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Österreich vor der Wahl: Notizen eines Wiener Innenpolitik-Chefs

Österreich vor der Wahl: Notizen eines Wiener Innenpolitik-Chefs Michael Völker, Leiter Innenpolitik Standard (Foto: Standard)

Standard-Innenpolitikchef Michael Völker über Wahrnehmungen und Erkenntnisse beim Standard in Wien.

 

Wenige Tage vor der Wahl geht es rund. Neue Enthüllungen werden bekannt. In der Nacht auf Dienstag wurde der ehemalige Leibwächter von Heinz-Christian Strache festgenommen. Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden ermitteln auf Hochtouren. Weitere Verhaftungen stehen im Raum. Der Termin so kurz vor der Wahl ist natürlich kein Zufall. Da versuchen diverse Hintermänner noch ihre Materialien zu verwerten, die anstehende Wahl verleiht den Enthüllungen zusätzliches Gewicht. Auch die jeweiligen politischen Gegner spielen mit und versuchen den Konkurrenten auf den letzten Metern noch zu schaden. Und offenbar werden da auch ein paar parteiinterne Rechnungen beglichen.

 
 

 

 

Das macht die Berichterstattung darüber nicht einfacher. Selbst wenn die Motive für die Enthüllungen nicht ehrbar und achtbar sind, ist das kein Grund, nicht darüber zu berichten. Wir versuchen alles so transparent wie möglich darzustellen: Was weiß man über die Absender, über die möglichen Hintermänner, was bleibt Spekulation, welche Unterlagen gibt es, was wird von den Sicherheitsbehörden bestätigt, was mögen die Motive und Zusammenhänge sein? Das letzte Bild müssen Sie sich schließlich selber machen.

 
 

 

 

Exorbitant hohe Spesen

 

Was weiß man über die Causa Strache? In den vergangenen Tagen sind eine Menge Unterlagen aufgetaucht, die unter anderem belegen sollen, dass Strache als Parteichef exorbitant hohe Spesen verursacht hat, die von der FPÖ anstandslos beglichen wurden. Das prüft jetzt die Partei noch einmal, das prüft auch die Staatsanwaltschaft, es wird dem Verdacht der Untreue nachgegangen. Auch andere, noch schwerer wiegende Vorwürfe stehen im Raum, die wir erst prüfen wollen, ehe wir uns entscheiden, ob wir damit an die Öffentlichkeit gehen wollen.

 
 

 

 

Was die jüngste Causa so spannend macht: Hinter den aktuellen Vorwürfen stehen offenbar die gleichen Hintermänner wie hinter der Videofalle auf Ibiza. Und letztlich hat alles seinen Ursprung im unmittelbaren beruflichen Umfeld Straches. Dass sein ehemaliger Leibwächter jetzt festgenommen wurde, ist kein Zufall. Seit 2014 wurde offenbar schon Material gegen Strache gesammelt. Mehrfach wurden Abnehmer dafür gesucht, auch das Bundeskriminalamt wurde kontaktiert und mit Teilen des Materials konfrontiert. Allerdings wollten Zeugen Geld für ihre Aussage, daher kam diese Ermittlung nicht zustande. Der Staat kann Zeugen nicht bezahlen.

 
 

 

 

In die Falle getappt

 

Mit dem Wissen über Strache wurde schließlich die Falle auf Ibiza inszeniert – und die Rechnung ging auf. Strache tappte bereitwillig hinein. Wieder wurde versucht, das Material zu verkaufen, vorerst fand sich kein Abnehmer. Ob letztlich im heurigen Jahr Geld geflossen ist, weiß man nicht. Die Medien, die in den Besitz des Materials gekommen sind, haben dafür nicht gezahlt.

 
 

 

 

So gut es geht, versuchen wir die Hintergründe zu recherchieren und darzustellen. Den Zeitpunkt, wann etwas ausgespielt wird, können wir nicht selbst bestimmen. Wir müssen reagieren, wenn wir in den Besitz von Informationen kommen. Egal von wem sie kommen, egal wen sie betreffen.

 
 

 

 

Das hielten wir nicht anders, als wir in den Besitz der Spenderlisten der ÖVP kamen. Auch das war eine Riesengeschichte. Als wir die Spender kontaktierten und mit den Summen und Zeitpunkten der Überweisungen konfrontierten, ging die ÖVP schließlich selbst mit den grundsätzlichen Informationen an die Öffentlichkeit.

 
 

 

 

Grüne in Nöten

 

Ein anderer Fall von Ermittlungen unmittelbar vor der Wahl betrifft die Grünen. Gegen Christoph Chorherr, der einst selbst Bundessprecher der Grünen war und zuletzt als engster Vertrauter von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou die Stadtplanung in Wien wesentlich gestaltete und beeinflusste, wird wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und der Bestechlichkeit ermittelt. Auch hier gilt die Unschuldsvermutung. Chorherr hatte seine privaten Geschäfte mit den politischen vermischt. Er hat für seine Schulprojekte in Südafrika Spendengelder von Immobilienunternehmen angenommen, die auch in Wien handfeste Interessen haben. Mag sein, dass die Absichten hehre waren, aber diese unterschiedlichen Interessenlagen, die sich daraus ergeben, sind höchst heikel. Die Wiener ÖVP sieht den Verdacht auf jahrelange Korruption in der Wiener Flächenwidmung. Dass Chorherr nach seinem Ausscheiden aus dem Wiener Rathaus ausgerechnet beim Immobilienkonzern Soravia als Berater tätig wurde, der zahlreiche Großprojekte in Wien verwirklicht hatte, hat ebenso eine schiefe Optik wie die Querverbindungen zum Investor Michael Tojner, dessen Heumarkt-Projekt mit grüner Unterstützung durchgeboxt werden sollte. Chorherr ist mittlerweile bei den Grünen ausgetreten.

 
 

 

 

Dass solche Zusammenhänge in Vorwahlzeiten eine eigene Dynamik erhalten, liegt in der Natur der Sache. Zu viele Beteiligte verfolgen eigene Interessen. Aktuelle Beispiele: Gernot Blümel als Wiener ÖVP-Chef unternimmt alles, um die Causa Chorherr jetzt hochzukochen und den Grünen in Wien zu schaden, ebenso wie Peter Pilz von der Liste Jetzt, der um das politische Überleben seines Projekts kämpft und die Grünen nun der Käuflichkeit beschuldigt.

 
 

 

 

Auch wenn es manchmal auf den ersten und zweiten Blick kompliziert wirkt - wir stellen alles dar.