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Der Springer Verlag: noch immer geteilt in Ost und West

Eine Mauer geht mitten durch den Springer Verlag. Sie trennt den Medienkonzern in West und Ost. Berlin bleibt die geteilte Stadt. Und das hat Folgen.

Berlin - Wächst in Berlin zusammen, was zusammengehört? Und zwar dort, wo Axel Cäsar Springer himself alles tat, um sie und sein geliebtes Vaterland zu vereinigen. 1958 war der Verleger höchstpersönlich, aber leider völlig vergebens nach Moskau geflogen, um den Krieg nachträglich doch noch zu gewinnen, ’tschuldigung, um die deutsche Einheit zu ertrotzen. Nur: der Russe machte halt mal wieder nicht mit. Dann pflanzte Springer eben sein bronzefarbenes Hochhaus 1966 direkt an die Sektorengrenze, um so ein trotziges Statement gegen den Osten, den Kommunismus und insbesondere gegen die deutsche Teilung zu setzen.


Die DDR antwortete prompt und zog ab 1968 in Ost-Berlin den Komplex Leipziger Straße hoch – im Berliner Volksmund kurz „Springerdecker“ genannt. Die knorke Bevölkerung vermutete wohl nicht ganz zu Unrecht, der Hochhauskomplex sei auf Geheiß der SED errichtet worden, um die Werbeanzeigen von Bild“, „Berliner Morgenpost“, „Hörzu“ und „B.Z.“ auf dem Springer-Hochhaus-Dach zu verdecken. Dann kam 1989 die Wende und die Mauer war weg. Es hieß bald, in den Köpfen existiere sie weiter. Und nicht nur dort, denn als Springer 2016 sein neues schniekes Gebäude für die „Welt“-Redaktion und seinen Fernsehsender und was-weiß-ich-noch-alles plante, wurde der Grundstein wohl ganz bewusst im früheren Osten gelegt.


Ein Symbolbild, das dem alten Axel Cäsar sicherlich gut gefallen hätte. Wo einst die DDR-Grenztruppen patrouillierten, erhebt sich nun ein spektakuläres Atrium mit Blick auf all die schönen Lounges, Co-Working-Spaces nebst woker Caféteria. So ward nun endlich friedlich vereint, was Krieg und Besatzung dereinst getrennt hatten. Doch ist beim Springer Verlag wirklich zusammengewachsen, was zusammengehört? Nun, ... hüstel... ähm... nicht ganz. Denn beide Gebäude trennt die Belegschaft in Ost und West. Oder zumindest einen Teil der Belegschaft. Die eine Seite wird nach West-Tarif bezahlt, die andere nach dem – schlechteren – Ost-Tarif. Ist echt so. Kein Witz.


Hören wir mal rein in den O-Ton, wie uns die Kommunikationsabteilung die neue deutsche Teilung made by Springer erklärt: „Bei der unterschiedlichen Wochenarbeitszeit einer kleinen Gruppe von Axel-Springer-Mitarbeitenden handelt es sich um ein tarifpolitisches Phänomen, von dem auch andere Unternehmen betroffen sind. Dieses folgt aus der unterschiedlichen Lage der beiden Axel-Springer-Gebäude und einer Differenzierung zwischen den sogenannten Tarifgebieten West und Ost.“ Aha. Denn (jetzt kommt’s!): „Hintergrund ist, dass sich die Arbeitsverträge einiger weniger Mitarbeitender auf den seit Beginn der 1990er-Jahre bestehenden Manteltarifvertrag (MTV) Druck und Medien Berlin-Brandenburg beziehen. Der MTV sieht bei gleichem Lohn eine unterschiedliche Wochenarbeitszeit im Tarifgebiet Ost – wo der Axel-Springer-Neubau liegt – und dem Tarifgebiet West – in dem sich das Axel- Springer-Hochhaus befindet – vor.“


So weit, so skurril. Doch: Wie konnte es nur so weit kommen, bzw. wer ist schuld? „Diese Differenzierung steht in einer Fußnote des MTV und ist erst im Rahmen des Umzugs einiger Bereiche in den Neubau aufgefallen. “ Da hat mal wieder keiner aufgepasst. Wie geht man nun um mit den Grenzfällen? Hören wir dazu weiter die Presseabteilung: „In Abstimmung mit den jeweiligen Betriebsräten wurde entschieden, die im MTV festgelegte, höhere Arbeitsstundenzahl stufenweise bis 2024 verzögert anzuwenden und den betroffenen Mitarbeitenden über den gleichen Zeitraum hinweg zusätzliche Urlaubstage zu gewähren.“ Oder: Die im Osten müssen mehr arbeiten und haben dafür weniger Knete, aber schlussendlich mehr frei. So wie’s früher auch war.


Betroffen von den 5.000 Beschäftigten, die „im sogenannten Axel-Springer-Kiez“ (O-Ton Presseabteilung), also den Bürogebäuden am Berliner Hauptsitz, arbeiteten, seien „weniger als 600 Mitarbeitende“ mit einem entsprechenden Manteltarifvertrag. Weniger als die Hälfte davon müssten mehr arbeiten – „nämlich diejenigen, die in den Neubau und somit das Tarifgebiet Ost gezogen sind“.


Es handele sich dabei primär um Kolleginnen und Kollegen aus Zentralabteilungen, also vor allem Verwaltungsangestellte. Redakteure und andere Mitarbeiter aus den Redaktionen seien nicht betroffen. Deren tarifliche bzw. vertragliche Regelungen differenzierten im Gegensatz zum Manteltarifvertrag nicht zwischen Ost und West. „Eine Vereinheitlichung der Arbeitsverträge“, folgert Springer, „wäre  schon aus administrativen Gründen vorteilhaft, kann aber nicht einseitig erfolgen.“



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