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Kollegiales Coaching: Wie Journalistinnen und Journalisten ihre Kollegen unterstützen können

Kollegiales Coaching: Wie Journalistinnen und Journalisten ihre Kollegen unterstützen können Attila Albert

Überfordert mit den Aufgaben und Zielen, Konflikte mit dem Chef oder dem Team: Oft liegt es nahe, einen Kollegen in einer schwierigen Lage zu beraten. Gleichzeitig hat das seine Risiken. Mediencoach Attila Albert sagt, wie Sie kollegiales Coaching planen und worauf Sie achten sollten.

Berlin – Die Chefredakteurin einer Lokalzeitung beobachtete in den gemeinsamen Meetings, wie schwer sich ihr Anzeigenleiter mit Präsentationen tat. Es war zudem erkennbar, dass ihm nach all den Berufsjahren im selben Verlag kaum noch neue Verkaufs- und Formatideen einfielen. Die Chefredakteurin dagegen hatte erst kürzlich angefangen und hätte ihm sicher einige gute Ratschläge geben können. Aber wäre das auch klug – oder würde sie ihn damit bevormunden und sich bald seinen Verantwortungsbereich mit aufhalsen?

 

Jeder Medienprofi hat schon Kollegen erlebt, die Schwierigkeiten damit hatten, ihre Aufgaben zu erledigen, vereinbarte Ziele zu erreichen, mit Vorgesetzten oder anderen Teammitgliedern auszukommen. Soll man da helfen oder sich besser zurückhalten? Kollegiales Coaching – oft auch kollegiale Beratung genannt – stellt hier einen interessanten Mittelweg dar. Sie helfen einem Kollegen, belassen die Verantwortung aber weiter bei ihm. Das kann, wenn klug angegangen, für beide Seiten vorteilhaft sein.

 

Unterschiede zum Mentoring

Kollegiales Coaching ist etwas anderes als Mentoring. In einer Mentoren-Beziehung besteht ein Autoritätsgefälle: Der erfahrene Mentor (z. B. Ressortleiter) berät den meist jüngeren Mentee (z. B. Jungredakteur). Ersterer gibt dabei seine Einsichten und Empfehlungen weiter und zeigt damit bereits weitgehend den Weg auf. Beim kollegialen Coaching treten sich Gleichgestellte gegenüber. Einer übernimmt ausschließlich während des Gespräches die Rolle des Coaches, der seinen Kollegen unterstützt, eine eigene Lösung zu finden. Bei anderen Gelegenheiten können die Rollen, je nach Bedarf, umgekehrt verteilt sein.

 

Strukturierter Ablauf empfehlenswert

Für das Coaching-Gespräch unter Kollegen gibt es keine allgemeingültigen Regeln, denen Sie folgen müssten. Es empfiehlt sich aber ein strukturierter Ablauf mit abgegrenzten Rollen. Das senkt das Risiko, dass Sie zu früh mit unpassenden Ratschlägen kommen oder das Problem gleich selbst lösen wollen. Vereinbaren Sie ein Treffen in einem ungestörten Umfeld (z. B. Konferenzraum). So könnte ein 45-minütiges Gespräch gegliedert sein:

1. Regeln festhalten (5 min): Der Coach spricht nach der Begrüßung aus, dass nun das kollegiale Coaching beginnt, es sich also nicht einfach um einen lockeren Schwatz zwischen Kollegen handelt. Er sichert völlige Vertraulichkeit zu.

2. Problem klären (10 min): Der Coach bittet den Kollegen, seine Situation und damit verbundene Probleme zu schildern. Er stellt Rückfragen, um eventuelle Unklarheiten zu beseitigen, gibt aber keine eigenen Einschätzungen oder Empfehlungen ab.

3. Kernfrage identifizieren (5 min): Legen Sie nun gemeinsam fest, auf welche Kernfrage das Problem hinausläuft. Was muss entschieden oder geklärt werden? Das verhindert, dass Sie sich in unzähligen Seitenaspekten verlieren.

4. Lösungsansatz festlegen (5 min): Der Coach bittet den Kollegen zu entscheiden, was ihm bei der Beantwortung der Kernfrage am meisten weiterhelfen würde. Eine Einschätzung (Feedback), ein fachlicher Rat, Ideensuche (Brainstorming)?

5. Lösungsideen sammeln (15 min): Im Gespräch diskutieren der Coach und sein Kollege nun, was konkret getan werden könnte, was es dafür bräuchte und wie Hindernisse angegangen werden könnten. Am besten notiert einer die Ideen.

6. Nächste Schritte (5 min): Der Coach bittet seinen Kollegen, sich nun für einige Schritte zu entscheiden. Was wird er tun, bis zu welchem Termin, wem davon berichten? Das schafft Verbindlichkeit, motiviert und schließt das Gespräch ab.

 

Methode mit Stärken und Schwächen

Kollegiales Coaching hat viele Stärken. Mögliche Hilfe ist schnell und kostenlos verfügbar. Sie müssen keinen externen Spezialisten beauftragen, sondern können sich unkompliziert und recht spontan direkt am Arbeitsplatz treffen. Beide Beteiligte kennen die Situation und Hintergründe (z. B. Organisation, Unternehmenskultur), müssen sich damit nicht alles erst erklären. Im besten Fall stärkt diese Methode den kollegialen Zusammenhalt und soziale Kompetenzen, fördert den Austausch von Wissen und Erfahrungen.

 

Gleichzeitig hat sie Schwächen. Beide Beteiligte sind nicht als Coaches ausgebildet und bewegen sich innerhalb eines Unternehmens. Damit fällt es oft schwer, sich wirklich auf den anderen einzulassen, die eigenen Ansichten und Wünsche hintenan zu stellen und neue Ansätze zu finden. Bei mangelnder Führung verlieren sich die Gespräche in immer Problemen oder werden zur reinen emotionalen Entlastung ("muss mich mal auskotzen"), ohne dass eine machbare Lösung erkennbar wird. Zudem besteht immer das Risiko, dass ein Arbeitskollege anvertraute Informationen doch weiterträgt.

So eignet sich kollegiales Coaching vor allem dazu, konkrete einzelne und nicht allzu heikle Herausforderungen des beruflichen Alltags gemeinsam anzugehen. Weniger dagegen für Grundsatzfragen oder persönliche Herausforderungen (wenn der Kollege z. B. generell an der Firmenstrategie zweifelt, mit inneren Konflikten ringt oder eine Kündigung erwägt). Hier ist das Gespräch mit einem professionellen Coach, der Erfahrung und Distanz hat, die bessere Wahl. Zwingend erforderlich ist, dass sich beide Beteiligte vertrauen, weder persönliche Konflikte noch gegenläufige Ziele haben und freiwillig mitwirken.

 

Eigene Motive und Ziele prüfen

Manche Medienprofis stellen bei der Unterstützung von Kollegen fest, dass sie sich stärker mit Psychologie, Persönlichkeits- oder Personalentwicklung beschäftigen wollen. Sollten Sie eine Aus- oder Weiterbildung in diese Richtung (z. B. zum Coach, Psychologen oder Therapeuten) erwägen: Prüfen Sie mögliche Anbieter gründlich vorab, vor allem aber Ihre Motive und Ziele. Planen Sie das vor allem als Investition in die persönliche Weiterentwicklung, für einen Branchenwechsel, eine tragfähige Selbstständigkeit?

 

Coaching – das ergebnisoffene Gespräch unter Gleichgestellten – liegt nicht jedem.

Wer lieber einen festen Wissenstoff aus einer gewissen Autoritätsposition heraus weitergibt, wird als Trainer oder Dozent glücklicher. Wer bevorzugt selbst Lösungen entwickelt, könnte als Mediator oder Berater erfolgreich sein. Interessieren Sie die seelische Verfassung und Geschichte Ihres Gegenübers mehr als schnelle, konkrete Pläne für die Zukunft, könnten Psychologe oder Therapeut passendere Optionen sein. Doch auch im aktuellen Medienberuf lässt sich derart Gelerntes einbringen, um persönlich und mit anderen zu wachsen.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: „Chaotischer Lebenslauf“

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.

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