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Eiszeit zwischen Ex-Chefredakteur Johannes Boie und „Bild“

Eiszeit zwischen Ex-Chefredakteur Johannes Boie und „Bild“ Johannes Boie (Foto: Welt)

Auch mehr als vier Monate nach seiner Entlassung haben sich der Ex-Chefredakteur und Springer noch nicht darüber verständigen können, wie es weitergeht, berichtet „kress pro“.

Berlin – Die Aktion blieb nicht unbemerkt: Den ersten Gütetermin vor dem Arbeitsgericht in Berlin im Juni zwischen Ex-„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt und Axel Springer verfolgte im Zuschauerraum auch Reichelts Nachfolger Johannes Boie (39), der im März gehen musste berichtet das aktuelle „kress pro“.

 

Bei Axel Springer sorgte Boies Erscheinen für erstaunte bis irritierte Reaktionen. Der Hintergrund: Bereits Mitte März hatte der Konzern mitgeteilt, dass „die derzeitigen Chefredakteure Johannes Boie, Alexandra Würzbach und Claus Strunz aus ihren bisherigen Rollen ausscheiden. Über mögliche künftige Aufgaben im Hause Axel Springer werden wir zu einem späteren Zeitpunkt informieren.“

 

Auch mehr als vier Monate nach seiner Entlassung haben sich der Ex-Chefredakteur und Springer noch nicht darüber verständigen können, wie es weitergeht, lässt sich in Unternehmenskreisen erfahren, was auf eher schwierige Verhandlungen hindeutet.

 

Die Entwicklung überrascht ein wenig, denn lange wurde Boie von CEO Mathias Döpfner stark gefördert. Nach zwei Jahren als Chief of Staff (2017 bis 2019) beförderte er den ehemaligen SZ-Journalisten zum Chefredakteur der „Welt am Sonntag“ (2019 bis 2021). In der Reichelt-Affäre schließlich übernahm Boie im Oktober 2021 „Bild“.

 

Zu Boies Entlassung gibt es zwei Lesarten bei Springer.

Nummer eins: Als der Haufen bei „Bild“ so richtig schön am Dampfen war, brauchte Döpfner rasch einen integeren Kandidaten, der glaubhaft einen Neuanfang bei „Bild“ verkörperte. Also sprang Boie in die Bresche und half damit auch dem CEO, der beim Reichelt-Abgang ungeheuer unter Druck stand. Insofern fand es mancher im Haus etwas undankbar, dass Boie nach nur kurzer Amtszeit ziemlich schmucklos gefeuert wurde. Die sonst üblichen sprachlichen Girlanden fehlten in der Abgangsmitteilung und vor allem blieb die Frage der Anschlussverwendung offen, was das Ganze ungewöhnlich rüde erschienen ließ.

 

Lesart Nummer zwei: Boie konnte Döpfners hohe Erwartungen als „Bild“-Chef nicht erfüllen und fremdelte mit dem Boulevard-Genre, drum musste er gehen. Offenbar gab es auch Differenzen über die genaue Ausgestaltung des künftigen Sparkurses. So galt Boie als Gegner von allzu scharfen Kürzungen bei den Regionalredaktionen. Zudem sei das Verhältnis zwischen Boie und Würzbach nicht das beste gewesen, heißt es.

 

Beide Lesarten widersprechen sich nicht grundsätzlich. Allerdings wirken die Gründe schon ein wenig dünn, um Boie nach weniger als eineinhalb Jahren schon wieder zu feuern. Um die Positionierung zu verändern und intern wirklich für einen Kulturwandel zu sorgen, war die Zeit reichlich kurz. Grobe Fehler kann man ihm ebenfalls nicht anlasten.

 

Derzeit stehen die Zeichen für Johannes Boie wohl auf Abschied. Im Gegensatz zu den guten alten Zeiten ist man bei Springer heute offenbar nicht mehr bereit, ehemalige Chefredakteure mit einem fürstlichen Gehalt irgendwo in der Hierarchie ein warmes Plätzchen zu verschaffen. In Zeiten eines scharfen Sparkurses, den die Investoren aus Nordamerika befürworten, soll nicht nur beim Fußvolk gespart werden, auch die Führungsebene soll weiter verschlankt werden.

 

Das heißt: Es fehlt vermutlich an einer Führungsposition, die hinsichtlich Gehalt und Prestige angemessen ist. Bei Alexandra Würzbach sieht es dagegen derzeit so aus, als würde sie nach dem Sommer eine neue Funktion bei Axel Springer übernehmen.

 

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