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RTL übernimmt Magazingeschäft von Gruner + Jahr: Die Veränderungen

RTL übernimmt Magazingeschäft von Gruner + Jahr: Die Veränderungen Thomas Rabe will einen „crossmedialen Champion“ schaffen.

Die RTL-Mediengruppe und das Verlagshaus Gruner + Jahr loteten seit Monaten eine engere Zusammenarbeit aus. Jetzt steht das Ergebnis fest.

Luxemburg/Hamburg (dpa) − Die RTL-Mediengruppe übernimmt die deutschen Magazingeschäfte und -marken des Hamburger Zeitschriftenverlags Gruner + Jahr. Der Abschluss der Transaktion ist für den 1. Januar 2022 vorgesehen, wie die RTL Group am Freitag in Luxemburg mitteilte. Die Übernahme vereinbarten die RTL-Gruppe und der Konzern Bertelsmann, zu dem Gruner + Jahr gehört.

 

Gruner + Jahr ist ein 100-prozentiges Tochterunternehmen des Bertelsmann-Konzerns. Zu dem Verlag zählen Titel wie „Stern“, „Geo“, „Brigitte“, „Essen & Trinken“, „Schöner Wohnen“ und „Gala“. Es gehören auch jüngere Marken wie „Chefkoch“ dazu. 2020 lag der Umsatz des Hamburger Zeitschriftenverlags bei rund 1,14 Milliarden Euro.

 

Bertelsmann- und RTL-Chef Thomas Rabe sprach von einer Zusammenführung von RTL Deutschland und Gruner + Jahr, man wolle einen crossmedialen „Champion“ schaffen. Dafür soll eine Organisation geschaffen werden, Details sollen in den kommenden Monaten festgelegt werden. Zusammengerechnet wären beide Einheiten 2020 auf einen Umsatz von 2,63 Milliarden Euro gekommen. Rabe betonte, dass es sich bei der Zusammenführung nicht um ein Kosten-, sondern ein Wachstumsprogramm handele.

 

„Es entsteht ein journalistisches Powerhouse mit der Inhalte-Kompetenz von mehr als 1500 Journalistinnen und Journalisten“, sagte Rabe. Durch die Zusammenführung könnten beide Seiten ihr Potenzial besser ausschöpfen. In crossmedialen Redaktionen sollen zum Beispiel exklusive Inhalte wie Dokumentationen entstehen. Das Ziel ist, größere Recherchen über mehrere Mediengattungen auszuspielen. Es wird voraussichtlich übergreifende Ressorts geben, die Identität der einzelnen Marken soll erhalten bleiben. Jährlich könnten Synergien von rund 100 Millionen Euro erzielt werden, die mehrheitlich umsatz- also wachstumsgetrieben sind. Über die künftige Führungsstruktur der Organisation wurde noch nichts bekannt.

 

Der Kaufpreis beträgt nach RTL-Angaben 230 Millionen Euro ohne Barmittel und Schulden. Damit geht der wesentliche Teil des Verlags an die TV-Sendergruppe. RTL übernimmt allerdings nicht alle Geschäfte des Hamburger Verlags. So bleiben bei Bertelsmann etwa die 25-Prozent-Beteiligung an der Spiegel-Gruppe und die Beteiligung an der DDV Mediengruppe, zu der die „Sächsische Zeitung“ gehört.

 

Rabe zufolge bleibt Hamburg Sitz von Gruner + Jahr. Es werde künftig eine Gruner + Jahr Deutschland GmbH geben, auf die die Kern-Publishing-Geschäfte des Verlags übertragen werden. Rund 1700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden in Hamburg und den übrigen aktuellen Standorten sitzen, darunter 800 Journalisten. Große Umzugsaktionen seien nicht geplant.

 

In den vergangenen Jahren zog sich das Verlagshaus Gruner + Jahr aus ausländischen Märkten zurück, etwa aus den Niederlanden, Spanien und Österreich. Man wollte sich verstärkt auf den heimischen Markt konzentrieren. Vor einiger Zeit wurde bekannt, dass sich Gruner + Jahr auch von seiner französischen Magazinsparte mit dem Tochterunternehmen Prisma Media, das als führender Publikumszeitschriftenverlag in Frankreich gilt, trennt.

 

An der börsennotierten RTL Group, die in mehreren Ländern tätig ist, hält Bertelsmann die Mehrheit. Die Sendergruppe steuert im Bertelsmann-Konzernportfolio den vergleichsweise größten Umsatzanteil bei.

 

Im Februar war bekanntgeworden, dass die Mediengruppe RTL Deutschland und der Hamburger Zeitschriftenverlag eine stärkere Zusammenarbeit ausloten. Es sollten verschiedene Optionen geprüft werden. Das Ziel war neben einer engeren Kooperation auf verschiedenen Feldern auch die Entwicklung einer gemeinsamen Wachstumsstrategie.

 

Bertelsmann setzt schon seit längerem auf die inhaltliche Verzahnung von Unternehmensbereichen. Im Medienbereich ist das deutlich zu sehen: Zeitschriftenmarken, TV und der Audiobereich tauschen Inhalte aus und gehen für Projekte Kooperationen ein. So entstehen zum Beispiel gemeinsame Dokus oder Podcasts. Dahinter steht auch die Strategie „Champions“ − also Größe in einem Marktumfeld. Bertelsmann-Chef Rabe betonte in den vergangenen Monaten immer wieder, dass er nationale „Champions“ in europäischen Märkten schaffen wolle, um so auch internationalen Streamingkonkurrenten wie Netflix und Amazon regional etwas entgegensetzen zu können.

 

Auch für andere Länder prüfte RTL Optionen, mit unterschiedlichen Ergebnissen: In Frankreich hält die RTL Group Anteile an der Fernsehgruppe M6. Diese soll bis Ende 2022 mit der französischen Sendergruppe TF1 zusammengehen. Die RTL-Gruppe würde dort zunächst ihren gesamten Anteil in das fusionierte Unternehmen einbringen und dann Anteile an den TF1-Eigentümer Bouygues verkaufen. Am Ende will die RTL Group als zweitgrößter Aktionär am neuen Konzern beteiligt sein.

 

In den Niederlanden will RTL Nederland 2022 mit John de Mols Medienunternehmen Talpa Network fusionieren. Eine strategisch wichtige Rolle soll der RTL-Streamingdienst Videoland bekommen. In Belgien will sich RTL von seinen TV- und Radiosendern trennen.