Vermischtes
Newsroom

Thomas Krüger: Die Pressefreiheit ist vielfach bedroht

Thomas Krüger: Die Pressefreiheit ist vielfach bedroht Thomas Krüger.

Wie können sich europäische Medienhäuser im Kampf um pluralistische Berichterstattung behaupten? "Monopole machen dumm", warnte der Präsident der Bundeszentrale für Politische Bildung in Bonn, auf dem Schlusstag des European Publishing Congress in Wien.

Wien - "Beim Thema Pressefreiheit bzw. deren Beschneidung wird derzeit  gerne auf Staaten wie Ungarn oder Türkei verwiesen. Aber  Pressefreiheit kann auf vielfältige Weise eingeschränkt werden, auch in Deutschland, auch in Österreich", sagte Krüger im Festsaal des  Wiener Rathauses. Er verwies dabei auf den jüngsten Jahresbericht der Organisation "Reporter ohne Grenzen", wonach sich in keiner anderen Weltregion die Lage der Pressefreiheit so stark verschlechtert habe  in Europa.    

 

Dabei bereiten nicht nur die schockierende Berichte über tätliche Angriffe, Verunglimpfungen, Einschüchterungen und sogar Morde großen  Anlass zur Sorge. Oft sind es auch strukturelle Gründe und versuchte oder tatsächliche wirtschaftliche Einflussnahmen, durch die sich  Redaktionen unter Druck gesetzt fühlen. "Es gibt unterschiedlichste Mechanismen, die Journalistinnen und Journalisten zwingen, nicht das  zu schreiben, was sie denken", so Krüger.     

 

Das Problem von Distanz und Nähe ergibt sich besonders  offensichtlich im Lokaljournalismus, wie der BPB-Präsident mit Blick  auf aktuelle Umfragen unter deutschen Zeitungschefredakteuren  konstatiert. "Welcher Redakteur schreibt schon einen kritischen  Kommentar über wichtige Anzeigenkunden? Welche Journalistin  kritisiert den Bürgermeister, den sie schon seit Jahren kennt und  schätzt?", fragte Krüger in Wien. "Journalisten haben sich schon immer dagegen wehren müssen, dass auf sie Einfluss von außen ausgeübt wird." 

 

Unheilvoll verstärkend wirkt sich bekanntlich der öffentliche Druck durch Meinungswellen in sozialen Medien aus, wo sich laut  Krüger längst "Quasi-Parallelöffentlichkeiten" gebildet haben. "Der  digitale Wandel und der Einsatz von Social Media bieten die  Möglichkeit, die seriösen Medien unter Druck zu setzen, wenn Leser  und User hetzen oder Druck ausüben, worüber Journalisten berichten  sollen oder eben nicht", sagte er.     

 

Dabei nahm er auch Bezug auf die auch außerhalb Österreichs vielfach diskutierten Angriffe auf den ORF-Nachrichtenmoderator Armin Wolf, die zu breiten Solidarisierungsbewegungen unter  Journalistenkollegen geführt hatten. Dabei warf Thomas Krüger  kritische Fragen über die medialen Praktiken der FPÖ auf, die vor allem stark auf YouTube-Beiträge setzt. "War das Ganze am Ende ein  provozierter und inszenierter Eklat der Partei, der den schleppenden Wahlkampf medienwirksam ankurbeln soll?", so der BNP-Präsident.     

 

Indirekt pflichtete ihm in einer lebhaften anschließenden Diskussion unter Leitung der Puls 4-Chefredakteurin Corinna Milborn  die "Reporter ohne Grenzen"-Vertreterin Rubina Möhring bei. Sie  verwies darauf, dass - ähnlich wie die Partei AfD in Deutschland das  versucht - die FPÖ in Österreich YouTube sehr gezielt für ihre Zwecke einsetzt. "Auf dieser Orgel spielen die Rechtspopulisten sehr erfolgreich", sagte Möhring in Wien.     

 

Vor den Gefahren, die von neuen, meist digitalen "Desinformationsmedien" ausging, warnte in der Diskussion zu Thomas  Krügers Impulsreferat auch der slowakische Autor und Schriftsteller Michal Hvorecky, der selbst ein Buch über die gefürchteten  "Trollfabriken" geschrieben hatte. "Wir merken einen immer stärkern Einfluss von Desinformationsmedien", sagte er über die angespannte  Situation in seinem Heimatland. Dabei scheinen sich die moralischen Koordinaten verschoben zu haben. "Früher nannte man das  Landesverrat", so Hvorecky zugespitzt. "Die, die das machen, nennen  sich heute Patrioten."     

 

Umso wichtiger schließlich, dass sich Journalisten nicht einschüchtern lassen, sondern auf ihre Stärken - und auf ihre Rolle - rückbesinnen, so Thomas Krüger. "Journalisten sind Platzhalter für  Meinungsfreiheit", sagt er über den öffentlichen Diskurs. Dabei  dürfen und sollten sie auch persönliche Haltung in politischen Fragen zeigen. "Sie müssen das, was plural diskutiert wird, plural abbilden  können", so Krüger über Journalisten.     

 

Zusammenschlüsse und Solidarisierungen - wie etwa auch in den neuen Rechercheverbünden, in den sich oft sogar unterschiedliche  Medien wie Qualitätszeitungen und öffentlich-rechtliche TV-Sender zusammengeschlossen - wären, so Tenor auf dem spannenden Panel in  Wien, ein Weg, um wieder Stärke aufzubauen. So könnte man auch der  Marktmacht von Google und Facebook etwas entgegenzusetzen. "Wir  müssen den Kampf der Gartenzwerge unter europäischen Medien beenden", so Corinna Milborn selbstbewusst.