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Job in Gefahr wegen ChatGPT? Wie sich Medienprofis davor schützen

Job in Gefahr wegen ChatGPT? Wie sich Medienprofis davor schützen Attila Albert

Künstliche Intelligenz sorgt dafür, dass Stellen wegfallen. Gleichzeitig schafft sie neue Chancen. Mediencoach Attila Albert sagt, wie Sie am besten mit der aktuellen technischen Veränderung umgehen.

Berlin – Vor einigen Monaten hörte ich aus den ersten Redaktionen und Verlagsabteilungen, dass ChatGPT zum Anlass genommen wurde, weitere Stellen zu streichen. Es handelte sich vor allem um Mitarbeiter, die Marketing-Texte (z. B. Teaser, Newsletter, Social-Media-Postings, Pressemitteilungen) schrieben oder als Lektoren oder Korrektoren arbeiteten. Ihre Arbeit schien nun leicht ersetzbar, kostenlos zu erledigen durch künstliche Intelligenz. Dafür nahm man die Risiken von ChatGPT in Kauf – unklare Quellen, Faktenfehler, Plagiate.

 

Automatisch generierte Standardtexte für Sport- und Wettermeldungen, Fernsehprogramme, Veranstaltungslisten und Webstore-Texte sind schon seit Jahren üblich. Doch der Trend zur künstlichen Intelligenz hat sich weiter beschleunigt. Die Muttergesellschaft von Business Insider (Axel Springer) und andere Redaktionen in den USA warnten ihre Teams eben noch vor den Risiken von ChatGPT, drängten sie dann zur Nutzung und strichen Stellen. Der Kostendruck in den Verlagshäusern lässt das fast unausweichlich erscheinen.

 

Auch Audio-Texte, etwa für Videos und Social-Media-Clips, werden schon vielfach per Software erzeugt und gesprochen. Ein Schweizer Privatsender setzt seit Monatsanfang eine täuschend menschlich wirkende, aber computeranimierte Wettermoderatorin ein, was die Zuschauer erst nach zweieinhalb Wochen überhaupt bemerkten. Ähnlich bei den Einführungs- und Schulungsvideos, wie sie sich bei vielen Unternehmen im Intranet finden: Mancher Redner, der darin auftritt, ist heute nur noch eine automatisierte Animation.

 

Im eigenen Interesse beobachten

Vielen klassischen Medienprofis bereitet das, nach einer anfänglichen Begeisterung für die neuen Möglichkeiten der Technik, Sorgen: Werde ich dann überhaupt noch gebraucht? Im Medienmagazin von WDR 5 habe ich gerade über einige aktuelle Veränderungen des Berufsbildes gesprochen. Zusammengefasst lässt sich sagen: Veränderungen sind normal und sollten, schon im eigenen Interesse, beobachtet werden. Der Ausweg lautet: Eine Spezialisierung finden, die sich nicht leicht automatisieren und ersetzen lässt.

 

Technologische Veränderungen haben schon immer zum beruflichen Alltag von Medienprofis gehört. Ältere Journalisten erinnern sich noch, als der Lichtsatz (digitaler Aufbau von Druckseiten) den klassischen Setzer weitgehend überflüssig machte. Oder an die Einführung von Computern und später Redaktionssystemen. Mit ihnen wurden viele Aufgaben von Schlussredakteuren und Setzern dem Redakteur übertragen (z. B. Texte in der Länge anpassen, Schriften formatieren). So ging das bis heute immer weiter.

 

Selbstverständlich protestieren Betriebsräte und Gewerkschaften jedes Mal, ohne die Veränderung aufhalten zu können. Mancher ging lieber in Frührente, als noch einmal umzulernen. Wie bei allen Umbrüchen gilt: Kaum jemand ist noch von Veränderung begeistert, sobald sie einen persönlich betrifft und auch ihre Unbequemlichkeiten und Nachteile zeigt. Sehr häufig ist Veränderung aufgezwungen, anstrengend, kostet viel Zeit und Kraft. Zuerst senkt sie sogar die Produktivität, „bringt alles durcheinander‟.

 

Möglichst selbstbestimmt und vorteilhaft erleben

Generell gibt es ganz unterschiedliche Wege, mit Veränderung umzugehen. Die Typologie in meinem Buch „Sorry, ihr nervt mich jetzt alle!“ geht alle Ansätze mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen durch: Man kann sich als Opfer fühlen (Typ 1), darüber empören (Typ 2), sich irgendwie durchmogeln (Typ 3), anderen beim Wandel helfen (Typ 4), eigene Chancen für sich finden (Typ 5). Selbstverständlich wird der Umgang mit Veränderung leichter und angenehmer, wenn Sie ihn möglichst selbstbestimmt und für sich vorteilhaft erleben.

 

Akzeptanz ist dabei der erste Schritt: Neue Technologie lässt sich nicht wegreden, sondern wird bleiben und sich durchsetzen, wenn sie – trotz immer vorhandener Schwächen und Risiken – insgesamt vorteilhaft ist. So ist es sinnvoller, sich nicht ewig mit Befürchtungen und Kritik aufzuhalten, sondern möglichst offen zu schauen: Welche Vorteile könnten Sie für sich darin finden, sei es für Ihren aktuellen Job oder das persönliche Weiterkommen? Dafür braucht es nicht eine völlig neue eigene Idee, aber ein Um- und Mitdenken.

 

Anregungen speziell für die Redaktionsarbeit finden Sie beispielsweise im Kress-Webinar „So profitieren Medien heute schon von KI‟. Dort berichten fünf Führungskräfte, wie sie künstliche Intelligenz bereits nutzen, aber Sie können auch eigene Fragen stellen. Sie werden nicht alles bei sich umsetzen können, vor allem, wenn Sie selbst aktuell (noch) keine Führungsposition haben. Aber sich bestimmte Aspekte abschauen, mehr ausprobieren, dabei eventuell sogar auf ein eigenes Geschäftsmodell kommen.

 

In Inhalt und Stil spezialisieren

Wenn Sie ehrlich einräumen müssen, dass Ihre aktuelle Tätigkeit sehr generalistisch und leicht ersetzbar ist (z. B. einer von vielen Redakteuren fürs Aktuelle im Newsroom), wird es Zeit für aktive Karriereplanung. Die beste Strategie hier: Spezialisieren Sie sich zweifach – auf ein bestimmtes Themengebiet sowie einen eigenen Ansatz, also Ihren persönlichen Dreh (Meinung, Stil, Umsetzung). Wenn es massenhaft kostenlose, generische Standardtexte gibt, steigt der Bedarf an Neuem, Originärem und Originellem.

 

So profitieren Medienprofis, die neue Inhalte schaffen (z. B. als Reporter oder Redakteure im Investigativen) oder sich mit schwierigen Inhalten auseinandersetzen (z. B. im B2B- und Corporate-Publishing-Bereich). Ebenso alle, die sich für die technische und kommerzielle Seite interessieren, also für Anwendungs- und Produktentwicklung. All das ist auch noch im mittleren Lebensalter möglich, und viele Ihrer bisherigen Erfahrungen können Sie darin einfließen lassen. Hier gilt es, sinnvolle Weiterbildungen gezielt auszuwählen.

 

Die Arbeitgeber werden selbstverständlich jede Chance zur Kostensenkung nutzen, da sollte man sich keinen Illusionen hingeben. Auch wenn Geschäftsführer und Chefredakteure vor allem von den unternehmerischen Chancen reden, gehört diese Seite zu jeder technischen Veränderung dazu: Manche Berufe und Stellen werden überflüssig. Aber jeder kann dafür sorgen, dass er selbst unbeschadet bleibt oder sogar Vorteile davon hat. So kann ChatGPT, wie schon das Internet, bald auch für Sie nicht mehr wegzudenken sein.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Wenn Medienprofis immer wieder vor demselben Problem stehen

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.

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