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Weltreise in Düsseldorf: Ein Abend mit dem „Handelsblatt“ bei Glühwein und Currywurst

Ein Dialog mit dem „Handelsblatt“: Etwa 200 Besucher verfolgten vergangenen Mittwoch im Düsseldorfer Palais Wittgenstein die persönlichen Jahresrückblicke der „Handelsblatt“-Auslandskorrespondenten. Von Robin Rittinghaus.

Düsseldorf - Sieben Impulsvorträge mit Fragerunde sorgten für informative Unterhaltung, an deren Ende die Möglichkeit bestand, sich mit den Referenten beim gemütlichen Glühwein im Innenhof des Kulturzentrums zu unterhalten.

Chefredakteur Hans-Jürgen Jakobs begrüßte die zahlreich erschienenen Zuhörer zu einer Weltreise der besonderen Art. Die Auslandskorrespondenten aus sieben Weltstädten schilderten ihr persönliches Jahr und blickten auf die größten Ereignisse ihrer Region zurück. Durch den Abend moderierte die Auslandsbeauftragte des „Handelsblatts“, Nicole Bastian.

 


"Handelsblatt"-Chefredakteur Hans-Jürgen Jakobs heißt die Zuschauer willkommen.

 

 

Sieben mal sieben Minuten

Das Format der Veranstaltung war denkbar einfach. Jeder Korrespondent schilderte in einem Impulsvortrag von sieben Minuten, wie er die wichtigsten Themen seines Jahres 2014 erlebte – anschließend hatten die Gäste jeweils etwa zehn Minuten Zeit, Fragen zu stellen.

Den Anfang machte Washington-Korrespondent Grischa Brower-Rabinowitsch und erzählte über das Schicksalsjahr für Obama. Gespannt lauschte das Publikum, wie Obamacare bei der Bevölkerung aufgenommen wurde und was die Amerikaner von ihrem Präsidenten halten. „Als ich beim Dinner das Thema Obama angesprochen habe, fiel die Stimmung in den Keller. Viele Amerikaner sind enttäuscht von den Verdiensten ihres Präsidenten.“ Brower-Rabinowitsch glaubt, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis die Mehrheit der Amerikaner versteht, wie wichtig Obamas Amtszeit für die Vereinigten Staaten ist.


Der zweite Impulsvortrag gehörte Mathias Brüggmann – Vertreter des „Handelsblatts“ in Moskau. Er referierte über den Ukraine-Konflikt und eine Annäherung zwischen Russland und China. Seinen Ausführungen über die eventuellen Auswirkungen auf Europa und die NATO folgte eine Diskussionsrunde, die der Frage nachging, ob Europa einen „Kalten Krieg 2.0“ zu erwarten habe. Brüggmanns Antwort war kurz, aber vielsagend: „Ich weiß es nicht.“

Auch Israel ein Thema

Pierre Heumann, seit über 20 Jahren Nahost-Korrespondent, berichtete von seiner Reise durch den Gaza-Streifen nach dem Krieg. Er sprach mit Menschen, die alles verloren haben und nun ihre Häuser wieder aufbauen. Betroffen äußerte er Kritik an den Institutionen Israels, die vielen Bürgern einen Wiederaufbau ihrer Häuser erschweren. „Wenn ihnen als Bürger die eigenen vier Wände um die Ohren fliegen, haben sie Behördengänge vor sich, die fast einen größeren Aufwand erfordern, als der Wiederaufbau an sich“, gab er empört zu Protokoll. Laut Heumann ist die Menschlichkeit in vielen Teilen der Region verloren gegangen.

 


Grischa Brower-Rabinowitsch erläuterte, wieso Obamas Schicksalsjahr für den Präsidenten kein gutes Ende nimmt.

 

 


Emotional bewegt ging es für die Zuhörerschaft zum nächsten Ziel der Weltreise: in die Stadt der Liebe. Thomas Henke referierte über ein ereignisreiches Jahr für Hollande, die voranstürmende Rechtspopulistin Marine Le Pen und räumte mit Vorurteilen den Franzosen gegenüber auf. Welche Auswirkungen der Rechtsruck Frankreichs auf Europa hat, diskutierte der in Paris lebende Reporter und Korrespondent anschließend mit dem Publikum.

„Die Aufbruchseuphorie ist abgeflacht.“

Im Anschluss analysierte Afrika-Experte Wolfgang Drechsler, was die Ebola-Krise für den schwarzen Kontinent und die jüngste internationale Euphorie bedeutet. Drechsler ist seit über 30 Jahren von dem Kontinent fasziniert und lebt momentan in Kapstadt.

Sein Vortrag zeigte vielen Gästen die Grenzen der Industrialisierung in Afrika auf. „In nahezu allen Ländern fehlt es an Infrastruktur“, berichtete er. Investitionen gingen zurück, weil sich nicht verfolgen lasse, wohin sie genau fließen, erklärte Drechsler, mit einem Verweis auf die Hilfsleitungen aus Europa. Hinzu komme, dass die Ebola-Panik den kontinentalen Transfer von Gütern massiv belaste. In der Summe führe das dazu, dass „die Aufbruchseuphorie abgeflacht ist“. Der lockeren Stimmung des Abends schadete sein etwas in die Länge gezogener Vortrag jedoch keineswegs – angeregt von Drechslers Erfahrungen und Eindrücken, stellte das Publikum viele Fragen zur Zukunft Afrikas. Die Aussichten beschrieb der Korrespondent als „weniger rosig, als Sie alle denken.“

„Wenn der Chinese am Bahnsteig demonstriert, löst er zuerst ein Bahnticket.“

Nächster Halt: China. Das Publikum lauschte mit ungebrochenem Interesse den Ausführungen von Finn Mayer-Kuckuk, der seit Anfang des Jahres in Hongkong die Demonstrationen beobachtet. „Wenn Sie in Deutschland die traditionellen Demos am 1. Mai beobachten, fällt schnell auf: Es geht um Blutvergießen, Steinewerfen und Sachbeschädigungen.“ In China sei das nicht so – die Demonstrationen verliefen friedlich, gesittet und geordnet, erklärte er. „Wenn der Chinese am Bahnsteig demonstriert, löst er zuerst ein Bahnticket.“ Seine Impressionen aus Hongkong beeindruckten viele Diskussionsteilnehmer: Friedliche Proteste mit leuchtenden Handydisplays – Menschenmassen, die sich geordnet zur gemeinsamen Demonstration formieren, sind in Zeiten von HoGeSa ein gerngesehenes Motiv in Deutschland.

 


Seit April Korrespondentin im Silicon Valley: Britta Weddeling.

 

 

Vor Ort im kreativsten Tal der Welt

Den Abschluss bildete Britta Weddeling. Die IT-Reporterin wechselte in diesem Frühjahr vom „Focus“ zum „Handelsblatt“ und berichtet seit April als Korrespondentin aus dem Silicon Valley.

In einem sehr persönlichem Vortrag schilderte sie ihre Eindrücke, ihre Erfahrungen mit Einsteigerunternehmen – sog enannten Startups – und zeigte, was Google im kommenden Jahr auf den Markt bringt. „In San Francisco zu leben, weckt ein ganz besonderes Gefühl von Zusammenhalt“, erzählte sie, während sie Privatfotos zeigte, die den Anwesenden einen Einblick in das Leben eines Korrespondenten gewährten.

Technikinsteressierte aus dem Publikum staunten nicht schlecht über die Fotos aus dem Google-Hauptquartier.

Glühwein und Currywurst

Zahlreiche Fragen über die neusten Innovationen der Internet-Giganten Google, Facebook und Twitter beantwortete Weddeling anschließend geduldig, ehe Chefredakteur Jakob noch auf die internationale Ausgabe des „Handelsblatts“ verwies und den Teilnehmern viel Spaß bei persönlichen Gesprächen im Innenhof wünschte. Bei Glühwein und Currywurst wurde bis spät in die Nacht auch mit den Korrespondenten geplaudert, Fragen gestellt und Ausblicke auf 2015 gewagt. Das Feedback war positiv. „Ich bin heute Abend in meinem Wunsch, Korrespondentin zu werden, ausschließlich bestärkt worden“, verriet die Journalismusstudentin Alicia Theisen (20) nach dem Dialog.

Auch „Handelsblatt“-Leser Hans-Jürgen Schmiedebach (58) war angetan: „Es ist interessant, zu sehen, wie die Korrespondenten leben und zu erfahren, was sie bewegt. Die Auswahl der Themen hat mir auch sehr gut gefallen. Ein rundum gelungener Jahresrückblick.“

Robin Rittinghaus