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Experten: „Bushido sät nur Gewalt - und die Medien helfen ihm"

Der Rapper Bushido macht seit Tagen Schlagzeilen mit Gewalt verherrlichenden Songs. Die Bundesprüfungstelle für jugendgefährende Medien hat seine umstrittene aktuelle Veröffentlichung auf den Index gesetzt, ab diesem Wochenende darf sie nicht mehr an Jugendliche unter 18 Jahren verkauft werden.

Köln - Der Sozialarbeit-Experte Franco Clemens und der Medien- und der Politikforscher Prof. Dr. Frank Überall erklären im Interview mit Newsroom.de, warum sie die Lieder des Rappers für problematisch halten.


Newsroom.de: Was ist denn die Schwierigkeit an den Songs von Bushido?

Franco Clemens: Er hat mit seinen Hass-Texten die Grenze der "künstlerischen Freiheit" längst überschritten. Seit vielen Jahren zählt er als "Bad Boy" in der deutschen Jugendkultur zu einer der zweifelhaftesten Leitfiguren und erreicht mit seiner Musik insbesondere Jugendliche aus bildungsfernen Schichten, die ihn zitieren, kopieren oder in Form eigener Rap und Hip-Hop-Songs gepaart mit Videoclips imitieren. Ein Blick auf Youtube und die zahlreichen selbstgemachten Rap und Hip-Hop Songs der Jugendlichen aus den sozialen Brennpunkten zeigt, wie viele sich von Bushido in ihrer eigenen Wahrnehmung beeinflussen lassen. Zum Teil wird das sogar noch einmal pubertär "überhöht", indem sie in ihren eigenen Texten noch einen „draufsetzen“.


Newsroom.de: Ist das denn wirklich so gefährlich?

Franco Clemens: Ich arbeite seit Jahrzehnten mit Jugendlichen, die perspektivlos am Rande der Gesellschaft stehen. Dort habe ich erfahren, dass Bushido mit seinen Texten und seiner medialen Omnipräsenz einen sehr großen Anteil daran hat, dass in sozialen Brennpunkten eine von Hass und Gewalt geprägte Atmosphäre entsteht. Jugend- und Sozialarbeit hat der enormen Inszenierungskraft von Musikindustrie, Medien und Verbreitung über das Internet kaum etwas entgegen zu setzen.


Newsroom.de: Die Medien sind also Schuld?

 

Franco Clemens ist Leiter einer Jugendeinrichtung in Grevenbroich (Rheinland). Als Dozent referiert er regelmäßig über den Umgang mit Jugendlichen in Problemlagen unter anderem beim Bundeskriminalamt und bei der Bundeswehr. Prof. Dr. Frank Überall lehrt Journalismus und Politikwissenschaft an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (Köln/Berlin). Clemens und Überall sind Mitglieder des unabhängigen Expertenportals www.politikinstitut.de.

 

Frank Überall: Der mediale Terrorist ist Bushido selbst, aber man kann durchaus sagen, dass sich Journalistinnen und Journalisten durch unreflektierte Berichterstattung zuweilen zu Mithelfern machen. Durch die extreme Aufmerksamkeit, die dadurch entsteht, gehen manche Maßnahmen nach hinten los: Dass ein aktueller Songs von der Bundesprüfstelle auf den Index gesetzt und darüber berichtet wurde, erhöht doch noch die Aufmerksamkeit. Jetzt gucken die Jugendlichen doch gerade nach, was sie da „verpassen“. Das ist und bleibt aber ein Dilemma, schließlich steht die Freiheit von Presse und Kunst zu Recht über allem!


Newsroom.de: Aber Bushido wird doch sogar als Vorbild für Integration gefeiert?

Franco Clemens: Bushido hat sich aus dem Umfeld eines "Underground-Ganster-Rappers", der irgendwelche bildungsfernen Halbstarken und Kleinkriminellen bedient, durch sein im Vorfeld "scheinheiliges geläutertes Getue" und durch sein öffentliches Engagement selbst auf eine politische "Ebene" katapultiert, an der er nun auch mal gemessen werden muss. Im Moment sollte jedenfalls verhindert werden, dass er sein „Ungeist“ ungestraft so medial weitertransportiert und er dabei weiterhin als "völlig falscher Heilsbringer" in der Rolle eines Chefanklägers für soziale Missstände agieren kann. Als Scharfmacher sät er damit nur Gewalt und Hass ohne irgendeinen konstruktiven sozialen oder politischen Lösungsansatz, und genau da macht ihn so "brandgefährlich“.


Newsroom.de: Aber ist es nicht gerade sein Verdienst, zugespitzt auf soziale Missstände aufmerksam zu machen?

Frank Überall: Das kann man so sehen. Aber muss man so etwas gleich mit direkten oder indirekten Aufrufen zur Gewalt oder zur Ausgrenzung Andersdenkender verbinden? Das ist Menschen verachtend und eine ziemlich lächerliche „Kunst“. Wir lernen aus dem Fall Bushido, wie leicht es ist, sich medial „prominent zu stoßen“, um dann für die Gesellschaft zumindest äußerst problematische Statements zu verbreiten. Was würden wir machen, wenn ein Rechtsextremer oder ein Islamist erst über Medien, Politik und Showbusiness bekannt wird, um dann sein wahres, aggressives Gesicht zu zeigen?

Franco Clemens: Die gefährlichen Einstellungen, die Bushido durch Bilder und Sprache verbreitet, werden von Jugendlichen und jungen Erwachsenen ernst genommen und auf den Alltag übertragen. Sie bedienen sich daran als eigene Handlungslegitimation. Dass ein Aufruf zu Mord und Gewalt - wie Bushido behauptet - in der "Sprache der Rapper" anders zu verstehen wäre, ist aus meiner Sicht eine Lüge und Schutzbehauptung, mit der er versucht sich der strafrechtlichen Verfolgung unter dem Vorwand der künstlerischen Freiheit zu entziehen.

Die Fragen an Franco Clemens und Frank Überall stellte Newsroom.de-Chefredakteur Bülend Ürük.