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„The Merz Effect“: Was Journalisten über gutes Englisch wissen sollten

„The Merz Effect“: Was Journalisten über gutes Englisch wissen sollten Peter Littger

Was ist gutes Englisch? Kolumnist Peter Littger erklärt, warum es weniger auf Perfektion als auf Wirkung ankommt.

Salzburg – Was ist gutes Englisch, wenn es darauf ankommt? Peter Littger schreibt in der aktuellen „Journalist:in“, dass nicht Grammatik oder idiomatischer Schliff entscheidend sind, sondern ob die Sprache wirkt, wie sie soll: „efficacy“, „effectiveness“ und „efficiency“:

 

Ich werde oft gefragt, was ein gutes Englisch sei. Ob „if“ mit „would“ im selben Satz verzeihlich, ob „home office“ statt „work from home“ verständlich oder ob „speak English good“ statt „speak it well“ verräterisch sei – für eine Zweitsprache, die am Ende nicht konkurrenzfähig ist. Schließlich soll sie wirken, wenn es darauf ankommt, zu punkten: in einem Interview, in einer Verhandlung oder auch nur in einem diplomatischen Termin.

 

Was sind also die besten englischsprachigen Voraussetzungen, um zu inhaltlichen Erkenntnissen, handfesten Ergebnissen und Vorteilen oder auch nur zu einer guten zwischenmenschlichen Stimmung zu gelangen?

 

Eine Antwort ist ganz sicher: Wer nicht an einem Rhetorikwettbewerb teilnimmt – wozu ich Tisch-, Grab- und Hochzeitsreden sowie journalistische Aufsager und Moderationen zähle – oder wer sich nicht für ein Linguistikseminar einschreibt, benötigt keinen idiomatischen Schliff oder grammatikalische Perfektion – so schön beides klingt, wirkt und selbstredend auch ist.

 

Worauf es vielmehr ankommt, ist weniger „ein gutes“ als ein „effektives Englisch“ – eine Kategorie, die sich im Englischen übrigens in drei unterschiedliche und ergänzende Bedeutungen auffächert:

  • „efficacy | efficacious“ (wirkt es überhaupt?)

  • „effective | effectiveness“ (wirkt es wie gewollt?)

  • „efficiency | efficient“ (wirkt es so gut wie möglich?)

     

Anfang Juni hat der neue deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz genau diese Effekte vor der Weltöffentlichkeit demonstriert, als er seinen Antrittsbesuch in Washington unternahm. Ich schreibe das, obwohl ich noch kein ausgesprochener Fan von Merz bin – und obwohl er den Mut hatte, ohne Dolmetscher ins Weiße Haus zu gehen.

 

Darin allein liegt keine Leistung, sondern ein erhebliches Risiko, wenn der Gesprächspartner so mächtig und unberechenbar ist wie Donald Trump.

 

Merz mag durch seine früheren Jobs als Rechtsanwalt, Unternehmensberater und Finanzlobbyist englischerfahren sein, auf einen professionellen Übersetzer, wenigstens im Hintergrund, würde ich an seiner Stelle trotzdem nie verzichten. Als Journalist halte ich es selbst so, indem ich für wichtige Texte und sogar Interviews stets einen Muttersprachler konsultieren kann.

 

Gegen Merz’ Englisch spricht außerdem, dass ihm am Kamin im Oval Office ein Patzer unterlaufen ist, den man als „Anfängerfehler“ bezeichnen kann. Von Trump ausgerechnet auf sein „good English“ angesprochen, sagte er: „I try to speak English as good as I can“ – statt „as well as I can“.

Dennoch: Merz hat in doppelter Weise gezeigt, worauf es ankommt – eine schnörkellose Wortwahl, die sich der Situation und dem Gegenüber anpasst, und die Fähigkeit, ein Gespräch trotz aller Widrigkeiten zu entwickeln, um ein eigenes Anliegen vorzutragen.

 

Beides basiert auf abrufbaren Kenntnissen und auf einem intakten Reflex. Das ist gutes Englisch.

 

Der Autor:

Peter Littger ist sprachbesessener Autor und Kolumnist, u. a. für die „Wirtschaftswoche“ und ntv.de. Er hat den Nr.-1-Bestseller „The devil lies in the detail“ geschrieben. Im November 2021 erschien sein jüngstes Buch „Hello in the round! Der Trouble mit unserem Englisch – und wie man ihn shootet“.