Vermischtes
Newsroom – Inge König

Strafdrohung gegen Frederik Obermaier: Investigativjournalist meidet Schweiz nach Bank-Recherchen

Strafdrohung gegen Frederik Obermaier: Investigativjournalist meidet Schweiz nach Bank-Recherchen Frederik Obermaier (Foto: Birn Summer School)

Obermaier muss Befragungen zu seinen Quellen fürchten. Nun droht eine weitere Bank.

München – Der Wirtschaftsjournalist Frederik Obermaier enthüllte im Auftrag der „Süddeutschen Zeitung“ gemeinsam mit international tätigen Kollegen Bankverbindungen rund um Aserbaidschans Herrscherfamilie und schrieb über kriminelle Kunden der Großbank Credit Suisse. Für beides droht den Journalisten in der Schweiz ein Strafverfahren, wie der Zürcher „Tages-Anzeiger“ berichtet. Eine Zusammenfassung.

 

Mehr als 100 Journalisten hatten 2022 eine internationale Recherche über heikle Bankkunden der Credit Suisse veröffentlicht. Darunter waren auch die „Süddeutsche Zeitung“, der „Guardian“, „Le Monde“ und die Investigativ-Plattform OCCRP.

 

Das Problem laut „Tages-Anzeiger“: Die Daten kamen von einem Whistleblower aus der Großbank. Seit 2015 riskiert jeder Journalist nach Schweizer Recht eine Strafuntersuchung, wenn er einen Bankkunden aus solchen Quellen nur schon nennt – selbst wenn es sich um Schwerstkriminelle handelt. „Journalisten können strafrechtlich belangt werden“, bestätigt das Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen gegenüber der Schweizer Zeitung.

 

Auch mehrere Gutachten hätten inzwischen bestätigt, dass die rechtlichen Risiken für Journalisten in der Schweiz beträchtlich seien.

 

Der deutsche Investigativjournalist Frederik Obermaier war für die „Süddeutsche Zeitung“ federführend beteiligt am Projekt mit den CS-Daten. Heute arbeitet er für Paper Trail Media, die mit dem „Spiegel“, dem ZDF, dem österreichischen „Standard“ und dem Schweizer Verlag Tamedia arbeiten. Auch er kommt nicht mehr in die Schweiz.

 

2022 war Obermaier zu einer Diskussion mit der UNO-Berichterstatterin für Meinungsfreiheit in Bern eingeladen. Doch er sagte ab. „Es kam auf informellem Weg kurz davor der Hinweis, dass es vielleicht keine so gute Idee wäre, wenn ich persönlich dort erschiene“, sagt Obermaier. Er bucht auch keine Flüge mehr über Zürich-Kloten.

 

Nun gibt es eine neue Entwicklung: „Seit wenigen Tagen gibt es einen weiteren Grund, die Schweiz zu meiden. Nach einer Recherche zur Bank Reyl verschickten die Anwälte der Bank ein Schreiben an fünf Journalisten. Sie seien von der Bank Reyl beauftragt worden, eine ‚Strafanzeige wegen Verletzung des Bankgeheimnisses‘ einzureichen.“ Dann drohen sie: „Seit dem 1. Juli 2015 macht sich jede Person strafbar, die Daten aus einer Bankgeheimnisverletzung erhält und sie enthüllt.“

 

Genau wie bei der Credit Suisse entschieden sich Obermaier und viele andere ausländische Journalistinnen, dennoch über die Bank Reyl zu schreiben. Jetzt enthüllten sie unter anderem, dass aserbaidschanische Personen, die mit der Herrscherfamilie verbunden sind, in zwei Fonds mit über 400 Millionen Franken bei der Reyl investiert hätten. (…)

 

Am 12. Dezember 2022 ermächtigte der Bundesrat offiziell die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft im Fall Credit Suisse. Es sei sehr wohl denkbar, dass man ausländische Journalisten entweder als Auskunftspersonen vorlädt oder sie bei einer Veranstaltung anspricht und sie zu einem Gespräch auffordert. „Genau dieses Risiko möchte ich gar nicht erst eingehen“, sagt Frederik Obermaier gegenüber dem „Tages-Anzeiger“. Der Investigativjournalist stand mit seinen Kollegen in Kontakt mit der gesuchten Quelle der CS-Daten und riskiert deswegen eine Befragung. „Der Quellenschutz ist mir heilig“, sagt Obermaier. „Ich will nicht, dass eine Quelle fälschlicherweise den Eindruck gewinnt, ich würde mit Behörden über sie sprechen.“

 

Lukas Hässig schreibt auf seinem Portal „Inside Paradeplatz“: „Die Schweiz hat eine neue Russen-Bank: die Reyl in Genf. Sie gehört seit ein paar Jahren der Turiner Großbank Intesa Sanpaolo. Der ‚Tages-Anzeiger‘ macht das in einer Aufdecker-Reportage deutlich. Auf zwei Seiten breitet das Blatt systematisches Compliance-Versagen der Reyl-Chefs aus.“