräche. Während sich bei den Diskussionen zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – außer Pensionär:innen, die davon erzählen, wie viel besser früher alles war – kaum jemand zu Wort melden mag, diskutiert der Nachwuchs im Freien durchaus leidenschaftlich, wohin die Reise gehen könnte. Man kann den Veranstalter:innen nur wünschen, dass es ihnen gelingt, diese Gespräche mit dem Kescher abzuschöpfen – und künftig auch ins Programm zu gießen.

 

Was bleibt also vom Klassentreffen?
Den Aussagen vieler Teilnehmer:innen zufolge: ein neu entfachter Kampfgeist für unabhängigen Journalismus, die Selbstvergewisserung des eigenen beruflichen und sozialen Netzwerks – und das Ziel, zum Wohle der eigenen mentalen Gesundheit und der des Publikums nicht immer alles gleich so schwarz zu malen.