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Laxer Umgang mit Atomkraft gehört bei den "Simpsons" zum Programm

Medienwissenschaftler: Kalkulierter Tabubruch nicht mehr lustig - ProSieben hält an Ausstrahlung fest.

Berlin (dapd). Montgomery Burns versteckt Fässer mit radioaktiven Müll auf einem Spielplatz. Aus seinem Kernkraftwerk in Springfield fließt das Kühlwasser in einen Teich, aus dem ein dreiäugiger Fisch glotzt. Dass die Sicherheitsbestimmungen nicht so ernst genommen werden, hat seinen Grund: Verantwortlich dafür ist der in diesen Dingen völlig unqualifizierte Homer Simpson. Seit Jahren gehört die Kultserie "Die Simpsons" für viele Menschen zum festen Bestandteil des Fernsehabends.

Anstoß an der grotesk-makaberen Überzeichnung im Umgang mit der Atomkraft nahm bislang niemand - außer die US-Atomindustrie. Doch mit der Katastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima erscheint die Serie plötzlich in einem anderen Licht.

"Wenn man jetzt eine Folge sieht, in dem der laxe Umgang mit den Sicherheitsbestimmungen im Atomkraftwerk gezeigt wird, bleibt einem angesichts der Katastrophe in Japan sicherlich das Lachen im Hals stecken", sagt der Medienwissenschaftler Steffen Damm von der Freien Universität Berlin am Freitag in einem dapd-Gespräch. "Wenn es ernst wird und ein solches Ereignis wie ein GAU eintritt, sind auch die überzeichnete Darstellung und der kalkulierte Tabubruch nicht mehr lustig."

Der Vorsitzende des Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung, Uwe Hasebrink, sagt, Zuschauer sähen in fiktionalen Filmen nur so lange gerne Unglücke oder Katastrophen, wie sie sich sicher fühlten und die Situation nicht zu nahe an ihrer Realität sei. "Wenn wir gerade selbst erlebt haben, wie ein Bekannter Selbstmord verübte, indem er sich vor eine S-Bahn warf, haben wir kein Vergnügen an einem Tatort, in dem gerade das das Thema ist." Das könne auch auf eine kollektive Ebene gehoben werden. Von dem Reaktorunglück fühlten sich nun viele Menschen betroffen, da es die lange vorhandenen latenten Befürchtungen bestätige.

Zwtl: Realität überholt Fiktion

Auch für Formate wie "Die Simpsons" könnte es ein Vor und ein Nach Fukushima geben, sagt Hasebrink. "Wenn die Produzenten klug sind, bauen sie die neu gewonnenen Erfahrungen mit ein und entwickeln das in den neuen Folgen weiter", sagt der Kommunikationswissenschaftler. Ähnlich hätten sie ja bereits auch in der Vergangenheit agiert - was gerade ein Grund für den langanhaltenden Erfolg der Serie sei. "Die Simpsons" hätten es verstanden, Themen, die die Menschen beschäftigen, spielerisch, sarkastisch, zynisch und humorvoll auf den Punkt zu bringen. Mit der Zeit würden aber viele zu ihrem Zeitpunkt erfolgreiche Formate von der Realität eingeholt - und müssten aktualisiert werden, um erfolgreich zu bleiben.

Es sei davon auszugehen, dass auch andere Fernsehformate auf die Katastrophe reagieren, sagt Hasebrink. "Wir können uns auf die Sensibilität der kreativen Industrie verlassen, dass sie die neuen Erfahrungen mit einarbeitet." Einige Produzenten, die gerade ein paar Folgen auf Lager hätten, könnten allerdings "jetzt denken, ihre Produktionen seien wegen der aktuellen Ereignisse verbrannt".

Zwtl: "Simpsons" laufen wie gewohnt weiter

Auf "Die Simpsons" müssen die Fans aber jedenfalls wegen der Katastrophen in Japan nicht verzichten. ProSieben will die Serie wie gewohnt weiter zeigen. Das Atomkraftwerk spiele in den kommenden Folgen auch keine große Rolle, sagt eine Sprecherin von ProSiebenSat.1. Daher stelle sich auch die Frage nicht, eine Folge aus dem Programm zu nehmen. Änderungen seien auch nicht im Vorspann geplant: In ihm schmeißt Homer einen strahlenden Brennstab durch die Gegend und trifft seinen Sohn Bart.