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Newsroom – Marc Bartl

Journalismus zwischen KI, Klicks und Konkurrenz

Beim Medienkongress „The Future of German Media“ prallten Welten aufeinander: Wie fair ist es, wenn KI die Arbeit von Verlagen „zusammenfasst“? Und was bedeutet das für die Zukunft des Lokaljournalismus?

Hannover – T-Online-Chefredakteur Florian Harms sagte in einer Diskussionsrunde beim von Madsack initiierten Kongress „The Future of German Media“, sein Medium wolle auch den Menschen, die sich keine kostenpflichtigen Inhalte leisten können oder wollen, „kostenlos qualitativ wertvolle Informationen zur Verfügung stellen“. Dafür setze die Redaktion auch Künstliche Intelligenz ein. Wenn sein Team Paywall-Inhalte anderer Medien aufgreife, lege er Wert darauf, sich ausschließlich auf den Kern der Nachricht zu konzentrieren und fair zu zitieren, so Harms.

 

Zuvor hatte Funke-Verlegerin Julia Becker T-Online dafür kritisiert, dass die Redaktion auch hinter Bezahlschranken veröffentlichte Inhalte anderer Medien aufgreife.

 

„Was hier fast wohltätig klingt, offenbart bei näherem Hinsehen eine bedenkliche Haltung: Verlage finanzieren aufwendige Recherchen – oft über Tage hinweg. Diese Arbeit wird anschließend von Dritten per KI in wenigen Minuten synthetisch umformuliert, unter neuem ‚Urheber‘ verbreitet und für eigene Reichweite genutzt. Die Quelle wird vielleicht genannt, aber die Bezahlstruktur, die unabhängigen Journalismus trägt, wird unterlaufen“, kritisiert Matthias Ditzen-Blanke, Verleger und Herausgeber der „Nordsee-Zeitung“, in einem Beitrag auf LinkedIn.

 

Das Vorgehen von T-Online entziehe Verlagen aus Ditzen-Blankes Sicht die finanzielle Grundlage: „Es ist nichts anderes als geistiger Diebstahl im digitalen Gewand – flankiert von Narrativen über gesellschaftlichen Nutzen.“ T-Online agiere hier in einer Linie mit Plattformen wie Google und Meta, die sich gerne als Förderer des Gemeinwohls inszenierten – dabei aber in erster Linie eigene Geschäftsinteressen verfolgten, so Ditzen-Blanke weiter. „Unabhängiger Journalismus braucht mehr als Applaus für gute Inhalte. Er braucht Respekt, Schutz – und faire wirtschaftliche Rahmenbedingungen“, schließt der Medienprofi seinen Beitrag.

 

Hintergrund

Beim Kongress „The Future of German Media“ in Hannover diskutierten führende Köpfe der Branche über „Erfolgsfaktoren“ für die Zukunft des Journalismus – eingeladen hatte das Medienhaus Madsack. Über 500 Gäste nahmen teil, auch Konkurrenten des Zeitungsriesen waren anwesend. Im Auftakt-Panel trafen Madsack-Chef Thomas Düffert, Kai Röhrbein (Verleger in Walsrode und Vorsitzender des Lokalzeitungsverbands VDL), ARD-Intendant Florian Hager, Funke-Verlegerin Julia Becker und T-Online-Chef Florian Harms aufeinander.

 

In einem Punkt herrschte weitgehende Einigkeit: Kooperationen werden wichtiger, und die Konsolidierung auf dem Zeitungsmarkt wird sich fortsetzen. Dennoch zeigte sich Düffert überzeugt, dass Journalismus die digitale Transformation überstehen wird: „Wenn wir nicht mehr da sind, hat eine KI nichts mehr, was sie zusammenfassen kann.“ Künstliche Intelligenz könne keine eigene Recherche betreiben oder langfristig an einem Thema dranbleiben. Aktuell sehe er in KI mehr Chancen als Risiken – auch wenn sich das in den nächsten fünf Jahren ändern könne.

 

Funke-Verlegerin Becker widersprach und warnte vor den neuen KI-Zusammenfassungen in Googles Suchergebnissen: Diese gefährdeten die Sichtbarkeit ihrer Angebote – und damit das Geschäftsmodell. Auch Social Media kritisierte sie scharf: „Diese Plattformen sind das Werkzeug derer, die unsere Demokratie zerstören wollen.“

 

T-Online-Chef Harms wiederum sah die eigentliche Bedrohung für die Medienbranche jenseits des Atlantiks. Er forderte, große Plattformen wie Medienhäuser zu behandeln – inklusive redaktioneller Verantwortung. Medienmarken, die überleben wollten, müssten laut Harms „eine Rolle im Leben der Menschen spielen“. Dafür brauche es starken Journalismus. Er appellierte an Verlage, gute Journalistinnen und Journalisten einzustellen – und gut zu bezahlen.

Anders als Madsack und Funke setzt T-Online konsequent auf Reichweite und Werbefinanzierung statt auf Bezahlmodelle.

 

Ein weiteres Thema der Veranstaltung war der anhaltende Streit zwischen Verlegern und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR). Madsack-Chef Düffert äußerte sich zuversichtlich, dass dieser Konflikt bald keine Rolle mehr spielen werde. Julia Becker hingegen warf dem ÖRR vor, durch seine Marktmacht das Sterben privater Verlage mitzuverantworten: „Der ÖRR kann sich auf das Ausgeben von Geld konzentrieren“, so Becker. ARD-Intendant Hager entgegnete: „Wir haben es leichter, weil wir kein Geld verdienen müssen“, wies jedoch die Verantwortung für das Zeitungssterben von sich. Er betonte die Bedeutung von Kooperationen – es gebe bei der ARD bereits viele positive Beispiele.

 

In seiner Keynote formulierte Madsack-CEO Thomas Düffert eine klare Zukunftsperspektive: „Das Ende von Print kann auch eine gute Nachricht sein.“ Er nannte sogar ein konkretes Datum: „Vielleicht haben wir 2033 die Zwänge der Printproduktion hinter uns.“ Entscheidend für die digitale Zukunft sei es, „den Kern des Journalismus auf die Straße zu kriegen“. Vertrauen und Relevanz seien dabei das Fundament. Sein Fazit: „Ohne beides haben wir kein tragfähiges Geschäftsmodell.“ Für Regionalverlage sieht er das Abo-Modell als zentralen Weg in die Zukunft.