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Richtig schreiben für Journalistinnen und Journalisten: Präsens gegen Präsenz

Richtig schreiben für Journalistinnen und Journalisten: Präsens gegen Präsenz Stephan Töngi gibt Sprachtipps für Journalisten.

„Vorsicht, Sprachfalle!“ Teil 94: Stephan Töngi erklärt, warum mal ein -s, mal ein -z am Ende steht.

Mannheim –  Zu den Wörtern, die in der Corona-Epidemie eine steile Karriere hingelegt haben, gehört das weibliche Substantiv „Präsenz“. Es genügt, von Präsenzunterricht zu reden oder schreiben, und schon setzt bei Bildungspolitikern, Kultusministern, Lehrern und Eltern schulpflichtiger Kinder die negativ besetzte Erinnerung an so manches Hü und Hott um geschlossene Schulen und Homeoffice ein. 

 

  • „Präsenz“ stammt vom lateinischen Substantiv „praesentia“ für Anwesenheit ab. In seiner zweiten Bedeutung steht das Wort für körperliche Ausstrahlung. 

Geläufig dürften auch die zusammengesetzten Begriffe Präsenzliste (Anwesenheitsliste) oder Präsenzbibliothek (hier dürfen keine Bücher ausgeliehen, sondern nur gelesen werden) sein. 

  • Die unterschiedliche Ableitung sorgt dafür, dass es auch das Neutrum-Wort „Präsens“ gibt. Denn das „Präsens“ stammt vom lateinischen Partizip „praesens“ = gegenwärtig, jetzig ab. Dieser Begriff ist auch aus der Grammatik bekannt, wo er die gegenwärtige Zeitform (ich spiele, du spielst, er spielt …) wiedergibt. 


Nach dem Muster von „Präsens“ haben sich auch „Dissens“ und „Konsens“ herausgebildet. 
„Essenz“ wiederum kommt von „essentia“ = Wesen, Substanz und läuft wie „Präsenz“. 

Gewichtiger Unterschied: „Präsens“ wird auf der ersten Silbe betont, „Präsenz“ auf der zweiten. 

Der Vollständigkeit halber: 

Im Deutschen kennen wir auch noch die ebenfalls aus dem Lateinischen stammenden Begriffe 

  • das Substantiv „Präsent“ (Betonung auf der zweiten Silbe) = Geschenk (vgl. dazu das englische Wort „present“, Betonung auf der ersten Silbe)   

sowie 

  • das Adjektiv „präsent“ = anwesend, gegenwärtig (Zitat aus der „Süddeutschen Zeitung“: „Maxim Biller ist ... einer der präsentesten Schriftsteller der Gegenwart“). 

 

Die nächste Sprachfalle kommt mit einem besonderen Flair daher.
Die vorherige Sprachfalle trennte „spucken“ und „spuken“  

 

Stephan Töngi ist beim „Mannheimer Morgen“ für die Qualitätssicherung zuständig. Zuvor arbeitete er in der Politikredaktion als Redakteur sowie stellvertretender Ressortleiter. Bei seiner Tätigkeit begegnen ihm typische Schreib-, Grammatik- und Zeichensetzungsfehler. Mit seiner wöchentlichen Kolumne möchte er Kolleginnen und Kollegen davor bewahren, in die Fallen der deutschen Sprache zu tappen.


Zum Thema „Besser Schreiben“ sind im Medienfachverlag Oberauer die „Journalisten-Werkstätten“ „Kreatives Schreiben“, „Titel und Teaser“, „Wie Wörter wirken“, „Wie Sätze wirken“, „Wie Texte wirken“ erschienen.