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Wie ein Anwalt das Statement von Axel Springer zur Reichelt-Untersuchung liest

Wie ein Anwalt das Statement von Axel Springer zur Reichelt-Untersuchung liest Twitter-Post eines Anwalts zum Axel-Springer-Statement

Übermedien-Gründer Stefan Niggemeier weist in seinem Newsletter auf eine interessante Stimme zum Fall Julian Reichelt hin. Ein Anwalt, der Legal, Compliance & IR in einem börsennotierten Unternehmen verantwortet, hat das von Edda Fels am Samstag verschickte Axel-Springer-Statement interpretiert – und sieht darin Signale, die nichts Gutes für Reichelt bedeuten.

Berlin – „Als jemand, der Legal, Compliance & IR in einem börsennotierten Unternehmen verantwortet, kann ich aus fachlicher Sicht aber eben auch sagen – das Statement ist sehr gut formuliert. Und an Reichelts Stelle machte ich mir Sorgen“, schreibt der Anwalt auf Twitter.

 

Weiter heißt es: Und um ein grundlegendes Missverständnis auszuräumen – das Statement ist – so meine ich – eben nicht primär ein politisches, sondern vor allem ein Governance Statement der Konzernleitung. Auf dieses Statement kann sich der Konzern immer zurückziehen. Das ist clever.

 

Und warum machte ich mir Sorgen? Die kleinen Signale. Das, was eben nicht gesagt wird. Kein Ausdruck des Vertrauens, kein „Der Bitte sind wir im Interesse von Redaktion, Verlag und Aktionären gerne nachgekommen“, sondern ein „ist erfolgt“. Das Eingeständnis, dass Hinweise vorliegen und diese sogar"„konkret“ sind. Sie müssen die „Glaubwürdigkeit und Integrität“ aller Beteiligten bewerten, also auch von JR? Wenn ich nicht komplett falsch liege, wird es keine Rückkehr geben. Und dann wird es eine Erklärung geben, dass man sich einvernehmlich trennen werde, um die Kontinuität in der redaktionellen Arbeit unbeeinträchtigt sicherzustellen. Die Integrität des Arbeitsumfeldes habe bei Axel Springer höchste Bedeutung, usw.“

 

Stefan Niggemeier hat in seinem Übermedien-Newsletter vom Sonntag nicht nur auf den twitternden Anwalt hingewiesen, sondern er zitiert auch Alexander von Schönburg, Mitglied der Chefredaktion von „Bild“. Dieser habe in einem internen Chat zur vorläufen Freistellung von Julian Reichelt formuliert, dass dieser Schritt sicherstelle, dass die Redaktion in den nächsten Tagen in Ruhe („ohne Dauerbeschuss“) arbeiten könne. Und in ein paar Tagen sei der Alptraum vorbei. Schönburg schließt seine Nachricht an Reichelt mit den Worten: „So, see you in few days, J!“

 

Hintergrund

Am Samstagabend hatte Axel Springer mitgeteilt, dass Julian Reichelt, Vorsitzender der „Bild“-Chefredaktionen und Sprecher der „Bild“-Geschäftsführung, die Vorwürfe in der laufenden Compliance-Untersuchung weiter entschieden zurückweist.

 

Um eine ungestörte Aufklärung sicherzustellen und die Arbeit der Redaktion nicht weiter zu belasten, hat Reichelt den Axel-Springer-Vorstand darum gebeten, bis zur Klärung der Vorwürfe befristet von seinen Funktionen freigestellt zu werden. Die Freistellung ist inzwischen erfolgt, teilte Axel Springer am Samstagabend mit.

 

Die Führung der Redaktion übernimmt für diesen Zeitraum Alexandra Würzbach, Chefredakteurin Bild am Sonntag und Mitglied der Chefredaktion der Bild-Gruppe. Mehr über Alexandra Würzbach.

In einer internen Nachricht an sein Team erklärt Reichelt seine Entscheidung.

„,Bild‘ und die Menschen bei ,Bild‘ sind mein Leben. Ich habe immer alles dafür getan, dass es ,Bild‘, dass es uns gut geht, und das tue ich auch heute, auch wenn es mir unendlich schwerfällt. Deswegen habe ich den Vorstand gebeten, mich vorerst zu beurlauben, um dazu beizutragen, unangreifbare Aufklärung zu betreiben und die Vorwürfe zu prüfen, die gegen mich erhoben wurden. Die Vorwürfe sind falsch. Ich werde mich gegen die wehren, die mich vernichten wollen, weil ihnen ,Bild‘ und alles, wofür wir stehen, nicht gefällt. Die über mich schreiben, ohne mich vorher anzuhören, weil meine Antworten ihnen noch nie gepasst haben. Euch, all unseren großartigen Reporterinnen und Reportern sage ich, dass ich nur eine Priorität habe: Die unwahren Vorwürfe gegen mich zu entkräften, ohne die Arbeit, die sie jeden Tag und oft unter großen Risiken leisten, zu belasten.“

 

In einer Stellungnahme von Axel Springer heißt es weiter

„Die Axel Springer SE untersucht derzeit Hinweise auf mögliche Compliance-Verstöße innerhalb der ,Bild‘-Redaktion. Um eine sowohl zügige als auch sorgfältige unabhängige Aufklärung sicherzustellen, hat das interne Compliance-Management externe Experten hinzugezogen. Hierbei wird ergebnisoffen in alle Richtungen recherchiert und die Glaubwürdigkeit und Integrität aller Beteiligten bewertet. Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Daher wird das Unternehmen derzeit keine weiteren Angaben zum Verfahren und zum Gegenstand der Vorwürfe machen.

 

Axel Springer hat immer und sehr grundsätzlich zu unterscheiden zwischen Gerüchten, Hinweisen und Beweisen. Wenn aus Gerüchten über andere Personen konkrete Hinweise von Betroffenen selbst werden, beginnt das Unternehmen – wie im aktuellen Fall – sofort mit der Aufklärungsarbeit. Wenn aus Hinweisen Beweise werden, handelt der Vorstand. Diese Beweise gibt es bisher nicht. Auf Basis von Gerüchten Vorverurteilungen vorzunehmen, ist in der Unternehmenskultur von Axel Springer undenkbar.“