Vermischtes
Newsroom

„Handelsblatt“-Chefredakteur Sebastian Matthes über KI im Journalismus und „Inside Cum-Ex“

„Handelsblatt“-Chefredakteur Sebastian Matthes über KI im Journalismus und „Inside Cum-Ex“ Sebastian Matthes (Foto: Vero Bielinski/ING Deutschland)

Bei der Verleihung des Helmut Schmidt Journalistenpreises 2025 hielt Matthes die Eröffnungskeynote. Seine Rede spannte den Bogen von den Folgen der KI für den Journalismus bis zur Bedeutung von investigativer Ausdauer.

Frankfurt  – Bei der Verleihung des Helmut Schmidt Journalistenpreises im Literaturhaus Frankfurt eröffnete Sebastian Matthes, Chefredakteur des „Handelsblatt“, die Jubiläumsveranstaltung mit einer Keynote über Künstliche Intelligenz im Journalismus – und ehrte anschließend seine Kollegen Sönke Iversen und Volker Votsmeier, die für ihre Serie „Inside Cum-Ex“ mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurden. Der Preis ist mit 15.000 Euro dotiert.

 

Zu Beginn kündigte Matthes an: „Ich werde ein Experiment starten. Ich werde über KI im Journalismus sprechen und verspreche, dass ich positiv ende.“

 

Er verwies auf die Dynamik, die der technologische Wandel bereits ausgelöst hat: „Bereits 15 Prozent der unter 25-Jährigen nutzen KI für den Nachrichtenkonsum. Das hat dramatische Auswirkungen für die Medien.“ Der Journalismus stehe vor einem tiefgreifenden Umbruch: „Wir gehen in eine Welt des Liquid Contents.“

 

Matthes sieht darin eine Herausforderung für klassische Darstellungsformen: „Text wird nicht mehr die wichtigste Form der Informationsvermittlung sein. Das ist keine gute Nachricht, weil Text die höchste Informationsdichte hat.“

 

Er betonte zugleich die Chancen neuer Plattformen: „Tiktok ist ein großartiges Produkt. Ich kann das jedem Journalisten empfehlen.“

 

Auch über die künftige Rolle journalistischer Persönlichkeiten sprach Matthes: „Wir gehen in ein Zeitalter der journalistischen Medienmarken. Dabei stehen Köpfe und Personen für bestimmte Themen. In Deutschland ist das noch weitgehend unbekannt. Aber das ist unsere Zukunft und unsere wichtigste Möglichkeit der Positionierung.“

 

Persönlich wurde der Chefredakteur, als er erzählte: „Ich hatte lange den Traum, Kriegsreporter zu werden. Am Ende hatte ich zu viel Angst.“

 

Zum Wandel des Berufsbilds sagte er: „Nur Geschichten aufzuschreiben wird in Zukunft nicht mehr funktionieren. Wir gehen in eine Zeit, in der jeder wie ein investigativer Journalist arbeiten wird. Investigative Teams wie bisher werden wir dann nicht mehr brauchen. Eine tolle Zeit, um Journalist zu werden.“

 

In seiner Laudatio auf die beiden Hauptpreisträger würdigte Matthes die journalistische Leistung von Sönke Iversen und Volker Votsmeier, deren Serie „Inside Cum-Ex“ im „Handelsblatt“ erschienen ist:
„Sönke Iversen und Volker Votsmeier wollten eine große Geschichte schreiben, in der alles über Cum-Ex drinnen steht. Da wird man als Chefredakteur automatisch skeptisch. Ich dachte, es sei bereits alles erzählt. Doch als ich dann den Text zu lesen begann, konnte ich nicht mehr aufhören.“

 

Matthes erinnerte daran, dass das Thema das „Handelsblatt“ seit Jahren begleitet: Insgesamt 567 Texte sind bislang zum Cum-Ex-Komplex erschienen. „Dutzende hat die milliardenschwere Finanzaffäre ins Gefängnis gebracht, die großartige Staatsanwältin hat entnervt das Handtuch geworfen und wichtige Personen im Hamburger Dunstkreis sind erstaunlicherweise noch immer nicht belangt, unter ihnen der Förderer der Elbphilharmonie,“ sagte Matthes in seiner Bilanz.

 

Neben dem ersten Preis für das „Handelsblatt“-Team gingen der zweite Preis (10.000 Euro) an eine Produktion zum Thema Inklusion, der dritte Preis (5.000 Euro) an einen weiteren Preisträger. Außerdem wurde ein HSJP Fellowshipüber 15.000 Euro für ein Rechercheprojekt zur Waffenproduktion vergeben.

 

Sie möchten aktuelle Medien-News, Storys und Praxistipps lesen – und sich über Jobs, Top-Personalien und Journalistenpreise aus Deutschland informieren? Dann abonnieren Sie jetzt unseren kostenlosen Newsletter.

Sie haben Personalien in eigener Sache oder aus Ihrem Medienhaus? Oder ist Ihnen in unseren Texten etwas aufgefallen, zu dem Sie sich mit uns austauschen möchten? Dann senden Sie Ihre Hinweise bitte an georg.taitl@oberauer.com.