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Newsroom – Rupert Sommer

Zu wenig konservative Stimmen: Wie die ARD das Meinungsspektrum in den Nachrichten ändern möchte

Zu wenig konservative Stimmen: Wie die ARD das Meinungsspektrum in den Nachrichten ändern möchte Helge Fuhst (Foto: NDR/Nadine Rupp)

Helge Fuhst, Zweiter Chefredakteur von ARD-aktuell, regt an, mehr jüngere Gesichter für Kommentare in den Nachrichten zu gewinnen - und ein breiteres Spektrum der Stoßrichtungen. „Wir dürfen in den ,Tagesthemen‘ nicht den Eindruck erwecken, dass wir die Menschen missionieren wollen.“ Wie er das ändern möchte.

Berlin – Hintergrund für ein Interview des Medienjournalisten Christian Meier mit Fuhst in der Springer-Zeitung „Welt“ ist die Einführung der neuen Pro & Contra-Rubrik in den „Tagesthemen“. Am Montagabend präsentierten die Hauptnachrichten rund um das Reizthema Schulöffnung gleichberechtigt zwei gegenteilige Stimmen von Kristin Schwietzer vom MDR sowie von Tom Schneider vom HR.

 

Die Stücke, die früher unter der Rubrik „Kommentar“ geführt wurden, tragen ohnehin schon seit einiger Zeit in den ARD-Nachrichten den Namen „Meinung“, um anzuzeigen, dass es nicht nur eine mögliche Sichtweise gibt.

 

„Wir wollen die Meinungsvielfalt und das Meinungsspektrum in den ,Tagesthemen‘ stärken“, sagt Helge Fuhst nun im „Welt“-Gespräch. „Denn es gibt die unterschiedlichsten Meinungen bei uns in der ARD. Wir müssen sie nur noch sichtbarer machen.“

 

Veränderungsdruck kommt dabei offenbar auch durch die vielen Rückmeldungen von außen. „Die Zuschauerinnen und Zuschauer teilen uns ungeschminkt mit, wie sie unsere Arbeit finden“, berichtet Fuhst. „Was wir zur Meinungsrubrik in den ,Tagesthemen‘ oft hören, ist der Wunsch nach einer größeren Meinungsvielfalt.“

 

In der Wahrnehmung der Kritiker verfolgten die ARD-Nachrichten dabei angeblich oft eine Art innere Agenda, die es aber nicht gebe. Als Beispiel führt Helge Fuhst die vielen Kommentare rund um das Thema Klimawandel an, die 2019 – noch vor den vielen Corona-Kommentaren – das Ranking der besprochenen Themen anführte. „Viele Zuschauerinnen und Zuschauer haben uns auf der Seite der Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten gesehen“, so Fuhst. „Doch es gibt in der ARD natürlich auch die Meinung, dass nicht alle Aktionen der Aktivisten gut waren, oder die Frage, ob die Ansprache von Greta mit ,How dare you‘ zielführend ist. Als öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist es aus meiner Sicht immer unser Ziel, die Gesellschaft insgesamt zusammenzuhalten. Auch mit unterschiedlichen Perspektiven.“

 

Seine Forderung lautet: „Wir dürfen in den ,Tagesthemen‘ nicht den Eindruck erwecken, dass wir die Menschen missionieren wollen. Wir geben Einschätzungen und Denkanstöße.“

 

Daher möchte der Zweite Chefredakteur daran mitwirken, die Meinungspluralität bei den „Tagesthemen“ weiter zu stärken. „Was uns beispielsweise noch gut tun würde, sind jüngere Gesichter. Wie blickt jemand mit Mitte 20 auf das Weltgeschehen?“, sagt Fuhst in dem „Welt“-Interview. „Ich selbst bin mit meinen verhältnismäßig jungen 36 Jahren ja auch noch eine Ausnahme als Chefredakteur. Ich bin optimistisch und gehe davon aus, dass die Auswahl der Kommentatorinnen und Kommentatoren sich weiter verändert und immer diverser wird.“

 

Aus der Resonanz der Zuschauer hört er, dass es angeblich eine große „Sehnsucht nach liberalen und konservativen Identifikationsfiguren“ gibt. „Das bekommen wir als Rückmeldung“. Trotz durchaus konservativer Kommentare, etwa zu sicherheitspolitischen oder Polizei-Themen, die Helge Fuhst anführt, wird das Meinungsspektrum der ARD-Nachrichten allerdings oft anders wahrgenommen.

 

„Womöglich gibt es zurzeit tatsächlich zu wenig konservative Stimmen, die öffentlich wahrgenommen werden“, sagt Helge Fuhst. „Wenn es um das Vertrauen der Zuschauerinnen und Zuschauer geht, ist allerdings ein anderer Punkt entscheidender: dass wir uns nicht immer in den Mainstream einreihen, sondern immer wieder andere, überraschende Meinungen als Denkanstöße geben“.

 

Zur Person: Helge Fuhst ist seit Oktober 2019 Zweiter Chefredakteur von ARD-aktuell und ist damit für die „Tagesthemen“ und die „Tagesschau“ mitverantwortlich. Zuletzt hat er auch die Rubrik „Tagesthemen mittendrin“ eingeführt. 2018/2019 leitete der promovierte Politikwissenschaftler den Ereignissender Phoenix von ARD und ZDF.