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"Gladbeck 1988" - Spiegel-TV-Dokumentation über das Geiseldrama

Das Gladbecker Geiseldrama vor 20 Jahren gilt gleichermaßen als spektakuläres Verbrechen wie auch als Symbol für journalistische Grenzüberschreitungen und Polizeifehler.

Hamburg (dpa) - Das Gladbecker Geiseldrama vor 20 Jahren gilt gleichermaßen als spektakuläres Verbrechen wie auch als Symbol für journalistische Grenzüberschreitungen und Polizeifehler. Vom Morgen des 16. August 1988 an hielten die verhinderten Bankräuber Hans- Jürgen Rösner und Dieter Degowski mehr als zwei Tage lang die Öffentlichkeit in Atem. Am Ende waren zwei Geiseln und ein Polizist tot. In einer 95 Minuten langen Dokumentation von Spiegel TV wird das Geschehen an diesem Samstag bei Vox ab 22.10 Uhr noch einmal aufgearbeitet, kommentiert von Zeitzeugen und Fachleuten.

"Gladbeck 1988 - Anatomie eines Geiseldramas" heißt der Film von Nadja Kölling, in dem der Vater des von Degowski erschossenen, damals 14 Jahre alten Emanuele de Georgi ebenso zu Wort kommt wie leitende Polizeibeamte und Journalisten, die damals dabei waren. Das Filmmaterial vermittelt noch einmal die absurde Situation, dass Millionen von Fernsehzuschauern live bei den Geiselnehmern und ihren Opfern waren, die Polizei aber keine Chance zum Eingreifen sah. Ein Pressefotograf wird von den Kidnappern als Überbringer ihrer Forderungen eingesetzt, ein anderer Journalist setzt sich zu den Verbrechern ins Auto.

Während der TV-Übertragungen direkt vom Geiselfahrzeug muss bei vielen Menschen der Sinn für die Gefährlichkeit der Situation verloren gegangen sein. So berichtet der damalige Leiter der polizeilichen Observation, dass Anwohner, die sich an den Fenstern um die besten Plätze drängelten, gewarnt werden mussten: Nur 50 Meter entfernt von ihnen fuchtelten die Geiselnehmer mit ihren Pistolen - und es wurde geschossen.

Ines Voitle, die als Geisel neben der ermordeten Silke Bischoff im Auto der Gewalttäter saß, wird bis heute von den Erinnerungen verfolgt. "Ich war ein ganz normaler Teenager. Danach war nichts mehr so, wie es vorher war", sagt sie rückblickend. Auch die Schwester des erschossenen Emanuele, Tatiana de Georgi, die als Neunjährige mit ihrem Bruder im entführten Bus war, kann das Geschehen nicht vergessen. Sie ist zwar verheiratet und hat vier Kinder, aber jedes Mal zu Weihnachten, am Geburtstag Emanueles, muss sie daran denken, dass er seiner kleinen Schwester im Bus nur hatte helfen wollen und dafür sterben musste.

Die Journalisten Frank Plasberg und Udo Röbel machten in der Kölner Innenstadt Interviews mit Tätern und Geiseln. Plasberg heute: "Jetzt so zu tun, als wenn ich mich über die Maßen dafür schämen würde, das wäre geheuchelt. Es hat meinem damaligen Verständnis von Journalismus entsprochen, zu reportieren, zu machen und zu tun." Er habe jedoch daraus gelernt, berufliche Regeln und Zwänge immer daraufhin zu überprüfen, "ob sie im Einklang mit dem normalen Leben stehen". Und Röbel, der in das Auto der Entführer gestiegen war und es aus der Stadt lotste, sieht heute "ein Totalversagen der Medien". So eine Situation habe es für Polizei und Medien noch nie zuvor gegeben.