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Newsroom – Henning Kornfeld

Zoff im Norden: Wie sich „Nordwest-Zeitung“ und „Ostfriesen-Zeitung“ streiten

Zoff im Norden: Wie sich „Nordwest-Zeitung“ und „Ostfriesen-Zeitung“ streiten Harald Grönke und Robert Dunkmann

Die „Nordwest-Zeitung“ ist ins benachbarte Ostfriesland expandiert. Jetzt schlagen die Wellen hoch. Was „Hägar, der Schreckliche“ damit zu tun hat.

Oldenburg – Die „Nordwest-Zeitung“ ist im September 2020 mit einer digitalen Ausgabe ins benachbarte Ostfriesland expandiert. Das hat zum Streit mit der Zeitungsgruppe Ostfriesland geführt. Jetzt schlagen die Wellen noch höher. „kress pro“ über die „Rückkehr der Zeitungskrieger“: 

Da war beispielsweise, im Januar vergangenen Jahres, diese Sache mit „Hägar, dem Schrecklichen“: Joachim Braun, Chefredakteur der „Ostfriesen-Zeitung“ („OZ“), informierte seine Leser damals betrübt darüber, dass sie in Zukunft auf den täglichen Cartoon mit dem rotbärtigen Wikinger verzichten müssten. Der Grund dafür sei eine E-Mail aus der Chefredaktion der „Nordwest-Zeitung“ („NWZ“) aus Oldenburg, die auf exklusive Veröffentlichungsrechte für „Hägar“ im Nordwesten gepocht habe.

 

Der Hintergrund: Bis Ende 2019 hatte die „Ostfriesen-Zeitung“ ihren Mantel, den Cartoon inklusive, von der „NWZ“ bezogen, doch zum Jahreswechsel endete diese Kooperation. Braun wollte den beliebten Wikinger nicht aufgeben und machte kurzerhand selbst einen Vertrag mit der „Hägar“-Agentur. Die Intervention der „Nordwest-Zeitung“ bedeutete dann aber das endgültige Aus für den Comic in der „Ostfriesen-Zeitung“. In seinem Artikel „in eigener Sache“ warf der Chefredakteur den „Kollegen“ aus Oldenburg daraufhin einen „kleinlichen, unfreundlichen Akt“ vor.

 

Die Kabbelei um „Hägar, den Schrecklichen“ ist nur eine Facette einer Auseinandersetzung zwischen norddeutschen Zeitungshäusern, die sich einige Monate später zu einem handfesten Streit auswuchs: Im September 2020 drang die „NWZ“ mit einer eigenen Ausgabe in die Reviere der Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO), des Verlags der „OZ“, sowie weiterer ostfriesischer Verlage ein. Manche Beobachter sprechen sogar von einem „Zeitungskrieg“ – eine Reminiszenz an die heftige Auseinandersetzung zwischen etablierten deutschen Verlagen und Gratiszeitungen aus Skandinavien zur Jahrtausendwende in Köln.

 

Ein publizistischer Wettbewerb wie jetzt in Ostfriesland ist selten geworden in einer Zeit, in der regionale Zeitungsverlage angesichts ihres schrumpfenden Kerngeschäfts eher nach Kooperationsmöglichkeiten mit ihren Nachbarn statt nach Streit mit ihnen suchen. Bemerkenswert ist der Vorstoß der Oldenburger zudem deswegen, weil ihre Ostfriesland-Ausgabe im Kern ein digitales Produkt ist. Sie erscheint mittlerweile zwar auch gedruckt in Kiosken in Aurich, Norden oder Leer, aber das ist nur Beiwerk. Im Mittelpunkt stehen das E-Paper sowie das (kostenpflichtige) Nachrichtenangebot auf der Website nwzonline.de und in der App der NWZ.

 

Für die Ostfriesland-Ausgabe ist redaktionell ein Team bei der „Emder Zeitung“ zuständig, einer Tochter der Nordwest Mediengruppe. In Emden wurden Ressourcen dafür frei, als die Zeitung im Frühjahr 2020 ihren Status als Vollredaktion und ihre weitgehende Autonomie gegenüber der Zentrale in Oldenburg einbüßte.

 

Di „NWZ“ begründet die Digitaloffensive nach Ostfriesland damit, dass das Paid-Content-Angebot vieler Platzhirsche dort noch nicht weit entwickelt sei und sich daher eine Chance fürs eigene Haus ergebe. Weitere Auskünfte gibt sie derzeit nicht: Geschäftsführer Harold Grönke will sich auf Anfrage zu den Motiven für die Expansion, ihren Verlauf und den Streit mit der Konkurrenz nicht äußern.

 

Seine Gegenspieler nehmen hingegen kein Blatt vor den Mund. Sie interpretieren den Start der Ostfriesland-Ausgabe nicht als normalen Wettbewerb, sondern als Dominanzgeste eines machtbewussten Managers, der es höchst verdrießlich findet, dass kleinere Verlage nicht nach seiner Pfeife tanzen wollen. „Das erklärte Ziel der Oldenburger ist es, Ostfriesland zurückzuerobern“, sagt Robert Dunkmann, der geschäftsführende Gesellschafter der ZGO. „Dieser Versuch ignoriert die Mentalität der Ostfriesen und ist völlig aus der Zeit gefallen.“ Die wahren Konkurrenten der Verlage seien heutzutage nämlich Digitalriesen wie Facebook und Google.

 

Die Deutung der Ostfriesland-Expansion als persönlich motiviert findet unter Kennern des dortigen Marktes viel Zuspruch, wobei einige allerdings auch Grönkes Kontrahenten Dunkmann selbst in den Blick nehmen. Der ZGO-Chef, bis September auch Vorsitzender des Verbands Deutscher Lokalzeitungen, gilt ebenfalls als stur und eigensinnig, als jemand, zu dessen Selbstverständnis es nicht gehört, ein scheues Reh zu sein und einer Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Mit seinem Wort von der „Rückeroberung“ Ostfrieslands spielt er auf die gemeinsamen Wurzeln der Kontrahenten von heute an.

 

Zur kompletten „kress pro“-Story „Die Rückkehr der Zeitungskrieger“