Vermischtes
Newsroom

„Ein ,Stern‘ ohne Politik am Konferenztisch ist ein sterbender ,Stern‘“

„Ein ,Stern‘ ohne Politik am Konferenztisch ist ein sterbender ,Stern‘“ Florian Gless

Das gemeinsame Hauptstadtbüro, in dem Redakteure und Reporter von „Capital“ und aus dem bisherigen Berliner „Stern“-Büro künftig arbeiten werden, soll für Streit innerhalb der „Stern“-Redaktion sorgen. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet von „heftigen Turbulenzen“. Chefredakteur Florian Gless gibt sich kämpferisch.

Berlin – Die gesamte Berichterstattung über die deutsche Politik und die Wirtschaft in „Stern“, „Capital“ und Business Punk kommt in Zukunft aus dem gemeinsamen Hauptstadtbüro, in dem Redakteure und Reporter von „Capital“ und aus dem bisherigen Berliner „Stern“-Büro arbeiten werden. Die Redakteure im Ressort Politik und Wirtschaft in Hamburg sollen „zum Großteil andere Aufgaben beim stern übernehmen“. Die Führung des gemeinsamen Hauptstadtbüros übernimmt Horst von Buttlar, der zugleich Mitglied der „Stern“-Chefredaktion wird. In der vereinten Berliner Redaktion sollen rund 35 Journalisten in Print und Digital berichten. Betriebsbedingte Kündigungen sollen weitestgehend vermieden werden. So lautete es in der Mitteilung, die Gruner + Jahr am 19. Januar verschickte. 

 

An diesem Freitag berichtet Peter Fahrenholz in der „Süddeutschen Zeitung“ von einem Streit beim „Stern“, von „heftigen Turbulenzen“ ist die Rede. „Ein ,Stern‘ ohne Politik am Konferenztisch ist ein sterbender ,Stern‘“, wird der langjährige Kolumnist Hans-Ulrich Jörges, der viele Jahre Mitglied der „Stern“-Chefredaktion war, zitiert. „Stern“-Chefredakteur Gless widerspricht dieser Befürchtung in der „SZ“: „Es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass der ,Stern‘ nicht mehr politisch ist. Es mache Sinn, die Politik in Berlin anzusiedeln“, so Gless. Auch dass der „Capital“-Chef von Buttlar künftig die politischen Inhalte bestimmen soll, weist Gless zurück. „Über das, was im ,Stern‘ berichtet wird, entscheiden einzig und allein Anna-Beeke Gretemeier und ich.“ Gretemeier und Gless bilden eine Doppelspitze beim „Stern“. 

 

In einer der Redaktionsversammlungen hat sich nach „SZ“-Informationen der „Stern“-Reporter Hans-Martin Tillack zu Wort gemeldet. Tillack ist im Berliner Büro des „Stern“ verantwortlich für investigative Recherche. „Man habe ihm Altersteilzeit angeboten, so habe er es geschildert, aber unter der Bedingung, dass er nicht mehr über Politik und Wirtschaft schreibe. Einen Investigativ-Spezialisten dieses Kalibers von Politik- und Wirtschaftsthemen abziehen zu wollen, wäre ungefähr so, als würde der FC Bayern seinen Torjäger Robert Lewandowski zum Platzwart degradieren“, heißt es im „SZ“-Bericht. Florian Gless habe sich zu solchen Einzelfällen nicht äußern wollen und auf die anstehenden Gespräche mit den Betroffenen verwiesen.

 

Der „Stern“-Beirat habe in einer Resolution im Namen der Redaktion die Rücknahme der Maßnahmen verlangt und die Berufung Buttlars abgelehnt, so die „SZ“ weiter, die aus einer Stellungnahme des Beirats an die Chefredaktion zitiert: Die Redaktion sei von den Plänen überfallen worden, „der Schock ist gewaltig“. Das Berichten über Politik und Wirtschaft sei „ein Herzstück des ,Stern‘“, auf ein reines „Stern“-Politik-Ressort zu verzichten, sei „absurd“. Die Marke „Stern“ würde damit „massiv geschwächt“. „Der Kern des ,Stern-‘Journalismus lässt sich nicht outsourcen.“ „Capital“ und „Stern“ hätten einen unterschiedlichen Blick auf Politik und Wirtschaft, sie bräuchten deshalb in ihren Kernthemen einen „unverwechselbaren Zugang“.  

 

Chefredakteur Florian Gless gibt sich kämpferisch in der „SZ“: „Für uns ist das nicht leicht, aber wir stehen zu dieser Entscheidung“. Da wachse etwas Neues, „das wird ein Team.“

 

Hintergrund: Anna-Beeke Gretemeier und Florian Gless, die „Stern“-Chefredakteure, erklärten am 19. Januar zum Konzept: „Was macht mehr Sinn, als die journalistische Kraft zweier starker – und befreundeter – Marken in der Hauptstadt zu ballen? Und das auch noch in einem Wahljahr? Wir freuen uns sehr, mit Horst von Buttlar, einem der Top-Journalisten des Landes, diese neue Redaktion aufzubauen.“ Wenn es nach Gretemeier und Gless geht, spielen „Stern“ und „Capital“ mit einem gestärkten Team in der Politik- und Wirtschaftsberichterstattung vorne mit.