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Sind Sie immer noch entsetzt über die Medienbranche, Herr Dunkmann?

Sind Sie immer noch entsetzt über die Medienbranche, Herr Dunkmann? Robert Dunkmann

Nach Ausbruch der Pandemie meinte Robert Dunkmann, er sei entsetzt über die Nutzung der Kurzarbeit in Medienhäusern. Lehnt der Verleger der Zeitungsgruppe Ostfriesland solche staatliche Förderung immer noch ab?

Frankfurt – Im Frühjahr, nach Ausbruch der Pandemie, hat Robert Dunkmann in „medium magazin“ gesagt, er sei entsetzt über das Verhalten in der Branche, und meinten damit auch die Nutzung der Kurzarbeit. Im „medium magazin“-Interview mit Annette Milz zieht er nun Bilanz.

 

Lehnen Sie solche staatliche Förderung für Medienhäuser immer noch ab?

Robert Dunkmann: Ja, auch nach der ersten Welle der Pandemie und mitten in der zweiten, in der wir uns derzeit befinden und die nach meiner Auffassung bis Ende März vorhalten wird, bin ich der Meinung, dass Kurzarbeit die absolut falsche Waffe der Wahl ist. Unsere Aufgabe ist es, der Bevölkerung kontinuierlich die Möglichkeit der Einordnung, Orientierung, Meinungsbildung und Hilfestellung in allen Lebenslagen zu geben, nicht, uns wegzuducken. Wir legen doch als Branche Wert darauf, ein Leitmedium zu sein und die Menschen zu informieren. Wenn wir dieser Aufgabe nicht vollumfänglich gerecht werden, schaden wir dem Wesen der Demokratie und bieten obskuren Strömungen wie Leerdenkern, pardon Querdenkern, Reichsbürgern und Verschwörungstheoretikern eine Grundlage für ihre verschwurbelten Thesen.

 

Sie haben damals auch gesagt: Die Pandemie sei ein Booster der Digitalisierung geworden. Wie haben Sie das im eigenen Haus genutzt – was ist Ihnen gelungen, was war ein Fehlschlag? 

Mittlerweile darf ich behaupten, dass meine Darstellung der Pandemie als Booster aus dem Frühjahr ja allgemein anerkannt ist. Für unser Haus kann ich sagen, dass unsere digitale Entwicklung absolut überproportional ist und teilweise den Printrückgang überkompensiert. Sprich, wir haben die Zuwachsrate des E-Papers unserer verkauften Titel vom November 2019 von 17 Prozent („Ostfriesische Nachrichten“), 17,5 Prozent („General-Anzeiger“) und 24 Prozent („Ostfriesen-Zeitung“) auf 40 Prozent („ON“), 40 Prozent („GA“) und 33 Prozent („OZ“) im November 2020 steigern können. Die IVW V/2020 wird hier teilweise eine Auflagensteigerung von 2 Prozent der verkauften Auflage ausweisen. Im November 2019  hatten wir 470 Abonnenten unserer Mobil-App, im November 2020 sind es 2.428 – eine zarte Steigerung von 517 Prozent binnen zwölf Monaten. Das halte ich durchaus für gelungen. Dies hängt nun nicht ausschließlich an Corona, aber die Conversions, die wir sehr dezidiert online verfolgen, sprechen eine deutliche Sprache. Unterrepräsentiert ist hier leider aktuell noch der sportliche Bereich. Wir haben das Thema E-Sport versucht. Dies ist aber komplex und nutzerseitig nicht wirklich angenommen worden … aber wir arbeiten daran.

 

Es werde keinen Auftragsstopp für Freie geben, versprachen Sie im März. „Wenn man Markt machen will, dann jetzt – und zwar mit allen“. Gilt das auch jetzt noch?

Genauso wie im März. Wir haben nach wie vor das Streben, für unsere Leser da zu sein und entsprechend über alle relevanten Belange zu berichten. Ob über Freie oder nicht, das ist irrelevant. Relevant ist, ob der Leser den Stoff goutiert, nicht, wer ihn produziert.

 

Hintergrund: Robert Dunkmann ist Verleger der Zeitungsgruppe Ostfriesland (Chefredakteur: Joachim Braun) und Vorsitzender des Verbandes der Lokalpresse e. V. Im eigenen Verlag hat er 2020 auch die neue Stelle „Leiter Forschung und Entwicklung“ geschaffen und sie am 1. Oktober mit Lars Reckermann, zuvor Chefredakteur u. a. der „Nordwest-Zeitung“, besetzt.

 

Das gesamt Interview lesen Sie hier

 

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