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Als Hospitant nach New York: Wie Julius Tröger die Journalisten-Welt der Zukunft erkundet - und lernt

Wie kommen Journalisten weiter? Indem sie Eigeninitiative zeigen, sich nicht hängen lassen, auch in schweren Zeiten ihre Zukunft in die eigenen Hände nehmen. Wie Julius Tröger. Der Redakteur der „Berliner Morgenpost“ hat unbezahlten Urlaub genommen, um sich in den USA weiterzubilden. Vom Redakteur zum Hospitant.

Salzburg/New York – Einige der besten Ideen im Online-Journalismus stammen aus den USA. Julius Tröger, Jahrgang 1983 und mehrfach preisgekrönter Journalist, hat in zwei Redaktionen in den USA mitgearbeitet. Warum sich der Einsatz für die eigene Weiterbildung lohnt und mit welchen Ideen er aus New York zurückkehren wird, schildert Julius Tröger im NEWSROOM-Interview.

NEWSROOM: Herr Tröger, in Deutschland melden Traditions-Zeitungen Insolvenz an, die FTD erschien am vergangenen Freitag zum letzten Mal. Sie hat es nach New York verschlagen, um die Veränderungen im Journalismus hautnah zu erleben. Was genau machen Sie da?

 

Blick ins Büro bei ProPublica in New York. Bei der von einer Stiftung getragenen Investigativ-Redaktion hat Julius Tröger hospitiert.

 

Julius Tröger: Ich absolviere zwei Hospitanzen: Im News-Apps-Team von ProPublica, einer spendenfinanzierten Investigativ-Redaktion, und im Interaktiv-Team des US-Guardian. Es geht mir dabei darum, meine Kenntnisse im Datenjournalismus zu vertiefen.

NEWSROOM: Auf Ihrem Blog Digitaler Wandel bezeichnen Sie Ihren Ausflug in den USA als "Nerd-Hospitanz". Wie kam es überhaupt zu Ihrem Einsatz in den USA?

Julius Tröger: Ich hatte mich für das von der Knight Foundation unterstützte “P5-Fellowship” von ProPublica beworben und wurde angenommen. Mein anschließender Aufenthalt beim Guardian kam über Gabriel Dance zustande. Ihn hatte ich bei einem Besuch der New York Times vor zwei Jahren kennengelernt, als er dort noch als Multimedia Producer arbeitete. Nun leitet er das Interaktiv-Team des Guardian.

NEWSROOM: In welchen Bereichen arbeiten Sie genau in den USA? Was sind Ihre Aufgaben?

Julius Tröger: Bei dem P5-Fellowship von ProPublica geht es darum, dass man ein eigenes Projekt vorstellt, an dem man dann mit den Kollegen in New York und all ihrer Erfahrung intensiv arbeitet. In meinem Fall war das ein umfangreiches Datenjournalismus-Projekt für die Berliner Morgenpost, das die Kollegen sehr spannend fanden. Beim Guardian habe ich gemeinsam mit dem Open-Journalism-Team um Amanda Michel und den Interaktiv-Kollegen eine Twitter-Visualisierung umgesetzt.

NEWSROOM: Gibt es eigentlich noch klassische Verlagshäuser, Redaktionen oder sind inzwischen alle nur noch virtuell im Kaffeehaus und in einer Wolke unterwegs?

Julius Tröger: Also während der Zeit nach dem Sturm Sandy mussten hier die Kollegen tatsächlich von zuhause oder vom Café aus arbeiten – und das so kurz vor der Wahl. Das war dann natürlich improvisiertes Teamwork in der Wolke. Ansonsten arbeiten die Kollegen ganz gewöhnlich in ihrem jeweiligen Großraumbüro. Bei ProPublica gibt es jeden Montag und beim Guardian täglich eine Konferenz und danach arbeitet jeder an seinem Thema. Die Geschichten werden aber eben nicht nur geschrieben, sondern immer häufiger interaktiv in innovativen Darstellungsformen umgesetzt.

NEWSROOM: Sprechen wir kurz über Ihre Zeit bei ProPublica. Arbeiten die Kollegen so viel anders als bei einem Medienhaus, das von einem Verleger finanziert wird? Wie gehen die Kollegen mit der Freiheit um, die sie durch eine starke Stiftung im Rücken haben?

Julius Tröger: ProPublica ist eine reine Online-Publikation, die ausschließlich investigative Geschichten veröffentlicht. Es handelt sich um eine Stiftungs- und spendenfinanzierte Redaktion, die ihre Stücke an andere Medien verschenkt, weil diese kostspielige Recherchen immer seltener querfinanzieren können. Bei den Kollegen besteht also weder der Druck, täglich eine Zeitung zu füllen oder eine Webseite auf dem aktuellen Nachrichtenstand zu halten. Alle Kollegen haben die volle Arbeitszeit ausschließlich für ihre Recherchen.

 

Der Berliner Journalist Julius Tröger an seinem Arbeitsplatz bei ProPublica in New York. Foto: Scott Klein/ProPublica

 

NEWSROOM: Ist die Medienkrise bei ProPublica dann überhaupt ein Thema?

Julius Tröger: Natürlich haben die Kollegen auch von dem Aus der „Financial Times Deutschland“ und der Tageszeitungskrise in Deutschland gehört. Und natürlich haben die Zeitungen in den USA auch schon bessere Zeiten gehabt. Allerdings war der Optimismus bei ProPublica und beim Guardian sehr inspirierend. Für sie ist die Zeitungskrise nichts Neues. In Gesprächen wurde immer wieder deutlich, dass sich die Kollegen sicher sind, dass es gerade eher aufwärts geht mit dem Journalismus.

NEWSROOM: Jetzt arbeiten Sie für zwei Wochen beim US-Guardian. Konnten Sie erste Unterschiede zu der Arbeit bei ProPublica feststellen?

Julius Tröger: Eigentlich kann man beide Redaktionen nicht direkt vergleichen. Beim Guardian handelt es sich um eine Nachrichtenredaktion, die sowohl eigene Geschichten veröffentlicht, als auch Agenturmeldungen verwendet und den Anspruch hat, die Nachrichtenlage komplett abzubilden.

NEWSROOM: Wer bezahlt Ihren Einsatz?

Julius Tröger: Ich habe einen Monat unbezahlten Urlaub genommen und trage alle Kosten selbst.

NEWSROOM: Wie schwierig ist es, mit den Kollegen auf Englisch zu diskutieren?

 

Alles zu Journalistenstipendien

53 Stipendien sind aktuell auf JournalistenPreise.de, dem Portal für preisgekröntem Journalismus, gelistet. Gerade für Journalisten, die im Moment auf der Suche nach einem Job sind oder sich einfach weiterbilden möchten, kann es durchaus sinnvoll sein, sich für ein Stipendium zu bewerben. Der Bewerbungsschluss für das Arthur F. Burns Fellowship ist beispielsweise der 1. Februar2013, Bewerbungen für das Gabriel-Grüner-Stipendium müssen bis zum 15. Januar 2013 eingeschickt werden. Hier finden Sie Hinweise zu aktuellen Weiterbildungsseminaren.

 

Julius Tröger: Am Anfang war es natürlich etwas holprig, leo.org und pons.eu waren meine Rettung. Aber nach nur wenigen Tagen kommt man rein und dann geht das wie von alleine.

NEWSROOM: Ihre Hospitanz ist bald zu Ende. Mit welchen Erfahrungen kehren Sie zurück zur Berliner Morgenpost?

Julius Tröger: Vor allem hat mich beeindruckt, mit welcher Selbstverständlichkeit die Kollegen alle Spielarten des Onlinejournalismus und die Mechanismen des Webs einsetzen. Während meines Aufenthalts hat etwa Lena Groeger von ProPublica eine Geschichte über die Sicherheit von Pipelines in den USA recherchiert, geschrieben und eine interaktive Anwendung programmiert. Außerdem wurde in Kooperation mit Studenten und anderen Medien etwa ein Musikvideo zum Thema Fracking und ein interaktives Video über den Terroristen David Headley veröffentlicht. Es gehört zum Arbeitsalltag, die bestmögliche Darstellungsform zu finden, Geschichten multimedial und interaktiv aufzubereiten und die Leser über soziale Medien einzubeziehen.

 

Julius Tröger, Jahrgang 1983, arbeitet seit 2008 als Redakteur und Reporter erst bei der Welt, dann bei der Berliner Morgenpost. Das Medium Magazin zählte Tröger 2012 zu den aussichtsreichsten Nachwuchsjournalisten Deutschlands. Unter Digitaler Wandel bloggt er über seine Erfahrungen.

NEWSROOM: Geben Sie uns doch noch einen Tipp - welchen US-Trend werden wir in Kürze auch in Europa erleben?

Julius Tröger: Ich glaube, auch in Deutschland werden sich Teams bald neu zusammensetzen. Bei der Zeitung besteht ein übliches Team etwa aus Reporter und Fotograf, Redakteur und Layouter. Dabei sind so viele andere Kombinationen denkbar: Videojournalist und Motiondesigner oder, ein anderes Beispiel, Programmierer, UI-Experte und Redakteur.

NEWSROOM: Ganz ehrlich - wenn Sie die Entwicklung in den USA betrachten, worauf müssen sich deutsche Journalisten einstellen?

Julius Tröger: Ich bin der Meinung, dass sich Journalisten mehr mit der Arbeit von Web-Entwicklern auseinandersetzen sollten. Programmieren hilft nicht nur bei der Recherche sondern auch bei der einzigartigen Darstellung der eigenen Geschichten im Netz.

NEWSROOM: Und welche Veränderungen werden Sie in Ihrer Redaktion anregen?

Julian Tröger: Ich habe viel darüber gelernt, wie die bereits angesprochenen, individuellen Teams im Alltag zusammenarbeiten. Außerdem habe ich viele praktische Tipps wie neue Tools und Programme kennengelernt. Diese Erfahrungen möchte ich nun mit den Kollegen teilen und versuchen, so viel wie möglich in eigenen Projekten anzuwenden.

Die Fragen an Julius Tröger, Redakteur bei der "Berliner Morgenpost" und aktuell als Hospitant in den USA, stellte NEWSROOM-Chefredakteur Bülend Ürük.

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