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„Nackt und zerhackt – läuft immer, liest jeder“

„Nackt und zerhackt – läuft immer, liest jeder“, beschrieb Sascha Langenbach, ehemaliger Chefreporter des Berliner Kurier, das Motto des Boulevard-Journalismus, das ihm einst ein älterer Kollege mit auf den Weg gab. Von Uwe Sievers.

Berlin - Für die zunehmende Boulevardisierung der Medien werden die Arbeitsbedingungen im Journalismus mitverantwortlich gemacht. „Junge Journalisten werden auf das Schäbigste ausgenutzt“, kritisierte Sascha Langenbach.

Langenbach sprach am Wochenende beim ver.di-Journalistentag, bei dem über 200 Journalisten aus ganz Deutschland in Berlin die Frage „Wie breit machen wir den Boulevard – lokal, regional, international, trivial?“ diskutierten.

 


Der Boulevard stand am Samstag im Mittelpunkt beim DJU-Journalistentag in Berlin. Foto. Jan-Timo Schaube/DJU

 

 

Probearbeiten und Praktika ohne Bezahlung gehörten zum Alltag, so Sascha Langenbach.

Der harte Konkurrenzkampf im Journalismus führe dazu, dass viele „kein Gut und Böse mehr kennen“ und mit den Methoden der Regenbogenpresse arbeiteten. „Ohne gute Bezahlung wird diese ganze Branche korrumpierbar“, warnte Sascha Langenbach.

„Mir fällt es immer schwer, bei der Regenbogenpresse überhaupt von Journalismus zu sprechen“, meinte Moritz Tschermak.

Gemeinsam mit Mats Schönauer betreibt er den Blog topfvollgold.de, mit dem er Verfehlungen der deutschen Regenbogenpresse aufdeckt.

Für diese Publikationen gelten jedoch dieselben Regeln und derselbe Pressekodex, wie für alle anderen Medien auch, betonte DJU-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß im Gespräch mit Tschermak. „Denn das wird als Presse verkauft und nicht als Groschenroman“, so Cornelia Haß weiter.

Die Arbeitsweise der Klatschpresse nahmen zwei Absolventen der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München in einem überzeugenden Film aufs Korn. „Die sehen, was sie an Fotos kriegen können und überlegen dann, welche Geschichte sich daraus machen lässt“, erläuterten Theresa Moebus und Jasper Ruppert. Diese Geschichten würden willkürlich konstruiert, dabei werde gelogen, stellten die beiden fest. Belegt wurde das im Film nicht zuletzt durch ein Interview mit einer Whistleblowerin aus einer Boulevardredaktion.

Das zentrale Prinzip der Skandalblätter sei Personalisierung plus Visualisierung, erklärte Rudolf Schröck, Dozent an der DJS München.

Doch Schröck sah das keineswegs nur negativ: „Man kann die Waffen von Revolverblättern im positiven Sinne nutzen“. Das sei inzwischen auch in den Redaktionen vieler Zeitungen angekommen, wie die großflächigen Fotos auf den Titelseiten von „Zeit“ und „Süddeutsche Zeitung“ offenbarten. Auch die öffentlich-rechtlichen Sender bedienten sich dieser Methoden, um Zuschauer zu erreichen: „Emotionalisierung und Personalisierung machen wir mehr, als früher“, sagte der Chef vom Dienst des „heute-journal“, Luten Leinhos. Aber ist das schon Boulevard, fragte er auch.

Journalismus sei ein öffentliches Gut und nicht nach marktwirtschaftlichen Kriterien handelbar, so Kommunikationsexperte Hans-Jürgen Arlt, der erste Zwischenergebnisse einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung vorstellte, die er gemeinsam mit Wolfgang Storz erarbeitet.

 

Boulevard überall. Foto: Jan-Timo Schaube/DJU

 

Der Boulevard-Journalismus gehe deshalb eine „Ehe von Aufmerksamkeit und Geld auf Kosten des Journalismus“ ein, kritisierte Arlt.

Es handele sich beispielsweise bei der Bild-Zeitung „um eine Form öffentlicher Kommunikation, bei der Reichweite, Auflage, Quote und Klicks im Vordergrund stehen“.

Das Maximum an Aufmerksamkeit und Unterhaltung, um die alle konkurrieren würden, erreichten diese Medien durch „die Skandalisierung von Prominenz“. Bei der Regenbogenpresse dominiere jedoch die Unterhaltung, denn nicht die Mitteilung steht im Mittelpunkt, sondern der Adressat und seine Lebenswelt.

Die Zukunft des Journalismus sei zunehmend mit der Frage nach seiner Finanzierbarkeit verknüpft, hob auch der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke in seinem Eröffnungsstatement hervor. Es müssten Modelle für die Finanzierung von Journalismus in Zeiten der digitalen Transformation gefunden werden. Es ginge aber auch um Macht, so Werneke. Ein gutes Beispiel dafür sei der Versuch der Zeitungsverleger, sich mittels politischer Einflussnahme Ausnahmen  Mindestlohn zu verschaffen. 

„Überqualifiziert und unterbezahlt, das ist der Journalist“, brachte es der Kabarettist Oliver Tissot auf den Punkt.

Zudem empfahl er den Print-Journalisten, sich am Fernsehen zu orientieren: „Das Fernsehen hatte vor 30 Jahren eine hohe Glaubwürdigkeit, weil man dachte, Bildberichte könne man nicht fälschen.“ Wenn diese heute wie in Hollywood produziert aussähen, glaube dem keiner mehr. „Deswegen brauchen wir in den Nachrichten die unscharfen Ruckelbilder aus dem Internet“, meinte er und riet: „Drucken sie mit Kartoffeldruck und es ist glaubwürdig.“

Uwe Sievers

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