Vermischtes
Newsroom – Rupert Sommer

Kilz über Döpfner: „Das ist unverschämt“

Kilz über Döpfner: „Das ist unverschämt“ Hans Werner Kilz

Der ehemalige Chefredakteur von „Spiegel“ und „Süddeutscher Zeitung“, Hans Werner Kilz, blickt kritisch auf die Branche – auf Mathias Döpfner und den „Tagesspiegel“.

Berlin – Der ehemalige Chefredakteur von „Spiegel“ und „Süddeutscher Zeitung“, Hans Werner Kilz, blickt im aktuellen „kress pro“-Interview kritisch auf die Branche – auf Springer-CEO Mathias Döpfner als Verlegerpräsident und das Aus von Kolumnist Harald Martenstein beim „Tagesspiegel“.

 

Wie geht man mit dem Druck um, wenn es darum geht, als Chefredakteur eine Haltung zu zeigen, nicht nur nach außen gegenüber den Lesern, sondern möglicherweise auch gegenüber den Gesellschaftern oder dem eigenen Verleger?

Hans Werner Kilz: Da war ich als Chefredakteur sowohl beim „Spiegel“ wie auch bei der „Süddeutschen“ verwöhnt. Eingriffe, um Geschichten zu verhindern, gab es so gut wie gar nicht, Einwände schon. Und das ist legitim. Aber dass ein Verleger oder ein Geschäftsführer anruft, um zu fragen, wie wir das Ereignis redaktionell aufbereiten, das kenne ich nicht. Steigende Auflagen machen Verleger glücklich und stumm. Wenn alles gut läuft, bleibt der Spielraum der redaktionell Verantwortlichen groß. Unterschiedliche Auffassung gibt es innerhalb der Redaktion täglich. Meinungsvielfalt ist ein belebendes Element, vor allem auf Kommentar-Seiten. Leitartikel dürfen quälen, nur nicht langweilen. Das sind Ansprüche, die auch Verleger verstehen.

 

Beim Thema Verleger muss man natürlich auf Mathias Döpfner zu sprechen kommen. Sind die Bestrebungen, nicht nur von Funke, den Springer-CEO als Verlegerpräsident zu entmachten, eigentlich nur ein Schaukampf der Medienhäuser? Oder wie sehr geht es da auch für Sie um die Substanz?

Ich habe am Anfang gedacht: Warum denn Döpfner? Die regionalen Zeitungsverleger hatten noch nie die gleichen Interessen wie das Haus Springer. Allerdings war die Wahl Döpfners dann schon nachvollziehbar. Er spielt in der ersten Liga, streitet mit Google, Amazon und Facebook, auch zum eigenen Vorteil. Die Verleger hatten sich von ihm erhofft, dass er in Sachen Urheber- und Leistungsschutzrecht auch ihre Interessen wahrt. Wenn Geld zu holen ist, sind sie sich alle einig. Dass er dann aber so Sätze sagt wie den berühmt-berüchtigten, dass Julian Reichelt angeblich der einzige Journalist in Deutschland sei, der noch mutig gegen den neuen DDR-Obrigkeitsstaat angeht. Alle anderen seien zu Propaganda-Assistenten geworden. Das ist unverschämt, stimmt nicht, schmäht alle Hauptstadt-Journalisten, die sich in Berlin täglich mit der politischen Berichterstattung befassen.

 

Döpfner hat immer betont, dass die vielzitierten Bemerkungen rein privater Natur waren, angeblich ironisch gemeint waren und so nicht zu zitieren wären.

Es war vielleicht eine Indiskretion, seine Mail zu verbreiten. Aber damit war seine Meinung in der Welt. Ein Profi wie Döpfner kann diesen larmoyanten Einwurf nicht ernsthaft für sich beanspruchen. Döpfner kommt aus dem Journalismus, und das ist auch bei all seinen verlegerischen Ambitionen immer wieder spürbar. Er schlüpft als Vorstandsvorsitzender gerne in die Rolle des Journalisten, gibt Richtungen vor. Alles statthaft. Problematischer finde ich, wenn er als CEO den "Bild"-Chefredakteur und Freund Julian Reichelt interviewt, sich in Duzform mit ihm unterhält und dessen Umgang mit Frauen in der Redaktion unter dem Motto "Wer Erfolg hat, hat auch Neider" verharmlost. Mit dem Einstieg der Beteiligungsfirma KKR bei Springer und nach den Veröffentlichungen in amerikanischen Zeitungen hat er dann im Fall Reichelt handeln müssen. Ob er noch der richtige Repräsentant für den BDZV ist, müssen die Verleger selbst entscheiden. Aber ich finde nicht, dass die regionalen Zeitungsverleger seinen dezidierten Abschied vom Printjournalismus auch noch mit der Präsidentschaft hätten belohnen müssen.

 

[...]

 

Gute Abschiede und Rückzüge mit erhobenem Haupt sind ja eine Kunst. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn ein so prominenter Kollege wie Harald Martenstein wegen seiner Kolumne seinen Weg beim "Tagesspiegel" beenden muss und die Reaktion von Chefredakteur Lorenz Maroldt zumindest Fragen aufwirft?

Harald Martenstein kenne ich schon lange. Er hat einst bei der gleichen Zeitung gearbeitet wie ich - bei der "Mainzer Allgemeinen". Als die zuletzt ihren 75. Geburtstag feierte, durften wir beide eine Kolumne schreiben. Was sein Aus beim "Tagesspiegel" angeht, kenne ich die Interna nicht. Aber ich bin überzeugt: Es war keine Entscheidung, die mit Fingerspitzengefühl getroffen wurde. Ich hätte einen Mann, der so lange so viel zum Renommee der Zeitung beigetragen und den essayistischen Journalismus bereichert hat, nicht auf diese Weise verabschiedet.

 

Allerdings?

Historische Vergleiche der Art, wie Martenstein sie in seinem Text zieht, sind immer problematisch. Es kann rund um das Thema Juden, Holocaust und unsere historische Schuld eigentlich keine Nuancen und Differenzierungen geben. Dass die Verantwortlichen in der Redaktion manchmal die Nerven verlieren und nicht mehr gerade durchblicken und nicht mehr gegenhalten, ist auch der "Süddeutschen" zuletzt ein paar Mal passiert. Da muss man nur an die Debatte um Igor Levit oder Karikaturen von Dieter Hanitzsch denken.

 

  • Warum Hans Werner Kilz davon überzeugt ist, dass Zeitungen in Krisenzeitungen besser werden.
  • Was er von Paul Ronzheimers Ukraine-Berichterstattung für die Bild hält.
  • Wie er kritisiert, dass in vielen Redaktionen heute das Marketing die Führung übernimmt.
  • Wie er als Aufsichtsrat von DuMont den Ausverkauf der Zeitungen miterlebt hat.
  • Und ob er noch mal Journalist werden würde.

Zum kompletten Interview mit Hans Werner Kilz jetzt in „kress pro“