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KNA

Medienkritikerin verliert Auszeichnung nach Antisemitismusvorwürfen

Für ihre medienkritischen Videos hat Judith Scheytt im Januar den Donnepp Media Award erhalten. Nun zieht der verantwortliche Verein die Ehrung wegen Antisemitismusvorwürfen zurück – gegen den Willen von Jurymitgliedern.

Marl (KNA) – Der Verein der Freunde des Grimmepreises zieht aufgrund von angeblichem Antisemitismus eine Auszeichnung für die Medienkritikerin Judith Scheytt zurück. Das gab Scheytt in einem Instagram-Video bekannt. Der Verein bestätigte die Aberkennung des Preises auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).


Im Januar war Scheytt mit dem Donnepp Media Award bedacht worden. Der Verein der Freunde des Grimmepreises zeichnet damit seit 1991 Personen für ihre Medienpublizistik aus. Die Jury lobte die damals 17-Jährige für ihren Kenntnisreichtum und ihre analytische Brillanz: Sie nehme sich konzentriert und unterhaltsam die gröbsten Verstöße gegen journalistische Professionalität und Integrität vor; sie dekonstruiere Doppelstandards, Framings, Floskeln und Falschinformationen bis ins kleinste Detail, so die Preisbegründung.


Scheytt befasst sich auf ihrem Instagram-Kanal schwerpunktmäßig mit dem Krieg im Gazastreifen. Sie setzt sich kritisch mit dem israelischen Vorgehen auseinander. Der Verein der Freunde des Grimmepreises sagte auf Anfrage, man habe Scheytt den Preis aberkannt, weil ihre Videos eine „systematische Verzerrung und selektive Kontextualisierung des israelisch-palästinensischen Konflikts aufweisen“.


Streit über Medienkritik
Eine Analyse, die der Verein erstellt und die Scheytt auf ihrem Instagram-Account veröffentlicht hat, soll diese Einseitigkeiten belegen: die asymmetrische Bewertung von Gewaltakten, die euphemistische Bezeichnung der Hamas als „Kämpfer“, die völlige Ausblendung der Hamas-Vernichtungsrhetorik und pauschale Kriegsverbrechensvorwürfe gegen Israel. Ein Video, in dem Scheytt ihre Solidarität mit den israelischen Geiseln bekundet, widerspreche zwar klassischem Antisemitismus, soll aber im Kontext der Auslassungen als „Humanisierungsstrategie“ fungieren können.


Vor der Preisverleihung habe „zumindest im weitesten Sinne Medienkritik im Vordergrund“ gestanden, so der Verein weiter. Mittlerweile seien die Inhalte zu ungefilterten aktivistischen Beiträgen geworden, die „den Satzungsanforderungen des Awards widersprechen und eine Auszeichnung unmöglich machen“.
Auf Anfrage erwiderte Scheytt, an ihren Beiträgen seit der Preisverleihung könne man sehen, dass sich ihre Arbeitsweise nicht verändert habe. In nahezu allen Beiträgen, die sie zwischen der Preisverleihung und dem ersten Brief des Vereins zur Aberkennung veröffentlicht habe, gehe es um Medienkritik. Das sei öffentlich und transparent einsehbar.


Uneinigkeit in der Jury
Scheytt wehrte sich in ihrem Instagram-Statement gegen den Vorwurf des Antisemitismus. Ihr sei vorgeworfen worden, dass sie in ihren Videos kein explizites Verständnis für die israelische Reaktion auf den 7. Oktober zeige, was Scheytts Ansicht nach aber nicht die Aufgabe von Medienkritik ist, die sich mit der Berichterstattung, der Quellen- und Begriffsauswahl zum Thema Nahost-Krieg auseinandersetze.
Die Analyse, mit der der Verein die Aberkennung des Preises begründet, basiere teilweise auf unbelegten Daten des israelischen Militärs, liefere nicht genügend Quellenangaben, beinhalte Fehler und zitiere sie teilweise in einem falschen Zusammenhang, so Scheytt in ihrem Video. Die Analyse reproduziere genau die journalistischen Mängel, die sie in ihren Videos kritisiere und für die der Verein sie ursprünglich ausgezeichnet habe.


Die Aberkennung des Preises geht auf den Verein und nicht auf die Jury zurück, die zur Hälfte aus Vorstandsmitgliedern des Vereins besteht. Nicht alle Jurymitglieder seien mit der Aberkennung einverstanden, sagte ein Mitglied der KNA. Die Prüfung des Preises erfolgte dem Verein zufolge aufgrund einer externen Beschwerde.


Das Grimme-Institut betonte auf KNA-Anfrage, der Donnepp Media Award sei kein Preis des Grimme-Instituts und werde unabhängig vergeben, auch wenn die Preisverleihung immer wieder in den Räumlichkeiten des Hauses stattgefunden habe. Fragen bezüglich der Aberkennung könne man daher nicht beantworten.