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Journalismus heute: "Es herrscht die Zeit der Überzeugungstäter"

Wer sich heute im Journalismus durchsetzen möchte, muss für den Beruf brennen - und Rückschläge als Ansporn verstehen. Bernd Fischaleck hat sich bei vier Journalisten-Ausbildern umgehört. Einfach wird es der Nachwuchs auch 2013 nicht haben.

Berlin (dapd) - 2012 war kein gutes Jahr für die Zeitungsbranche. Mehrere Titel wurden eingestellt, andere sind von der Schließung bedroht. Verlage müssen sparen, zahlreiche Journalisten fürchten um ihren Job. Die Branche sucht vor allem nach Antworten auf den digitalen Wandel. Auch für die Journalisten bedeutet dies neue Herausforderungen. Was muss der Nachwuchs heute mitbringen?

Große Einigkeit herrscht in der Frage, ob eine Anstellung in den Medien trotz der Krise noch immer ein Traumberuf sei. "Ja, selbstverständlich", sagte der Geschäftsführer der Henri-Nannen-Schule, Andreas Wolfers. Es gebe keinen spannenderen Beruf: "Sie verdienen Geld damit, umherzufahren, sich in Themen einzuarbeiten und Menschen auszufragen. Und was Sie daraus machen, sehen, hören oder lesen Tausende von Menschen. Das ist doch großartig." Allzu rosig gehe es in der Branche aber nicht zu: Einen sicheren Arbeitsplatz, geregelte Arbeitszeiten oder ein hohes Gehalt sollten die Bewerber nicht unbedingt erwarten.

Auch für den Gründungsleiter der Nannen-Schule, Wolf Schneider, ist Journalismus "ein herrlicher Beruf". Aber auch der 87-Jährige schränkt ein: "Die Jobs werden weniger, vor allem die befriedigenden." Die Arbeitsbedingungen seien schwieriger geworden: "Eine Viertelstunde nachdenken, einen halben Tag oder gar eine Woche recherchieren - das kommt im Online-Journalismus kaum noch vor." Auch das Anforderungsprofil habe sich dadurch verändert: "Aber das merken am ehesten die über 50-Jährigen. Die Jungen sind ja die elektronische Hektik gewöhnt."

Auch nach Ansicht des Leiters der Berliner Journalisten-Schule, Olaf Jahn, ist ein Job als Journalist nach wie vor eine gute Berufswahl. Der Konkurrenzdruck sei aber gewachsen: "Heute muss der Nachwuchs wissen: Die Zahl fester Verträge nimmt ab, die Gehälter gehen zurück, die Honorare für Freie sinken. Es herrscht eine andere Zeit, die Zeit der Überzeugungstäter." Das Bewusstsein für die grundsätzliche Bedeutung des Journalismus drohe aber immer stärker in den Hintergrund zu geraten. "Wenn Journalisten die richtigen Fragen stellen, Erklärungen suchen und sie verständlich aufschreiben, dann sind sie systemrelevant, mehr noch als jede Großbank", betont Jahn.

"Die Gesellschaft braucht mehr denn je gute Journalisten"

Der Leiter der Journalistik-Abteilung an der Universität Leipzig, Marcel Machill, bricht ebenfalls eine Lanze für den Berufsstand: "Die Gesellschaft braucht mehr denn je gute Journalisten, die aus einer Position der Unabhängigkeit heraus harte Fakten recherchieren, Komplexes verständlich machen und Orientierung geben." Der Journalismus sei zwar in einer Krise. "Aber er wird sie überwinden, wenn er die Auswirkungen der digitalen Revolution verdaut hat und sich in Bezug auf das Publikum und auf seine zu erbringenden Leistungen neu ausgerichtet hat."

Die Anforderungen an junge Journalisten sind nach Ansicht der Experten zwar weiter gewachsen. Die nötigen Grundtugenden seien aber nach wie vor die selben. Für Schneider ist Allgemeinwissen auch im Online-Zeitalter unerlässlich. Wer sich für den Beruf interessiere, müsse etwas Seltenes und Bedrohtes mitbringen: "Wissen! Bildung! Weltkenntnis!", betont der Autor zahlreicher Fachbücher. "Wo ich den Computer gar nicht erst fragen muss, bin ich schneller als er. Wenn ich der Informationsflut aus dem Internet keine Sachkenntnis, keine eigenen Maßstäbe entgegensetzen kann, ersaufe ich", sagte Schneider. Er rät dazu, sich zu spezialisieren. Es zahle sich aus, in Themenfeldern wie Energie, Klima, Verkehr oder Weltraum mehr zu wissen als die meisten.

Technikkenntnisse und alte Grundtugenden

Nachwuchsjournalisten müssten heute mehr von Technologie, Ökonomie und Social Media verstehen, erklärte Wolfers. "Grundsätzlich aber hat sich das Anforderungsprofil nicht verändert. Wer denkfaul ist, uninspiriert, gelangweilt, antriebsarm, humorlos und seine Vorurteile für Meinungsstärke hält, der wird auch heute kein guter Journalist." Wolfers rät dazu, sich handwerklich möglichst breit aufzustellen, im Print wie in den digitalen Medien, und zu versuchen, in einem Fachgebiet zum Experten zu werden. "Denn solches Expertentum öffnet freien Journalisten am ehesten die Tür zu einer Redaktion."

Für Jahn sind "echte Neugier, kritisches Denken, gutes Urteilsvermögen, Offenheit, Einsatzbereitschaft und die Fähigkeit zum klaren Ausdruck" nach wie vor unverzichtbar. Zudem müsse der Nachwuchs "technikaffiner sein als jede Journalistengeneration zuvor". Machill nennt als Grundtugenden die "Neugierde, einen kritischen Geist und Sinn für Sorgfalt und Genauigkeit" sowie zusätzlich die Fähigkeit, trimedial zu denken.

Uneinig sind sich die Ausbilder in Sachen Social Media. Wolfers empfiehlt Journalisten, auch selbst zu twittern, "bloggen halte ich nicht für zwingend". Für Machill ist es entscheidend, ein Verständnis für diese Kommunikationsinstrumente zu entwickeln und dann zu entscheiden, ob man sich "darüber mitteilen oder auch selbst vermarkten möchte". Auch Jahn sieht im Twittern und Bloggen keine Voraussetzung für den Job: "Vieles was auf Facebook oder anderen Plattformen passiert, hat vor allem mit Selbstdarstellung und Eitelkeit zu tun." Gleichwohl sei es nötig, die sozialen Medien zu kennen und zu wissen, wie sie funktionieren. Schneider hält das aktive Gezwitscher im Netz für entbehrlich, rät aber dazu, Twitter und Blogs zu verfolgen: "Ein paar Hinweise lassen sich auch dem uferlosen Geschwätz immer entnehmen."

Bernd Fischaleck

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