Jobs
Newsroom

Journalisten in der Inflation: Kann ich 15 Prozent mehr Gehalt verlangen?

Journalisten in der Inflation: Kann ich 15 Prozent mehr Gehalt verlangen? Attila Albert

Das Leben ist spürbar teurer geworden, und die tariflich vereinbarten Gehaltserhöhungen gleichen das längst nicht mehr aus. Nach einer aktuellen Studie ist ein mutiger freiwilliger Jobwechsel die beste Gegenstrategie. Mediencoach Attila Albert sagt, wie viel mehr Gehalt realistisch ist.

Berlin – Die meisten von uns werden die monatlichen Inflationsmeldungen bisher immer nur am Rande mitverfolgt haben, wenn sie nicht gerade Wirtschaftsjournalisten oder Manager mit Budgetverantwortung sind. Doch nun ist die Geldentwertung von aktuell 7,9 Prozent (Mai 2022) gegenüber dem Vorjahr überall spürbar: Lebensmittel, Strom, Heizung, Treibstoffe und Reisen kosten markant mehr – für alle mit Indexmiete bald auch die Wohnung. Wer da sein Gehalt bzw. Honorar nicht deutlich steigern kann, hat effektiv weniger Geld zur Verfügung, um seine Kosten zu decken bzw. sich etwas zu erlauben.

 

Die Arbeit- bzw. Auftraggeber sind allerdings ebenso von höheren Kosten für Produktion und Logistik betroffen und müssen sparen. Damit wird das Verhandeln schwieriger. Das sollte Sie jedoch nicht davon abhalten, eine Verbesserung zu versuchen. Der Mindestlohn stieg gerade um 15 Prozent und setzt damit eine gewisse Zielmarke auch für andere Einkommensgruppen. Ist das realistisch für angestellte oder freiberufliche Medienprofis und was sollten Sie bedenken? Darum soll es heute gehen: Die beste persönliche Strategie gegen die höchste Inflationsrate seit 40 Jahren, nämlich Ihr Einkommen zu erhöhen.

 

Ein Drittel mehr mit ambitionierter Taktik

Die Unternehmensberatung McKinsey wertete kürzlich eine Million Lebensläufe aus und kam dabei zu dem Ergebnis: Wer freiwillig und ambitioniert seinen Job wechselte, konnte sein Gehalt durchschnittlich um ein Drittel steigern. Im Schnitt wechselten Arbeitnehmer gemäß der Studie alle zwei bis vier Jahre - oft nicht freiwillig, sondern nach einer Entlassung oder allgemeinem Stellenabbau. Jeder Wechsel erhöhte ihr Einkommen um durchschnittlich sechs bis zehn Prozent. Dieser Wert beinhaltet aber natürlich: Manche mussten weniger als vorher akzeptieren, andere dagegen erzielten deutlich mehr.

 

Die große Versuchung – gerade in unruhigen Zeiten – ist, „lieber erst einmal abwarten“ zu wollen. Das ist verständlich, hat aber bei hoher Inflation einen beträchtlichen Preis. Jeder Monat mit dem derzeitigen Gehalt bedeutet real einen Einkommensverlust. Wer seinen Lebensstandard halten will, muss deutlich mehr als bisher verdienen. Dabei geht es also nicht um eher symbolische Einmalzahlungen oder Aktionen wie das 9-Euro-Ticket, sondern um monatlich höhere Einnahmen. Denn die aktuelle Inflation wird sich, soweit es die verantwortlichen Faktoren dafür erkennen lassen, wahrscheinlich über mehrere Jahre fortsetzen und zunächst noch verstärken.

 

Dazu ein Beispiel, was die aktuelle Lage konkret bedeutet (für eine individuelle Einschätzung Ihrer Situation senden Sie mir gern eine Nachricht).

 

Der alleinstehende Redakteur einer Berliner Tageszeitung verdient im 8. Berufsjahr 3950 Euro brutto monatlich. Netto sind das 2528,74 Euro. Da sein Gehalt an den Tarifvertrag angelehnt ist, kann er zum 1. September 2022 mit der darin vereinbarten Erhöhung von 1,5 Prozent rechnen. Das wären brutto 59,25 Euro mehr, netto 30,79 Euro. Gleichzeitig hat aber seine Kaufkraft durch die Inflation aktuell um 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr abgenommen. Das entspricht in diesem Fall monatlich 199,77 Euro, für die er weniger Waren oder Dienstleistungen erhält. Die Erhöhung im Herbst gleicht das nicht aus.

 

Gelingt es diesem Redakteur, seinen Vorgesetzten von seinen besonderen Leistungen zu überzeugen, könnte er innerhalb seines bestehenden Arbeitsvertrag realistisch fünf Prozent mehr aushandeln. Das wären 197,50 Euro mehr, netto 102,36 Euro. Damit hätte er den aktuellen Kaufkraftverlust durch die Inflation aber immer noch nur ungefähr zur Hälfte ausgeglichen. Wechselte er den Arbeitgeber, könnte er wahrscheinlich 15 Prozent mehr erzielen: 592,50 brutto mehr, netto 304,07 Euro. Selbst abzüglich der derzeitigen Inflation wäre das effektiv 104,03 Euro mehr, damit eine spürbare finanzielle Verbesserung.

 

Mit einer aktiven und ambitionierten Karriere-Strategie, wie sie McKinsey anspricht, könnte er ein Drittel mehr verdienen. Das wären 1303,50 Euro mehr, netto 677,19 Euro. Selbst bei der aktuellen Inflation hätte er damit effektiv 477,42 Euro mehr zur Verfügung. Solch eine Steigerung ist allerdings nicht durch einen Wechsel auf derselben Ebene zu erzielen, etwa als Redakteur von Verlag A zu Verlag B zu gehen. Erforderlich ist ein Sprung nach oben, in diesem Fall beispielsweise zum Textchef, Ressortleiter oder Head of Content. Das erfordert mehr Mut und Selbstbewusstsein, auch mehr Vorbereitung als bisher.

 

Das eigene Profil und Potenzial klären

Selbstverständlich wird nicht jeder das Maximale erreichen können oder die Mühe überhaupt aufwenden wollen. Zwischen gar nichts tun und um ein Drittel mehr Gehalt zu kämpfen liegen viele Möglichkeiten nach Ihren Wünschen und Möglichkeiten. Die wichtigsten Schritte, um sich finanziell zu verbessern, sind in jedem Fall: Das eigene Profil und noch unerschlossene Potenzial zu klären, sich eine realistische Gehaltsspanne für Verhandlungen zu setzen und Bewerbungen und Netzwerken als fortlaufende Aktivität anzugehen. Für Freiberufler: Das eigene Angebot spezialisierter gestalten, mehr Kunden gewinnen und stärker nach Umsatz, Aufwand und Marge unterscheiden und betreuen.

 

Eine Einkommenserhöhung muss überzeugend verargumentiert werden und setzt vorher, dass Sie eine gewisse Verhandlungsmacht haben - am besten ein Angebot von einem anderen Unternehmen oder eine andere Alternative. Wer 15 Prozent mehr verdienen will, muss realistischerweise den Arbeitgeber wechseln und dort eine höhere Position anpeilen. Sind Sie besonders mutig dabei, können es sogar 30 Prozent mehr werden. Wer trotz allem keinen Wechsel wagen will, könnte eine (auf Stundenbasis) besser bezahlte nebenberufliche Selbstständigkeit angehen, eventuell kombiniert mit einer Teilzeitregelung. Wählen Sie diese Strategie, sollten Geschäftsidee und Umsetzung im Fokus stehen.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne:  Wie junge Journalistinnen und Journalisten mit Werte-Konflikten umgehen

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.