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Newsroom – Markus Wiegand

Was kann die „NZZ“ in Deutschland reißen?

Was kann die „NZZ“ in Deutschland reißen? Jan-Eric Peters leitet die Deutschland-Expansion der „NZZ“ als Geschäftsführer

Die „NZZ“ verfolgt in Deutschland hochfliegende Pläne. Der langjährige Springer-Chefredakteur und -Manager Jan-Eric Peters wurde als Geschäftsführer eingekauft. Im Fall Reichelt legte sich die „NZZ“ zuletzt mit „Spiegel“ und „Tagesspiegel“ an. „kress pro“ hat die Erfolgsaussichten der Schweizer in Deutschland analysiert und nennt exklusive Zahlen.

1. Warum kommt die NZZ nach Deutschland?

Wenn man die Berichterstattung über den Expansionskurs der „Neuen Zürcher Zeitung“ („NZZ“) in Deutschland liest, könnte man fast den Eindruck gewinnen, das Ganze sei ein politisches Projekt. Die „Zeit“ gab schon vor rund einem Jahr den Ton vor: „Es ist längst eine Rutschbahn nach rechts außen entstanden“, schrieb man unter dem Titel „Die Schweizer dürfen das“. Auch in vielen anderen Texten der Kollegen von der Konkurrenz fehlt nur selten der Hinweis, dass die „NZZ“ sich in einem Beitrag mit der Bezeichnung „Bio-Deutsche“ verhob und dass populistische Kreise die „NZZ“ als „Westfernsehen“ empfehlen.

 

Dabei ist der Gang Richtung Norden zuallererst ein wirtschaftliches Projekt und kein publizistisches. Deutschland ist eine der wenigen strategischen Wachstumsoptionen, die das Haus noch hat. Der heimische Markt in der Deutschschweiz ist miniklein. Seine Einwohnerzahl (rund sechs Millionen) entspricht gerade einmal der Bevölkerung Berlins und Brandenburgs.

 

Zuletzt meldete die „NZZ“ in der Schweiz ohne die steigenden Digitalabos nur noch eine hart verkaufte Auflage von knapp 79.000 Exemplaren (inkl. E-Paper und Einzelverkauf), die Printausgabe liegt gerade noch bei rund 58.000. Mit der „NZZ am Sonntag“, ein bisschen Event- und Nebengeschäft erlöste die Marke 2019 rund 184,9 Millionen Franken (rund 170 Millionen Euro). Zum Vergleich: Zwischen 2014 und 2019 haben sich allein im Werbegeschäft 30 Millionen Franken (27,6 Millionen Euro) in Luft aufgelöst. Es müssen also neue Erlösquellen her. Schon seit 2017 treiben Chefredakteur Eric Gujer und CEO Felix Graf daher die Deutschland-Expansion voran. Intern gilt der Schritt als eine der wenigen Good News, die sich nach außen verkaufen lassen, um die Zukunft zu sichern.

 

2. Wie erfolgreich ist die NZZ bisher in Deutschland?

Die NZZ meldete Ende des Jahres 33.000 verkaufte Digitalabos. Auf Nachfrage schwört man Stein auf Bein, dass die Zahl nur voll bezahlte Abonnements beinhaltet. Bisher zahlen Digitalkunden 119 Euro. (Den Monatspreis hat man kürzlich auf 14,90 Euro angehoben.) Im Vergleich zum Vorjahr hat die „NZZ“ nach eigenen Angaben um mehr als 70 Prozent zugelegt. Zum Vergleich: Die „FAZ“ meldete der IVW (1/21) für ihr Plus-Abo 62.000 Kunden, die „Süddeutsche“ (mit SZ Plus) 78.000 Abonnenten und die „Welt“ gar 142.500 Digitalabos (wobei darin auch rund 46.000 Kombi-Angebote enthalten sind). Für den überschaubaren Einsatz eines zehnköpfigen Teams liegt die „NZZ“ also gut im Rennen. Das liegt auch daran, dass das Haus im deutschsprachigen Raum mit führend bei der Technologie für den Verkauf von Digitalabos ist.

 

3. Wie geht's der „NZZ“ insgesamt?

Mittelprächtig. Im Jahr 2019 erzielte die Kernmarke einen kleinen Vorsteuer-Gewinn von 3,4 Millionen Franken, im ersten Halbjahr 2020 einen Vorsteuer-Verlust von 1,2 Millionen Franken. Viel lieber spricht man im Haus über die steigenden Abozahlen der „NZZ“. Zuletzt durchbrach man die Schwelle von 200.000.

 

Allerdings arbeitet die „NZZ“ in der Eigen-PR konsequent mit einem Taschenspielertrick und bezieht sich dabei immer nur auf die zahlenden Kunden. Entscheidend ist aber, wie viel die Abonnenten bezahlen und wie sich die Vertriebserlöse insgesamt entwickeln. Hierbei ist die stolze „NZZ“ deutlich defensiver in der Kommunikation: Das hat damit zu tun, dass die Zahl der klassischen, hochpreisigen Abos im Inland sinkt. Die Printauflage ist seit 2016 um rund 21 Prozent zurückgegangen, inklusive E-Paper sind es immer noch 13 Prozent. Beide Angebote lassen sich sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland deutlich teurer verkaufen als die Digitalabos: Für jedes wegfallende Printabo (814 Franken pro Jahr inkl. Digitalzugriff) müssen mehr als drei Digitalabos (240 Franken pro Jahr) verkauft werden.

 

Die „NZZ“ lässt auch auf Nachfrage offen, wie sich die Erlöse der Medien im Nutzermarkt genau entwickelt haben. Im Geschäftsbericht für das erste Halbjahr 2020 meldete das Unternehmen aber, dass der Umsatz im Nutzermarkt insgesamt um 4 Prozent gesunken ist (auf 89,8 Millionen Franken) – trotz steigender Aboverkäufe. In den Zahlen sind allerdings die Ticketerlöse des Veranstaltungsgeschäfts enthalten, das durch Corona zum Teil wegfiel. Zwischen 2018 und 2019 sind die Erlöse im Nutzermarkt ebenfalls nur ganz leicht gestiegen.

 

4. Wird die „NZZ“ in Deutschland ein Erfolg?

Es spricht viel dafür, dass das „Abenteuer in Deutschland“, wie eine „NZZ“-Quelle das Projekt nennt, wirtschaftlich erfolgreich werden könnte, denn die Schweizer greifen mit landestypischer Vorsicht an. Bisher haben für Redaktion und Verlag zehn Mitarbeiter in Berlin gearbeitet. Das Ganze hatte eher den Charakter eines aufgemotzten Korrespondenten-Büros. In diesem Jahr will man die Zahl verdoppeln und dann je nach Erfolg weiter ausbauen.

 

Für die Geschäftsführung in Deutschland ist CEO Felix Graf dabei ein echter Coup gelungen. Mit Jan-Eric Peters hat er für das kleine Projekt einen prominenten Kopf eingekauft, der tiefes Know-how im Digitalen mit Erfahrung im hochwertigen Journalismus verbindet. Der langjährige Springer-Mann führte zuvor u. a. die Welt-Gruppe und baute vor einem Sabbatical zuletzt die internationale Nachrichten-App Upday auf.

 

Wie stark das Deutschland-Projekt langfristig einmal zur Finanzierung der „NZZ“ beitragen kann, ist auch intern offen. Das Ziel ist aber klar: 100.000 Digitalabos möchte die „NZZ“ bis 2030 verkaufen. Mit einer forschen Preispolitik gepaart, könnte das Blatt ein Ziel von 20 Millionen Euro oder mehr anvisieren. Konferenzgeschäft und Werbeeinnahmen bieten ebenfalls Potenzial. Allerdings zeigt das Rechenexempel auch, dass die „NZZ“ ihre Zukunft nicht in Deutschland allein gewinnen kann.

 

5. Wie reagieren die Konkurrenten?

6. Wo steht die NZZ politisch?

7. Wie kommt die Expansion in Deutschland daheim an?

8. Wie gut ist die NZZ auf die Zukunft vorbereitet?

Hier finden Sie die komplette „NZZ“-Story „Besuch der Alten Dame“ von Markus Wiegand.