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Henning Eichler: „Komplexe Inhalte funktionieren auf Facebook nicht“

Henning Eichler: „Komplexe Inhalte funktionieren auf Facebook nicht“ Henning Eichler (Foto: Bernd Roselieb)

Gehört ein für Social Media optimierter Journalismus zum öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrag? 3 Antworten über den Journalismus der Rundfunkanstalten auf Tiktok & Co von Hörfunkredakteur Eichler.

Berlin – Gehen öffentlich-rechtlicher Auftrag und Plattformlogik zusammen? Henning Eichler hat in einer Studie den Journalismus der Rundfunkanstalten auf Tiktok und Co. untersucht. Er warnt im Interview mit Wolfgang Scheidt für das „medium magazin“ davor, Inhalte im Sinne der Algorithmen künstlich aufzublasen.

 

Hart geschnittene Reportagen und auf Reichweite zielende Inhalte: Gehört ein für Social Media optimierter Journalismus zum öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrag?

Henning Eichler: Auch öffentlich-rechtlicher Journalismus in und für soziale Netzwerke wird durch den Rundfunkbeitrag mitfinanziert und gehört zum Programmauftrag. Unabhängig davon, ob bestimmte Online-Inhalte ausschließlich für soziale Netzwerke entstehen. Was journalistisch typisch für die Umsetzung für soziale Netzwerke ist, hängt von der jeweiligen Plattform ab. Nur wenn Inhalte plattformgerecht umgesetzt sind, werden sie von den Nutzerinnen und Nutzern angesehen. Für  Youtube macht es Sinn, längere Dokus oder Reportagen von 15 bis 20 Minuten Länge zu produzieren. Auf Tiktok sollten Inhalte nicht länger als 15 bis 30 Sekunden sein, eine kurze Story oder Botschaft lässt sich dennoch vermitteln. Bei Facebook sind längere Videos von zwei bis drei Minuten Standard, während es bei Instagram diverse Formate für Instagram Story oder Instagram Reels gibt. Das heißt: Die Akzeptanz von Inhalten hängt sowohl von den Nutzungsgewohnheiten auf der Plattform ab als auch von den neuen Tools oder Formaten, die sich Plattformen ausdenken.

 

 

Stehen plattformgetriebene Inhalte in einem Widerspruch zu journalistischen Werten?

Absolut, beides sind Gegenpole. Das Geschäftsmodell von kommerziellen Plattformen oder sozialen Netzwerken besteht darin, Inhalte allen Nutzerinnen und Nutzern kostenfrei zur Verfügung zu stellen und innerhalb der eigenen Infrastruktur zu verbreiten. Im Gegenzug werden Nutzerdaten eingesammelt, die als personalisierte Werbung oder als ganze Datensätze an Unternehmen verkauft werden. Als Gatekeeper dienen Algorithmen, die bestimmte Merkmale priorisieren, um möglichst attraktive Inhalte in Umlauf zu bringen. Obwohl die sozialen Netzwerke gar nicht dafür gedacht waren, finden dort Prozesse der  Meinungs- und Willensbildung statt. Der Grundkonflikt lautet nun: Ein journalistischer Inhalt, der sorgfältig recherchiert ist, die Meinungsvielfalt abbildet, ausgewogen analytisch und hintergründig berichtet, trifft auf die klickbasierten Kriterien von Algorithmen, mit denen soziale Netzwerke arbeiten und klassisch journalistische Merkmale nachteilig behandeln. In diesem Dilemma stecken Journalistinnen und Journalisten, die Inhalte für soziale Netzwerke aufbereiten: In der täglichen, redaktionellen Arbeit gilt es, diese Inhalte so zu gestalten, dass sie Menschen erreichen und gleichzeitig gute, journalistische Qualität bieten … 

 

Sollten die Sender auch eigene, digitale Plattformen entwickeln?

Unbedingt. Mit Media- und Audiothek sowie verschiedenen Apps verfügen öffentlich- rechtliche Sender über eine eigene, digitale Infrastruktur. Es ist wichtig, eigene Algorithmen zu bauen und weiterzuentwickeln. Algorithmen sind schließlich per se nichts Böses, sondern Handlungsanweisungen an Rechenmaschinen. Es kommt also darauf an, wie sie designt und eingesetzt werden. Gemeinwohlorientierte Algorithmen könnten Qualitätsinhalte oder bewusst überraschende Inhalte priorisieren, um Menschen auch mit anderen, sperrigen Themen zu konfrontieren. So haben SWR und BR gerade eine GmbH gegründet, um eine gemeinwohlorientierte Software und Algorithmen für digitale Produkte zu entwickeln. Es gilt, beide Aspekte zu forcieren: Sowohl müssen die großen Plattformen reguliert als auch alternative, gemeinwohlorientierte Infrastrukturen aufgebaut werden.

 

Das ganze Interview finden Sie hier.

 

Zur Person: Henning Eichler ist Lehrbeauftragter an den Hochschulen Darmstadt und Rhein-Main und arbeitet als Hörfunkredakteur und Autor beim Hessischen Rundfunk. Er hat 2021 zum Thema „Digitaler Wandel, Crossmedia und journalistische Innovationen in der ARD“ promoviert. In seiner Forschung befasst er sich mit den Herausforderungen des Medienwandels für die öffentlich-rechtlichen Anbieter, insbesondere durch die wachsende Plattform-Ökonomie. Für die Otto Brenner Stiftung hat Eichler im Juni die Studie „Journalismus in sozialen Netzwerken – ARD und ZDF im Bann der Algorithmen?“ veröffentlicht. Dazu untersuchte er 272 Angebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio in elf sozialen Netzwerken. Die Studie kann kostenlos heruntergeladen werden: www.otto-brennerstiftung.de