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Angestellt oder selbstständig? 8 Kriterien, nach denen Medienprofis sich entscheiden sollten

Angestellt oder selbstständig? 8 Kriterien, nach denen Medienprofis sich entscheiden sollten Attila Albert

Eine Selbstständigkeit ist nur für zehn Prozent der Berufstätigen eine echte Option, und das ist völlig in Ordnung. Nebenberuflich kann sie dagegen für viele mehr interessant sein. Mediencoach Attila Albert sagt, woran Sie erkennen, ob Sie unternehmerisch denken und handeln können.

Berlin – Ein Redakteur hatte vor zehn Jahren seine Stelle verloren, nichts wieder im Journalismus gefunden und arbeitete seitdem als Pressesprecher. Besonders glücklich war er damit nicht. Die Themen des Unternehmens interessierten ihn wenig, sein Gehalt stagnierte, und er wollte wieder journalistisch recherchieren und schreiben. Bewerbungen bei Verlagen blieben aber erfolglos. So überlegte er, sich als Fachjournalist selbstständig zu machen. Nur war er nicht sicher, ob er – verheiratet, zwei Kinder – das überhaupt riskieren konnte und sollte.

 

Regelmäßig begleite ich angestellte Medienprofis, die oft seit langem über eine mögliche Selbstständigkeit nachdenken (z. B. als Content- oder PR-Experten, Berater oder Coaches oder auch in anderen Branchen). Viele reizt die Vorstellung des selbstbestimmten Arbeitens. Aber nach allen Abwägungen ist das für die meisten nicht der beste Weg. Seit Jahrzehnten arbeitet nur etwa jeder zehnte Berufstätige selbstständig, obwohl jeder die Möglichkeit dazu hätte. Angestellt zu sein ist das Modell, das für 90 Prozent insgesamt passt.

 

Eine Mischform ist dagegen für viele mehr attraktiv: Weiter angestellt, aber in Teilzeit, was der Arbeitgeber nach sechs Monaten Vertragsdauer im Normalfall nicht verweigern kann (siehe Teilzeit- und Befristungsgesetz, §§ 6 und 8 sowie zum Vorgehen § 9). Daneben selbstständig zu 20 Prozent (ein Arbeitstag pro Woche) oder 40 Prozent (zwei Arbeitstage). Das erlaubt ein Ausprobieren mit wenig Risiko, ein eigenes spannendes Projekt und einen Nebenverdienst, um das reduzierte Einkommen mindestens wieder auszugleichen.

 

Damit das funktioniert – und Sie später nicht nur die freien Tage vertrödeln und Geld verlieren – müssen Sie dann aber unternehmerisch denken. Anhand der folgenden Kriterien können Sie entscheiden, ob Sie sich darauf einlassen könnten und wollten.

 

1. Für Sie zählt immer das Ergebnis

Als Angestellter werden Sie für Ihre Arbeitszeit bezahlt. Das Gehalt kommt, wie der Monat auch lief. Das unternehmerische Ergebnis betrifft Sie höchstens indirekt und begrenzt, wenn Sie erfolgsabhängige Gehaltsanteile (Prämie, Tantiemen) haben – selten mehr als zehn Prozent. Sind Sie selbstständig, zählen zu 100 Prozent Ihre Ergebnisse, unabhängig von Ihrer Arbeitszeit: Finden Sie genügend zahlungswillige und -fähige Kunden, erzielen Sie ausreichende Umsätze und Gewinne? Sie müssen sich also davon lösen können, dass Absichten, Wünsche, Bemühungen viel bedeuten. Die Ergebnisse sind relevant.

 

2. Sie sind bereit, Verantwortung zu übernehmen

Medienhäuser, Agenturen und Marketing-Einheiten innerhalb eines Unternehmens sind wegen ihrer Größe arbeitsteilig organisiert. Das bedeutet, dass die meisten Mitarbeiter nur für einen – oft sehr kleinen – Teil verantwortlich sind. Als Selbstständiger tragen Sie für alles die Verantwortung, auch wenn Sie einmal nicht mehr alles erledigen, sondern einige Aufgaben weitergeben (z. B. Buchhaltung, Betreuung Ihrer Webseite). Das gibt Ihnen die Freiheit zu entscheiden. Aber Sie können für Versäumnisse und Fehler nicht mehr Ihren Arbeitgeber oder Chef verantwortlich machen, sondern bleiben immer zuständig.

 

3. Entscheidungen fallen Ihnen nicht schwer

Für Angestellte entscheiden andere das meiste: Was gemacht wird und wie, woran der Erfolg gemessen wird. Auch die Arbeitsumstände stehen fest – von der Büroauswahl und -einrichtung bis zur IT-Ausstattung. Sind Sie selbstständig, können Sie alles selbst entscheiden, müssen das aber auch. Was wollen Sie anbieten, für wen, zu welchen Preisen und Zeiten? Arbeiten Sie von daheim, in einem Coworking-Space oder in einem gemieteten Büro? Microsoft Office oder Google Workspace? Welche Kunden wollen Sie, welche nicht? Sie müssen also gern, sicher und ohne ewiges Zögern entscheiden können.

 

4. Sie erledigen, was getan werden muss

Manches kann man als Angestellter auch mal liegen lassen, wenn Sie nicht gerade in der Tagesproduktion arbeiten. Auf die nächste Woche verschieben, die Zeit nach dem Urlaub. Bei Bedarf können ja immer noch die Kollegen einspringen, soll der Chef sagen, was er will. Für Ihren Erfolg als Selbstständiger ist es zwingend, dass Sie fortlaufend das Notwendige umsetzen: Marketing-Texte schreiben. Webseite einrichten, potenzielle Kunden ansprechen, Aufträge umsetzen, Rechnungen verschicken. Nicht nur „darüber nachdenken“, kein „bin noch nicht ganz sicher“ – sondern kräftig wegarbeiten.

 

5. Ihr Arbeitsstil ist strukturiert

Angestellten ist auch bereits eine organisatorische Struktur vorgegeben, Redaktions- bzw. Bürozeiten, Konferenzen, Zuständigkeiten, Abgabefristen und vieles mehr. Darüber ärgert man sich oft, merkt aber, wie wichtig sie ist, wenn man es einmal nicht mehr hat (z. B. bei Homeoffice, Arbeitslosigkeit). Als Selbstständiger müssen Sie sich diese Struktur selbst geben, wenn Sie nicht völlig versacken wollen. Wenn es zu Ihrer Geschäftsidee passt, können Sie zu Ihren Wunschzeiten arbeiten oder vom Ausland aus. Aber Sie brauchen eine Aufgaben- und Zeitplanung, meistens auch eine detaillierte Projektplanung.

 

6. Sie können Risiken aushalten

Jedes Lebensmodell hat seine Risiken, doch mit einem Arbeitsvertrag sind insbesondere die finanziellen stark reduziert. Jeden Monat kommt das Gehalt, aber auch Zuschüsse für Ihre Versicherungen (u.a. gegen Krankheit, Arbeitslosigkeit, Pflegebedarf, für die Rente). Das ist im Normalfall sicher, und Sie werden auch nicht viel darüber nachdenken, ob Ihr Arbeitgeber genügend Umsatz erzielt, um Sie bezahlen zu können. Als Unternehmer sind Sie für all das zuständig, immer Unklarheiten und Unsicherheiten direkt ausgesetzt. Das müssen Sie aushalten können. Durch eine vernünftige Finanzplanung, aber auch innere Stärke.

 

7. Ihnen fällt immer etwas ein

In Unternehmen wird zwar viel davon geredet, dass man chancen- und lösungsorientiert sein wolle. Aber für den Einzelnen ist das in großen, arbeitsteiligen Organisationen nur begrenzt möglich, damit das Ganze funktioniert. Als Selbstständiger brauchen Sie dagegen ständig kreative Ideen und Lösungen. Ein Bekannter erzählt von einem Problem? Vielleicht können Sie ihm etwas anbieten, das ihm helfen würde und Ihnen Umsatz bringt, auch wenn Sie diese Leistung bisher noch nicht anbieten. Ein bestimmtes Angebot läuft nicht? Dann überlegen Sie, was die erfolgreichere Alternative sein wird. Ihre Webseite ist veraltet? Dann denken Sie über ein moderneres Konzept nach.

 

8. Ihr Geschäft ist Ihre Priorität

Jeder hat unzählige Verpflichtungen und Wünsche, muss sich um Partner und Familie kümmern, träumt vom nächsten Urlaub und denkt sich, dass diese oder jede Weiterbildung auch interessant sein könnte. Schon als Angestellter müssen Sie viele Abstriche machen, können mit einer 35- bis 40-Stunden-Woche aber noch vieles angehen. Als Selbstständiger arbeiten Sie mehr – weil Sie neben der Auftragsumsetzung ja noch alles andere erledigen müssen – und tragen die Verantwortung. Ihr Unternehmen muss deshalb in den Top 3 Ihrer Prioritäten sein und alles andere zurückstehen, und zwar im Grunde so lange, wie Sie aktiv sind. Daher sollten Sie unbedingt etwas wählen, das Sie gern tun.

 

Eine neben- oder hauptberufliche Selbstständigkeit ist ständiges praktisches Lernen, direktes Ausprobieren und fortlaufendes Anpassen an Kunden und Umstände. In vielen Aspekten denken Unternehmer komplementär zu Angestellten, auch wenn es immer beide braucht So kann es reizvoll sein, diese unterschiedlichen Seiten auszuprobieren oder für sich miteinander zu kombinieren. Wenn Sie darüber nachdenken, können Sie direkt mit dem ersten Schritt beginnen: Schreiben Sie Ihre ungefähre Geschäftsidee auf einem A4-Blatt nieder: Was würden Sie anbieten und wem, welches Problem lösen Sie damit, warum sollte man bei Ihnen kaufen? Dabei werden Ihnen viele Fragen kommen, aber vielleicht auch Begeisterung und der Entschluß, es nun jedoch tatsächlich anzugehen.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Chefs mit geringem Gehalt

 

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.