Vermischtes
Newsroom – Marc Bartl

„Tagesspiegel“-Chefredaktion stellt klar: Es stimmt nicht, dass wir das Gendern abschaffen

„Tagesspiegel“-Chefredaktion stellt klar: Es stimmt nicht, dass wir das Gendern abschaffen Tagesspiegel-Chefredakteur Christian Tretbar

„Anti-Gender-Befehl beim ,Tagesspiegel‘“, „,Tagesspiegel' kassiert die Gender-Sprache wieder ein“: „Bild“ und B.Z. haben mit diesen Schlagzeilen die Debatte um gendergerechte Sprache in Medien angeheizt. Was sich jetzt bei der Berliner Zeitung „Tagesspiegel“ wirklich ändert – und warum.

Berlin – Anfang 2021 hatte sich die „Tagesspiegel“-Redaktion Leitlinien für den Umgang mit geschlechtergerechter Sprache gegeben. Die Chefredaktion stellte es seitdem den Autoren für die meisten Texte frei, solche Formen zu nutzen. „Uns leiten dabei aber natürlich auch Ihre Bedürfnisse: Texte sollen weiterhin gut und schnell lesbar bleiben. Das wird für uns in der nächsten Zeit die Herausforderung sein: Sowohl fair und inklusiv als auch undogmatisch und verständlich zu schreiben“, hieß es damals.

 

Nun, fast drei Jahre später, sind einige „Experimente“ mit den neuen Formen des Plurals vorbei. „Wir verzichten [...] bis auf Weiteres und weitgehend auf die Verwendung von Gendersternen und Doppelpunkten zum Gendern in der gedruckten Zeitung und dem E-Paper", heißt es in einem Statement der Chefredaktion, die Lorenz Maroldt und Christian Tretbar in einer Doppelspitze anführen. Ausnahmen seien Gastbeiträge, bei denen die Autorin oder der Autor dies wünschten, sowie bei Antworten in Interviews, wenn dies gewünscht werde. Weitere Ausnahmen sind den Angaben zufolge zu übernehmende Zitate, die Queerspiegel-Texte sowie Texte, in denen es um die Verwendung und Veränderung von Sprache geht.

 

Es stimme allerdings nicht, dass man geschlechtsneutrale oder gendergerechte Sprache oder das Gendern abschaffen werde, stellt die Chefredaktion klar. Man wolle weiter, wo angebracht oder nötig, beide sprachliche Genderformen („Künstlerinnen und Künstler“) und geschlechtsneutrale Beschreibungen („Studierende“) verwenden.

 

Berichte in der „Bild“ und der B.Z. hatten zuvor eine entsprechende Debatte angeheizt.

 

Auch zu den Gründen für den Kurswechsel äußern sich die redaktionell Verantwortlichen:

„Wir hatten vor drei Jahren als einzige der großen deutschen Tageszeitungen die Verwendung von Doppelpunkten und in Ausnahmefällen wie persönlichen Texten die Verwendung von Gendersternen freigegeben, die Diskussion darüber aber nicht für beendet erklärt. Das ist sie auch heute nicht. Es hat sich aber gezeigt, dass sich eine stringente und für unsere Leserinnen und Leser nachvollziehbare Verwendung nicht herausgebildet hat. Vor allem aus dem Kreis der Abonnentinnen und Abonnenten unserer gedruckten Zeitung und dem E-Paper wurden wir sehr deutlich darum gebeten, andere Formen der genderneutralen Sprache zu verwenden als den Genderstern oder den Doppelpunkt. Dem kommen wir mit der angepassten Richtlinie für die genannten journalistischen Produkte nach.

 

Hintergrund
Der WDR hatte 2022 einen repräsentative Umfrage bei infratest dimap in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse der Sender im Februar veröffentlichte. Gendergerechte Sprache ist vielen Deutschen demnach nicht so wichtig. Weiteres Fazit: Zwei Drittel der Befragten sind für die Doppelnennung in der Berichterstattung, andere Formen des Genderns werden hingegen weniger akzeptiert.