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Hannah Suppa: „Aufgaben streichen und Kräfte für das Digitale frei machen“

Hannah Suppa: „Aufgaben streichen und Kräfte für das Digitale frei machen“ Hannah Suppa (Foto: Nora Börding)

Lokaljournalismus müsse sich vor allem inhaltlich, aber auch strukturell verändern, sagt die Chefredakteurin der „Leipziger Volkszeitung“. Das könne den Lesern schon mal weh tun.

Leipzig – Hannah Suppa treibt seit Jahren die Transformation im Lokaljournalismus voran. Die Chefredakteurin der „Leipziger Volkszeitung“ sagt im Interview mit dem „medium magazin“: Redaktionen müssen loslassen lernen, um sich auf ihre Stärken besinnen zu können.

 

… Warum hört man immer wieder die Forderung, der Lokaljournalismus müsse sich neu erfinden oder gar gerettet werden?

Hannah Suppa: Ja, wir müssen uns grundsätzlich verändern – vor allem inhaltlich, aber auch strukturell. Und natürlich ist es so: Das, was jahrzehntelang als klassisches lokaljournalistisches Angebot galt, die gedruckte Tageszeitung, ist seit Jahren im Rückwärtsgang. Aber das heißt ja nicht, dass man den Lokaljournalismus in Gänze infrage stellen muss. Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben im Digitalen mehr Leserinnen und Leser als jemals zuvor und viel mehr Kanäle, auf denen wir diese erreichen können. Deswegen halte ich nicht so viel von Larmoyanz oder Untergangsszenarien. Aber noch einmal: Natürlich gibt es Punkte, an denen wir arbeiten müssen – und das sind insbesondere unsere journalistischen Inhalte. Wir müssen für die Menschen relevanter werden.

 

Aber auch die Digitalisierung bleibt ein drängendes Thema. Wie kann es sein, dass man immer noch von Verantwortlichen liest, die einem den Fokus aufs Digitale als bahnbrechende Revolution verkaufen wollen, die man jetzt endlich angehen müsse?

Liest man das noch? Von mir werden Sie so etwas jedenfalls nicht hören. Wenn man 2023 nicht an dem Punkt ist, dass das Digitale bereits die Basis des eigenen Tuns ist, dann ist es vielleicht auch einfach ein bisschen spät. Es sollte doch längst Konsens sein, dass wir als regionale Medienhäuser alles darauf ausrichten, gute und umfangreiche digitale Produkte  anzubieten. Für uns bei der „Leipziger Volkszeitung“ gilt jedenfalls: Die digitale Transformation haben wir schon lange vorangetrieben. Das tun wir auch weiterhin. Für uns heißt das: Die digitale Transformation ist unsere Basis – und nun arbeiten wir vor allem an der Transformation unserer journalistischen Inhalte.

 

Würden Sie die Situation bei der „Leipziger Volkszeitung“ (LVZ) denn als repräsentativ für die Branche bezeichnen?

Die Herausforderungen sind überall ähnlich bei klassischen Regionalzeitungen: Wir müssen beide Welten – Digital und Print – bedienen, wir arbeiten quasi hybrid. Wir müssen das eine ausbauen, das andere aber nicht ganz vernachlässigen. Eine klassische Regionalzeitung produziert heute sowohl eine Zeitung als auch ein umfangreiches digitales Angebot. Das sind Produkte, die sehr unterschiedlich sind – etwa mit Blick auf Inhalte, Ansprache oder Geschwindigkeit. Es ist eine große Herausforderung, diese Zweigleisigkeit aus einer Redaktion heraus zu organisieren, die jahrelang nur auf ein Printprodukt fokussiert war. Das ist allerdings weniger eine technische Frage als eine der Organisation und des Redaktionsmanagements. Ich bin sehr froh, dass wir in der Madsack Mediengruppe mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) einen starken Verbund haben, so dass wir uns arbeitsteilig um die vielen Themen kümmern können. Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise mit RND OnePlatform für die LVZ und unsere weiteren Regionalzeitungen ein tolles neues Digitalprodukt auf den Markt gebracht. Das wäre für einen Titel alleine nur schwer zu stemmen.

 

Für viele Menschen in Redaktionen verstecken sich hinter diesem „Hybridmodell“ vor allem Arbeitsverdichtung und mehr Stress. Wäre es nicht mal angebracht, auch in journalistische Ressourcen zu investieren?

Wir haben bei der LVZ in den vergangenen zwei Jahren wieder in Journalismus investiert und Reporter neu eingestellt: Und beispielsweise ein Investigativteam und Landespolitik-Team aufgebaut sowie die Bereiche Audio/Video und Social Media gestärkt. Unsere Investigativreporterin Denise Peikert, die seit 2021 bei uns ist, ist vom „medium magazin“ ja auch gerade zur Lokaljournalistin des Jahres gewählt worden.

Aber die zentrale Frage ist nicht nur: Brauchen wir mehr Leute? Sondern: Müssen  wir wirklich alles machen? Können wir nicht auch einfach mal Dinge streichen? Was ist eigentlich der Kern unserer Arbeit? Wir haben anhand dieser Fragen bei der LVZ extrem aufgeräumt. Das können Kleinigkeiten sein – etwa eine tägliche Zitate-Rubrik in der gedruckten Zeitung. Die kostet eine Redakteurin vielleicht nur zehn Minuten am Tag, bringt aber nichts für das digitale Produkt. Wenn man von diesen Aufgaben mehrere findet und streicht, können Kräfte für das Digitale frei werden. Das tut vielleicht manchmal weh, weil man Dinge loslassen muss, die für ein älteres Publikum zur Zeitung dazugehören: Gottesdiensttermine, solche Dinge. Aber was wir nicht auch im Digitalen brauchen, lassen wir meistens sein. Denn es ist ja klar, dass wir unseren Leuten nicht einfach immer mehr Arbeit aufladen wollen. Sonst verliert man irgendwann die Akzeptanz seines Teams.

 

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