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Medien bestellen Stichwörter bei Gefälligkeitswissenschaftlern

Medien bestellen Stichwörter bei Gefälligkeitswissenschaftlern Bolz: Journalisten und Wissenschafter sind ähnlich sozialisiert. Foto: TU Berlin Ulrich Dahl

Der Berliner Medienexperte Norbert Bolz kritisiert, dass es in der Diskussion der meisten politischen Themen mittlerweile kaum noch einen Unterschied zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Medien gibt.

Berlin – Der Berliner Medienwissenschaftler Norbert Bolz beklagt die zunehmende Gleichförmigkeit der Medien in Deutschland. Die Pluralität gehe verloren, Politiker und Wissenschaftler würden zunehmend nur noch zu Stichwortgebern und lieferten die Meinungen, die die Redaktionen fordern. „Die extreme Konformität in den Redaktionen der meisten Medien kann ich mir nur noch mit der sehr ähnlichen Sozialisation der Journalisten dort erklären“, sagt Bolz im Gespräch mit der morgen, Dienstag, erscheinenden Zeitschrift „Tichys Einblick“. „Es gibt mittlerweile kaum noch einen Unterschied zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Medien in der Diskussion der meisten politischen Themen. In einer Zeit, in der schon die Parteien mehr oder weniger an einem Strang ziehen – von der AfD einmal abgesehen –, ist diese Konformität fatal.“

 

Inzwischen sieht Bolz diesen Trend auch in der Wissenschaft. „Es gibt viele Vertreter der Soziologie, der Politikwissenschaften, der Psychologie, mittlerweile auch der Rechtswissenschaften, die liebend gern als Stichwortgeber in medialen Debatten auftreten. Es findet dafür ein regelrechtes Casting statt: Die besten Chancen, dort zu Wort zu kommen, haben diejenigen, die genau das liefern, was zu bestimmten Themen jeweils von den Redaktionen erwartet wird“, so Bolz. „Dass immer mehr dieser Gefälligkeitswissenschaftler auftreten, ist mittlerweile ein sehr tiefes Problem des akademischen Betriebs.“

 

Dabei sieht Bolz, der bis 2018 an der TU Berlin lehrte, auch in Zukunft keine Besserung. „Ich bin nicht besonders optimistisch, dass eine künftige Generation von Geistes- und Sozialwissenschaftlern die Fesseln des Paternalismus und Konformismus sprengen wird. Die Leute müssen Karriere machen, und der Staat kontrolliert sie immer schärfer. Gefälligkeitswissenschaftler sind die Folge.“