Vermischtes
KNA – Joachim Huber

Ruhegelder im öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Für ein paar Dollar mehr

Allein beim RBB flossen 2024 rund 2,6 Millionen Euro an 23 Ex-Spitzenkräfte. An wen genau, bleibt überwiegend geheim. Der Sender verspricht Reformen, doch neue Fälle bei anderen Anstalten könnten schon vor der Tür stehen.

Berlin (KNA) – Das Ruhegeld ist im öffentlich-rechtlichen Kosmos zum Kampfbegriff für Verschwendung und Überversorgung geworden. Besonders aufgeladen hat ihn der Fall der früheren Programmdirektorin des Rundfunks Berlin-Brandenburg, Claudia Nothelle (61), die vor Gericht die fortgesetzte Zahlung von monatlich 8.437 Euro durch den Sender durchgesetzt hat – obwohl sie als Professorin für Fernsehjournalismus an der Hochschule Magdeburg-Stendal ein Gehalt von rund 7.000 Euro bezieht. Nothelles Vertrag mit dem RBB sieht keine Anrechnung dieses Gehalts auf das Ruhegeld vor, das sie bis an ihr Lebensende überwiesen bekommen wird.


In der Ruhegeldpraxis des RBB stellt Claudia Nothelle einen Spezialfall dar. Auf Anfrage des KNA-Mediendienstes hat der Sender nun Zahlen zur übergreifenden Praxis, zu den Empfängerinnen und Empfängern sowie zu den seit 2020 jährlich gezahlten Summen genannt. Dabei muss beachtet werden, dass der öffentlich-rechtliche Sender zwei Klassen von Ruhegeldern unterscheidet.

Einzelvertragliche Regelungen
Sendersprecher Justus Demmer teilte mit: „Ruhegeld war im RBB die Altersversorgung für Personen in besonders herausgehobenen Positionen, die entsprechende Vereinbarungen in ihren Verträgen hatten – es waren also einzelvertragliche Regelungen.“ Zu diesem Personenkreis gehört beispielsweise die Gründungsintendantin Dagmar Reim (73), die sich monatlich über ein Plus von rund 16.000 Euro auf ihrem Konto freuen darf.

Zur zweiten Kategorie der Nutznießerinnen und Nutznießer von Ruhegeldern gehören Mitglieder der Geschäftsleitung, die diese Gelder nach dem Ausscheiden aus dem RBB, aber noch vor dem Eintritt in den Ruhestand bekommen (siehe die Causa Nothelle). Die übrige betriebliche Altersversorgung im Sender beruht auf Tarifverträgen.

Zieht man beide Klassen von Ruhegeldbeziehern zusammen, ergibt sich bei Anzahl der Personen und jährlich aufgewendeten Summen folgendes Bild:
2020: 2,35 Mio. Euro für 22 Personen
2021: 2,46 Mio. Euro für 23 Personen
2022: 2,50 Mio. Euro für 23 Personen
2023: 2,46 Mio. Euro für 24 Personen
2024: 2,57 Mio. Euro für 23 Personen

Überwiegend Ruheständler
Demmer betonte, dass es sich bei den Empfängerinnen und Empfängern „zum weit, weit überwiegenden Teil um Ruheständler“ handelt, sprich: um Personen, die die monatlichen Gelder als betriebliche Altersversorgung beziehen. Welche ehemaligen Mitarbeitenden namentlich in den Genuss von Ruhegeldern kommen, darüber schweigt sich der Sender aus.

Weniger schweigsam ist er bei der Mitteilung, dass „das Thema Ruhegelder im RBB so oder so ein endliches ist“. Nach Demmers Angaben hat die aktuelle Geschäftsleitung keinerlei Ruhegeldvereinbarungen mehr in ihren Verträgen – auch sonst niemand im Sender. Von Boni oder „variablen Gehaltsbestandteilen“ könne ohnehin nirgendwo im RBB mehr die Rede sein.

Zudem seien die Gehälter der obersten Führungsebene (Intendantin, Direktorinnen) stark abgesenkt worden. Wurden noch zu Beginn des Jahres 2023 rund 111.243 Euro pro Monat für die Gehälter der Geschäftsleitung veranschlagt, liegt dieser Wert heute bei 49.167 Euro pro Monat.

Gehälter wurden abgesenkt
Und weil sich der klamme Sender einen strikten Sparkurs verordnet hat, wurde zudem die Anzahl der AT-Verträge und damit der Direktorenposten in der Geschäftsleitung von fünf auf drei reduziert – ein Minus von 40 Prozent. Im gesamten Sender sank die Zahl der AT-Verträge um 52 Prozent: Sie beträgt heute noch zwölf (Stand: Juni 2025), gegenüber 25 im Juli 2022.

Die Höhe der AT-Vergütung liegt laut Demmer nun einheitlich – gemäß dem öffentlich einsehbaren AT-Konzept des RBB – bei Tarifstufe A9 plus einer monatlichen Zulage von 1.200 Euro. Das ergibt rund 150.000 Euro pro Jahr. Zuvor lagen AT-Gehälter inklusive Zulagen bei bis zu (oder über) 200.000 Euro. „Diesen Weg setzen wir fort“, sagte Demmer. „Der nun anstehende Konsolidierungsprozess wird die Zahl der ‚Hierarchen‘ im RBB weiter verringern.“

Die Ruhegelder im RBB sind übrigens keine Erfindung der Zwei-Länder-Anstalt für Berlin und Brandenburg, sondern waren und sind gängige Praxis in vielen ARD-Anstalten – etwa beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). Dort war Wolf-Dieter Jacobi 2020 als Programmdirektor ausgeschieden. Ob der heute 69-Jährige danach in den Genuss eines Ruhegeldes kam? Eine Antwort auf diese Anfrage ließ der Sender bislang offen.

Früher gängige Praxis
Auch die Personalie Jana Brandt gehört in diesen Themenkreis. Brandt (60) leitet seit 2021 beim MDR die Programmdirektion Halle und kommissarisch – seit dem Rücktritt von Klaus Brinkbäumer im April 2024 – auch die Programmdirektion Leipzig. Nach dem Willen von MDR-Intendant Ralf Ludwig sollen beide Direktionen zusammengelegt und von Brandt geführt werden, deren Vertrag bald ausläuft. Ein erster Versuch, sie zur Gesamtprogrammdirektorin zu wählen, scheiterte im Februar im MDR-Rundfunkrat: Brandt erhielt in keinem der drei Wahlgänge die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit.

MDR-Chef Ludwig will offenbar an der Personalie festhalten. Eine erneute Wahl steht jedoch bei der nächsten Rundfunkratssitzung am kommenden Dienstag nicht auf der Tagesordnung. Dräut da der nächste Ruhegeld-Fall? Der MDR teilte auf Anfrage des KNA-Mediendienstes mit, „dass es beim MDR seit 2022 bei der Berufung neuer leitender Angestellter keine Verträge mehr mit derartigen Vereinbarungen gibt“ – und bat zugleich „um Verständnis, dass wir uns zu einzelvertraglichen Konstellationen nicht öffentlich äußern“.

Ausgestanden ist die Thematik beim öffentlich-rechtlichen Partner ZDF: Aus Mainz heißt es auf Anfrage schlicht und eindeutig: „Das ZDF zahlt aktuell in keinem einzigen Fall Ruhegeld.“