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Richtig schreiben für Journalistinnen und Journalisten: Un- ist nicht über-

Richtig schreiben für Journalistinnen und Journalisten: Un- ist nicht über- Stephan Töngi gibt Sprachtipps für Journalistinnen und Journalisten.

„Vorsicht, Sprachfalle!“ Teil 108: Stephan Töngi weist auf den Unterschied zwischen un- und übermenschlich.

Mannheim – Der Sommer 2021 hat seine Unschuld verloren: die anhaltende Corona-Pandemie, der Klimawandel mit den verheerenden Waldbränden, Hitzerekorde an vielen Punkten der Erde. Und dann noch die Flutkatastrophe im Ahrtal, die weit über 100 Menschen das Leben und vielen Überlebenden ihr Hab und Gut nahm. 

 

In den Berichten rund um das Jahrhunderthochwasser ist mir ein Fehler begegnet, der etwas völlig anderes ausdrückt, als der Sprecher sagen will. 

 

So wurde ein Passant in einer Zeitung mit dem Satz zitiert, die Helfer im Ahrtal leisteten „Unmenschliches“.


Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl drückte sich bei der Verabschiedung von Helfern in Richtung Rheinland-Pfalz anders aus: „Die Einsatzkräfte im Katastrophengebiet leisten wahrhaft Übermenschliches.“

 

Worauf es ankommt, dürfte schnell klar sein:
Der hier jeweils passende Begriff „übermenschlich“ drückt etwas aus, was die Grenze dessen übersteigt, was ein Mensch leisten kann: übermenschliche Anstrengungen also. 


Davon kann man angesichts der aufopferungsvollen Hilfe nach der Flut in der Tat sprechen. 

„Unmenschlich“ hingegen beschreibt eine grausame Prägung oder Handlung, etwa bei einem Diktator, einem Kriminellen, bei militärischem Vorgehen. Die Vorsilbe un- verneint die Eigenschaft, die angehängt wird: unsauber, unvorstellbar, unabsehbar …

 

Die Vorsilbe über- besagt dagegen, dass die damit verbundene Eigenschaft ihren Urzustand übertrifft: übervorsichtig, überbehütet, überdeutlich …

 

Passend zum Thema un-/über- hat mir Lothar Matthäus, Fußball-Experte und Deutschlands Rekordnationalspieler, ein Beispiel geliefert, das Sie gerne einordnen dürfen:
„Für Erling Haalands Leistung gegen Frankfurt finde ich kaum die passenden Worte“, sagte Matthäus nach dem 5:2 von Borussia Dortmund gegen Eintracht Frankfurt am 1. Spieltag der Bundesligasaison 2021/22. „Das war unmenschlich und überirdisch."  

 

In Sprachfalle 109 geht’s um starke und schwache Verben.

Sprachfalle 107 beschäftigte sich mit einer Verwechslung – der von „launig“ mit „launisch“.  

 

Stephan Töngi war beim „Mannheimer Morgen“ zuletzt für die Qualitätssicherung zuständig. Zuvor arbeitete er als Redakteur, später stellvertretender Ressortleiter in der Politikredaktion. Bei seiner Tätigkeit begegneten ihm typische Schreib-, Grammatik- und Zeichensetzungsfehler. Mit seiner wöchentlichen Kolumne möchte er Kolleginnen und Kollegen davor bewahren, in die Fallen der deutschen Sprache zu tappen.

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