Vermischtes
Newsroom

Eigene Ziele für 2022 verfehlt: Wie Medienprofis erledigen, was ihnen wirklich wichtig ist

Eigene Ziele für 2022 verfehlt: Wie Medienprofis erledigen, was ihnen wirklich wichtig ist Attila Albert

Keine Bewerbungen verschickt, nicht um neue Kunden gekümmert, dafür mit allem anderen beschäftigt gewesen: Bei ihrer Bilanz zum Jahresende stellen viele Medienprofis fest, dass sie nicht erledigt haben, was ihnen wichtig war. Mediencoach Attila Albert sagt, wie Sie das schaffen.

Berlin – Eine freie Journalistin hatte im Frühjahr erschrocken festgestellt, dass sie dringend ihren Umsatz steigern musste. Sie hatte sich deshalb vorgenommen, sich endlich eine Webseite einzurichten, ihr Angebot zu modernisieren und potenzielle neue Kunden anzusprechen. Nun, 2022 ist fast vorüber, musste sie sich eingestehen: Nichts davon hatte sie erledigt. Sie war mit allem Möglichen anderen beschäftigt. Ähnlich bei einem Redakteur, der seit langem den Arbeitgeber wechseln wollte: Zwei halbherzige Bewerbungen in einem Jahr, kein einziges Branchentreffen besucht, dafür zweimal im Urlaub gewesen und ein Rennrad gekauft.

 

Warum mache ich nicht, was ich mir vorgenommen habe? Und stattdessen etwas, das ich eigentlich gar nicht wollte? Diese Fragen sind so alt wie die Menschheit und beschäftigen entsprechend auch Medienprofis – insbesondere bei ihrer persönlichen Bilanz jetzt zum Jahresende.„Es war einfach zu viel los“, lässt sich natürlich immer sagen und wird von anderen bestätigt, seit 2020 umso mehr. Aber gleichzeitig gibt es immer auch welche, die trotz der Umstände vorankommen und ihre Vorhaben umsetzen. Sie setzen eigene Prioritäten und beachten sie, obwohl so vieles andere drängt und anliegt.

 

Einfach zu erkennen, was zu tun wäre

Grundsätzlich ist leicht zu erkennen, was vordringlich zu tun wäre, wenn Sie erst einmal Ihre Ausgangslage ehrlich betrachtet und Ihr Ziel festgelegt haben. Drei typische Beispiele für die ersten Schritte auf dem Weg, ein größeres Vorhaben umzusetzen:

  • Sie wollen sich beruflich verändern. Konzentrieren Sie sich dann auf sechs bis zehn Bewerbungen pro Monat und die Pflege Ihrer Branchenkontakte.
  • Ihnen schwebt vor, sich selbstständig zu machen. Verfeinern Sie Ihre Geschäftsidee, erstellen Sie danach Marketing-Materialien (Webseite, Flyer).
  • Ihr Einkommen soll steigen. Legen Sie Ihren Fokus auf die Gehaltsverhandlung, einen Nebenjob bzw. darauf, finanziell attraktivere Kunden anzusprechen.

 

Bei Detailfragen helfen eine Internetrecherche, der Blick in Fachbücher und -artikel und das Gespräch mit entsprechenden Experten. Doch viele machen in dieser Situation lieber etwas völlig anderes. Diskutieren in den sozialen Medien die Weltpolitik, schauen eine spannende Netflix-Serie, buchen den nächsten Urlaub oder eine interessante Weiterbildung, dekorieren die Wohnung um, lesen ein Buch, das ein ganz anderes Thema hat, helfen einer Freundin und gehen danach mit ihr ins Café. Das Wesentliche bleibt ständig liegen.

 

Dabei geht es aber nicht nur um das persönliche Vergnügen oder gezielte Ablenkung von weniger angenehmen Aufgaben („prokrastinieren“). Sondern auch um den Fall, dass Ihnen andere ständig wichtiger als Ihre eigenen Interessen sind. Beispiel: Sie wollten sich um Ihre angestrebte Selbstständigkeit kümmern und müssten mehr Geld verdienen. Stattdessen helfen Sie kostenlos einer Freundin bei deren Geschäftsaufbau, weil Sie sich nicht trauen, Ihre Leistungen in Rechnung zu stellen, oder machen fortlaufend unbezahlte Überstunden, weil Sie nicht Nein sagen können – und sind danach ständig zu müde.

 

Zeigt die wahren eigenen Prioritäten

Die klassischen Erklärungen – und man kann ohne Zögern sagen: Ausreden – fallen immer in eine dieser drei Kategorien: „Keine Zeit“, „kein Geld“ oder „keine Kraft“. Ehrlicher wäre: Von all dem war schon ein wenig da. Nur nicht so viel, dass man nach all den anderen Ablenkungen noch genug für das Wesentliche übrig gehabt hätte. So zeigen sich im Erledigten und Versäumten die wahren persönlichen Prioritäten, auch wenn man angeblich etwas anderes wollte. Sie haben getan, was Ihnen wirklich wichtig war, auch wenn Sie sich gemeint haben, dass Sie „eigentlich“ etwas anderes wollten.

 

Prioritäten bezeichnen Dinge, die Vorrang haben. Das bedeutet, dass anderes für sie zurückstehen muss – verschoben werden oder ganz entfallen. Sie bezahlen diesen Preis, weil Sie überzeugt sind, dass es sich langfristig lohnt. Beispiel: Sie verzichten drei Jahre lang auf teure Urlaube und viele Freizeitvergnügen, um berufsbegleitend einen Studienabschluss nachzuholen. Damit können Sie sich auf besser bezahlte, interessantere Führungspositionen bewerben, die Ihnen bisher verschlossen sind. Die drei Jahre sind kein Vergnügen, aber zügig durchgestanden, wenn Sie sich auf Ihr Ziel konzentrieren.

 

Dabei haben wir alle unzählige andere Verpflichtungen, etwa den beruflichen Alltag, Partner, Kinder und Familie, private Erledigungen vom Einkauf bis zur Steuererklärung. Erfolgreiche Menschen – im Sinne von: diejenigen, die ihre Ziele erreichen – erkennt man daran, dass sie trotzdem tun, was erledigt werden muss. Dabei geht es meist nicht um riesige zeitliche und finanzielle Investitionen, sondern um viele kleine Entscheidungen, die sich aber addieren. Beispiel: Zwei Stunden pro Woche für Bewerbungen oder Akquise reservieren, die Sie sonst auf Facebook oder TikTok vertrödelt hätten, ohne dort etwas zu verpassen.

 

Erkennen, wie begrenzt Ihre Ressourcen sind

Der Ausweg beginnt mit der Einsicht, wie ungeheuer begrenzt Ihre Ressourcen sind. Sie haben im Normalfall tatsächlich sehr wenig Zeit, Geld oder Kraft frei zur Verfügung, weil vieles schon weitgehend durch feststehende Verpflichtungen (z. B. Job, Kinder, Haushalt) blockiert sind. So ist es entscheidend, die wenigen Spielräume zu erkennen und zu nutzen. Eine verlorene Viertelstunde hier und dort addieren sich bereits im Tagesverlauf. Über das Jahr werden daraus mehrere Wochen, die Sie eventuell hätten besser nutzen können.

 

Beispiel: Wer als Journalist auf Twitter klagt, wie überlastet er ist, aber gleichzeitig die Zeit findet, an einem Tag zehn Tweets zu verfassen und weitere zu kommentieren – hat nicht zu wenig Zeit, sondern verplempert sie. Er könnte seinen Twitter-Account ersatzlos löschen und sich in der frei werdenden Zeit erholen, sinnvolle Projekte angehen, Freunde treffen oder zum Sport gehen. Das heißt also nicht, dass Sie Ihre Zeit komplett verplanen sollen. Sondern tun, was Sie – entsprechend Ihrer persönlichen Prioritäten – weiterbringt.

 

Ähnlich ist es bei Alltagsfluchten, die Geld kosten – vom überteuerten Starbucks-Kaffee über mehrere Pay-TV-Abos bis hin zu ständigen Reisen. All das ist wunderbar und macht für sich Spaß. Das Geld fehlt nur dann dort, wo es Ihre Lage langfristig verbessern würde. Beispiel: Einen Webentwickler anheuern, der Ihnen endlich die Internetseite umsetzt, mit der Sie einen professionellen Online-Auftritt haben und in Ihre nächste berufliche Phase starten können. Oder die Karriere-Beratung oder Weiterbildung angehen, die Ihnen helfen würde.

 

Veränderung kann Freude machen

Wenn Sie ständig etwas anderes machen als Sie eigentlich wollten, zeigt Ihnen das, dass Sie aktuell kein Ziel haben, das Sie selbst wirklich überzeugt und motiviert. Etwas, an das Sie unbedingt glauben und für das Sie bereit sind, auf vieles andere gern zu verzichten. Denn die anschließende Umsetzung muss keine Quälerei sein, zu der Sie sich aus Vernunftsgründen zwingen oder die Sie nur durchhalten, wenn Sie sich ständig anderweitig belohnen. Ein lohnendes Ziel bringt Ihnen bereits Vorfreude, wenn Sie sich ausmalen, wie es einmal sein wird, kann intellektuell anregend sein und Spaß machen.

 

Für die großen Veränderungen, die man gern als lebensverändernd bezeichnet, braucht es zuerst den grundsätzlichen Entschluss: „Ich mach das jetzt!“ Nicht irgendwann, nicht wenn die Umstände perfekt sind. Sondern jetzt, inmitten all der Unwägbarkeiten, all der anderen Aufgaben und Wünsche. Sie rücken nur in Ihrer Prioritätenliste nach hinten oder werden erst einmal gestrichen. Danach, wenn Ihr Ziel feststeht, konsequentes Dranbleiben: Fortlaufend etwas dafür tun, damit Sie sich langsam in diese Richtung entwickeln.

 

Ziele für das kommende Jahr setzen

Wenn Sie eine Viertelstunde haben, vielleicht bei einer Tasse Kaffee oder Tee, denken Sie in den nächsten Tagen doch einmal über diese fünf Fragen nach:

  • Was ist Ihr großes Ziel für 2023?
  • Was ist dafür praktisch nötig?
  • Mit welchem Schritt beginnen Sie?
  • Was planen Sie jede Woche dafür ein?
  • Warum lohnt sich das für Sie?

 

Zur vergangenen Job-Kolumne:  Angestellt oder selbstständig? 

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.