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Angst, Wut und Albträume: Wenn Journalistinnen und Journalisten sicher sind, dass ihr Chef sie hasst

Angst, Wut und Albträume: Wenn Journalistinnen und Journalisten sicher sind, dass ihr Chef sie hasst Mediencoach Attila Albert

Manche Medienprofis fürchten jede Begegnung mit ihrem Chef, haben Wut auf ihn oder träumen schlecht von ihm. Sie sind sicher, dass er sie grundsätzlich ablehnt oder sogar hasst. Mediencoach Attila Albert erläutert in seiner neuen Job-Kolumne wichtige Schritte, um die belastende Situation zu klären und sich daraus zu befreien.

Berlin – Eine Nachrichtenredakteurin fühlte sich von ihrer Ressortleiterin systematisch drangsaliert. Ihre Artikel kamen immer wieder zur Überarbeitung zurück, wenn die Chefin redigierte, während ihre Vertreterin sie ohne große Änderungen freigab. In Themenkonferenzen hatte die Redakteurin den Eindruck, dass bei ihr besonders kritisch nachgefragt und oft spitz kommentiert wurde. Mehrmals bekam sie einen anderen Arbeitsplatz im Team und auch einen anderen Schreibtisch zugewiesen, ohne dass sie vorher gefragt wurde."„Das ist eine richtige Hexe, ein ganz böser Mensch“, meinte sie über ihre Chefin. „Sie hasst mich.“

 

Der stellvertretende Chefredakteur einer Zentralredaktion war stolz auf seinen Job, aber enorm belastet durch den hohen Erfolgsdruck seines Herausgebers. Nie schienen seine Themen, die Zahlen oder sein generelles Auftreten gut genug. Er fürchtete ihre Meetings so sehr, dass ihm davor oft körperlich übel war. Regelmäßig träumte er schlecht von seinem Vorgesetzten, dass er etwa zu spät oder unvorbereitet bei ihm auftauchte, was real nie vorkam. „So viel Angst hatte ich zuletzt in der Schulzeit vor manchen Lehrern. Ich weiß nicht, was er gegen mich hat.“ Er wollte kündigen, wusste aber bisher keine Alternative.

 

Der Eindruck, vom Chef wirklich gehasst zu werden, kommt manchem Medienprofi. Auf allen Hierarchie-Ebenen. Auch Chefredakteure, Geschäftsführer oder sogar Vorstände haben Vorgesetzte, zu denen die Beziehung problematisch sein kann. Dabei reden wir nicht von Fällen, die eindeutig zum Personal- und Betriebsrat oder Anwalt gehören. Sondern von einem Gefühl der grundsätzlichen Ablehnung, das sich oft nur schwer an konkreten, eindeutig persönlich gemeinten Äußerungen und Vorkommnissen festmachen lässt. Wie umgehen mit solch einer Situation?

 

Zunächst: Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass Ihr Chef Sie wirklich als Mensch „hasst“, aber durchaus möglich. Natürlich treffen im Berufsleben oft Menschen aufeinander, die einander eigentlich fremd sind und die privat keine Minute zusammen verbringen würden. Manchmal gab es auch ein Vorkommnis, dass die Beziehung wirklich beschädigt hat. Ein (real vorgekommenes) Beispiel: Ein Chefredakteur war mit einer Frau verheiratet, deren Ex-Partner ebenfalls in der Redaktion arbeitete und nun seinen Chef allein durch seine Präsenz täglich unangenehm daran erinnerte, dass seine Frau einmal mit ihm zusammen war.

 

Häufiger ist jedoch: Der Vorgesetzte steht selbst unter hohem Druck und hat den Eindruck, Sie würden ihn nicht ausreichend unterstützen. Manchmal hat er wirklich Grund zu dieser Annahme, wenn Ihnen etwa tatsächlich einmal (oder mehrfach) eine wichtige Recherche oder ein Projekt schief gegangen ist. Kündigen kann er Ihnen meistens nicht, muss also mit Ihrer Anwesenheit leben – und wird schwierig. In vielen Fällen ist der „Hass“ eher eine Vermutung. Auch wenn es Ihnen schwer fällt: Versuchen Sie, die Situation durch die Augen Ihres Vorgesetzten zu sehen. Wie geht es ihm und was sieht er wohl in Ihnen?

 

Je nach Einschätzung kann allein das schon Ihre Beziehung um 180 Grad drehen. Ein freundliches, offenes Gespräch, in denen Sie sich auch einmal nach der Situation und den Zwängen Ihres Vorgesetzten erkundigen, macht ihm oft klar: Er hat mit Ihnen nicht etwa einen Feind, sondern einen potentiellen Verbündeten und Unterstützer vor sich. Das muss nicht gleich zu einer Freundschaft werden. Aber schon Respekt und eine gewisse Gelassenheit auf Ihrer Seite (weil Sie wissen, dass es gar nicht um Sie persönlich geht) ersetzen die Spannung durch professionelle Sympathie.

 

Hilfreich ist es, wenn Sie eventuelle Vorkommnisse und Äußerungen für sich notieren und unbeteiligte Dritte nach ihrer Einschätzung fragen. Nicht Partner und Freunde, die per Definition auf Ihrer Seite stehen, sondern jemanden mit Branchenkenntnis. Oft lassen sich so Unklarheiten ausräumen: Ist dieses oder jenes Verhalten zwar unangenehm, aber normal bzw. branchenüblich – und was geht eindeutig zu weit? Eventuell zeigt sich bei dieser Reflektion, dass Ihnen das Unternehmensklima oder der Ton einer Redaktion grundsätzlich nicht (mehr) passt, und der Vorgesetzte das nur für Sie besonders stark repräsentiert.

 

Ernst nehmen sollten Sie derartige Spannungen auf jeden Fall. Wenn Sie sich ständig verzweifelt oder erschöpft fühlen, mit Angst zur Arbeit gehen, schlecht schlafen oder Albträume haben – dann ist das in keinem Arbeitsverhältnis auf Dauer hinzunehmen. Das sollte nicht dazu führen, dass Sie überhastet kündigen. Aber Sie emanzipieren sich bereits, wenn Sie sich mental und praktisch auf Ihren kommenden Ausstieg bzw. Wechsel vorbereiten, indem Sie sich aktiver bewerben oder an einer Selbstständigkeit arbeiten. Je freier Sie sind, desto weniger Macht hat ein Vorgesetzter über Sie.

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.

 

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