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Warum fühlen sich Redakteure im NDR-Funkhaus Kiel führungslos?

Warum fühlen sich Redakteure im NDR-Funkhaus Kiel führungslos? Volker Thormählen: Auflösungserscheinungen auf Führungsebene

Wie Funkhausdirektor Volker Thormählen mit Auflösungserscheinungen kämpft, erklärt René Martens im „medium magazin“.

Mannheim – René Martens beantwortet in der aktuellen „medium magazin“-Ausgabe brennende Fragen aus der Medienbranche. Unter anderem : Warum fühlen sich Redakteure im NDR-Funkhaus Kiel führungslos?

 

… Ende September 2022 wurden Norbert Lorentzen, einer der beiden Chefredakteure, und Julia Stein, Chefin des Ressorts Politik & Recherche und Teil des Leitungsteams, von ihren Aufgaben entbunden. Funkhausdirektor Volker Thormählen hatte die beiden Journalisten als Verantwortliche für betriebsklimatische Störungen ausgemacht: „Wegen des verloren gegangenen Vertrauens habe ich beiden (...) mitgeteilt, dass ich nicht weiter mit ihnen zusammenarbeiten werde“, sagt er damals.

 

Kurze Zeit später brach ein weiterer Pfeiler aus der Hierarchie heraus: Susanne Ohlsen, bis dahin Leiterin des „Teams Non-linear“ und damit wie Stein Teil des Teams unterhalb der Chefredaktion. Anfang dieses Jahres gab sie „auf eigenen Wunsch“ die Team- Leitung auf, wie der NDR mitteilt. Sie bereitet nun die Berichterstattung auf die kommende Kommunalwahl vor. Das hatte der NDR bisher nicht kommuniziert, er tat es erst auf unsere Anfrage hin.

 

Es liegt nahe, dass dieser Wechsel noch ein Nachhall der September-Affäre ist. Denn Ohlsen gilt als Verbündete von Lorentzen und Stein – und hat dies wohl auch deutlich gezeigt: Ihr Umgang mit den Stein-Kritikern in ihrer Abteilung soll heftigen internen Protest hervorgerufen haben. Der NDR äußert sich auf Anfrage dazu nicht direkt. Ohlsen habe „aus persönlichen Gründen darum gebeten, Aufgaben abgeben zu dürfen, und ihre Arbeitszeit reduziert“.

 

Die Auflösungserscheinungen auf Führungsebene haben nach Ansicht vieler Mitarbeitender nun dazu geführt, dass im Landesfunkhaus ein journalistisches Vakuum entstanden ist. Die verbliebene Chefredakteurin Bettina Freitag sei zwar im Umgang überaus angenehm und führe intensive Gespräche mit den Mitarbeitenden, ihr fehlten aber die Skills für eine journalistische Führungsrolle. In Julia Steins ehemaligem „Politik & Recherche“-Team ist die Stimmung zudem derart angespannt, dass im Januar eine Krisensitzung in einem Hotel bei Kiel erforderlich wurde. Das allgemeine Gefühl der Führungslosigkeit werde noch dadurch verstärkt, dass die offizielle Sprachregelung für Steins Nachfolger Andreas Schmidt lautet, er leite dieses Team „bis auf Weiteres“ – ein klares Vertrauensbekenntnis ist das nicht.

 

Julia Stein hat unterdessen auf wundersame Weise das Vertrauen ihres Chefs zurückerhalten. Sie arbeitet seit Ende Februar bei den „Tagesthemen“ in Hamburg. Es solle „nicht der Eindruck entstehen, Julia Stein habe in ihrer Redaktion einen unangemessenen Umgang mit Mitarbeiter*innen gepflegt“, ließ sich Direktor Thormählen in einer Pressemitteilung zitieren. Dass er das vor wenigen Monaten selbst noch ganz anders verlauten ließ, scheint nicht mehr von Belang. Offenbar reichen die Führungsprobleme in Schleswig-Holstein bis in die höchste Ebene.

 

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Antworten in der Kolumne „Backstage. Klatsch & Wahrheiten“ im „medium magazin“

 

Zum Autor: René Martens ist freier Journalist und regelmäßig Mitglied der Grimme-Preis-Nominierungskommission in der Kategorie Info & Kultur.