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Karikaturist Walter Hanel wird 80 - "Aussterbende Zunft"

"Ich war der Zeichner der Bonner Republik", sagt Hanel über sich selbst.

Köln (dpa) - "Ich war der Zeichner der Bonner Republik", sagt Walter Hanel über sich selbst. Sein teigiges Kohl-Konterfei zum Beispiel dürfte vielen präsenter sein als das wirkliche, mittlerweile brillenlose Gesicht des gealterten Ex-Kanzlers. Auch Hanels Hängebacken-Genscher hat dessen öffentliches Bild mitgeprägt. Am Dienstag (14. September) wird der Karikaturist 80 Jahre alt.

Mit der neuen Berliner Republik kann er nicht mehr so viel anfangen. Überhaupt: Die Zeit der Karikaturisten scheint vorbei zu sein - es gibt immer weniger Karikaturen. "Mit dem "Spiegel" fing das an", meint Hanel. "Es ist eine aussterbende Zunft." Die Zeitungen haben immer weniger Geld, aber vor allem, so meint er, sind die Leute unpolitischer geworden. "Es gibt ein politisches Desinteresse, was mit Wählerverdrossenheit einhergeht. Die Politik ist natürlich auch nicht mehr so interessant wie früher."

Wehner, Strauß und Brandt - das waren Typen. Und heute? "Nennen Sie mir doch mal einen CDU-Politiker außer der Dame, den man zeichnen könnte?" Vor Christian Wulff hat Hanel regelrecht Angst, denn der, so klagt er, hat ein Gesicht ohne Wiedererkennungswert, ohne Ecken und Kanten. Und damit sei er leider typisch für die heutige Politikergeneration. Ein schweres Los für Karikaturisten.

Hanel wurde 1930 in Böhmen geboren, erlebte als 14 Jahre alter Flüchtling die Bombardierung von Dresden mit und kam im Februar 1949 mutterseelenallein ins Rheinland. "Ich wollte nach Düsseldorf, aber der Zug fuhr nur bis Köln, deshalb bin ich hier." Er stieg am Hauptbahnhof in eine Straßenbahn und fuhr durch die Trümmerlandschaft, die sich Köln nannte. "Das Seltsame war: In der Straßenbahn liefen lauter Leute rum mit Pappnasen! Für einen Böhmen wie mich war das unheimlich. Aber diese Leute kamen auf mich zu und fragten: "Wo küsste her?" (Wo kommst du her?)" Am nächsten Tag hatte er eine Wohnung und einen Arbeitsplatz als Lackierer.

An der Volkshochschule hat er später das Zeichnen gelernt, seine ersten Karikaturen veröffentlichte der "Simplicissimus". Jahrzehntelang arbeitete er für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und den "Kölner Stadt-Anzeiger". Er ist im doppelten Sinne ein Meister der Grautöne. Seine Zeichnungen sind vielleicht weniger witzig, dafür aber hintergründiger und düsterer als die des zweiten großen Karikaturisten Horst Haitzinger. "Wenn wir länger hinschauen, wissen wir allmählich, was wir von uns zu halten haben", hat Hanns Dieter Hüsch einmal über Hanels Zeichnungen gesagt.

"Eine gute Karikatur muss leicht zu verstehen sein", sagt Hanel. Am Besten sogar ohne Text - das sind die, die sich einprägen. Leider werden die Dinge immer komplexer. "Früher hatten wir Bonn, das war ein Dorf mit einer festen Besetzung." Aber wie und anhand welcher Personen soll man den Lesern zum Beispiel die Europäische Union nahebringen?

Seinen 80. Geburtstag feiert Hanel nicht. Er fühlt sich lädiert. Nein, eine rheinische Frohnatur ist auch in 60 Jahren nicht aus ihm geworden. Eher ist er ein böhmischer Schwejk, dem der leise Witz genauso eigen ist wie die Melancholie.