Ausbildung
Newsroom

Otfried Jarren: Ende der klassischen Zeitung ist gekommen

Otfried Jarren: Ende der klassischen Zeitung ist gekommen Otfried Jarren.

Der Journalismus sei und bleibe aber gesellschaftsrelevant, sagt der Medienprofessor im Interview mit dem „medium magazin“.

Frankfurt – Medienprofessor Otfried Jarren hält das Ende der klassischen Zeitung für gekommen, nicht aber das Ende des Journalismus. „Der Journalismus ist und bleibt gesellschaftsrelevant“, sagt er im Interview mit David Sieber für die aktuelle Ausgabe des „medium magazins“.

 

Die Corona-Krise beschleunigt das Ende der gedruckten bezahlten Tageszeitung erheblich. Einverstanden?

Otfried Jarren: Ich befürchte ja. Zumal von der Papierherstellung über den Druck und Vertrieb ökonomisch wie ökologisch wenig für das Gegenteil spricht. Demgegenüber sind die Gestehungskosten für digitale Produkte tief. Das war schon vor Corona so. Jetzt, wo die Werbeeinnahmen weiter wegbrechen, wird die Lage schwieriger. Ich denke nicht, dass alle Druckerzeugnisse verschwinden. Hintergründigen Journalismus wird es weiter auf Papier geben. Auch weil Papier eine andere Sichtbarkeit und Wertigkeit hat.

 

Wagen Sie eine Prognose, wie lange es dauern wird, bis dieses Szenario eingetreten ist?

Schneller als befürchtet. Wir reden hier sicher nicht von zehn Jahren. Ausgenommen Produkte wie beispielsweise die Schweizer Pendlerzeitung „20 Minuten“, die an Bahnhöfen und Busstationen gratis aufliegt. Flyer für die Werbung, mit ein wenig Text und Bild. Bei allen anderen Objekten wird es schwierig, weil die Verkaufspreise in die Höhe gehen müssen, was dazu führt, dass eine immer kleinere, finanziell gut ausgestattete Gruppe noch zur Bezahlzeitung greift …

 

Welche publizistischen Lehren sollten die Medien aus der Corona-Krise ziehen?

Es stellt sich sicher die Frage der redaktionellen Kompetenzen. Es geht um Fach- wie Vermittlungskompetenzen. Bei den privaten Medien wurden im Zuge von Sparmaßnahmen Fachredaktionen abgebaut. Nun fehlt es in diesen ausgedünnten Redaktionen an externen Netzwerken, um das fehlende Know-how zu beschaffen. Beim deutschen öffentlichen Rundfunk musste nicht markant gespart werden. Dort zeigen sich die fachlichen Schwächen durch die Zersplitterung der Redaktionen – es gibt zu viele Landessender. Es ist ein Problem für den Journalismus, wenn die Beurteilungskompetenz fehlt. Der Umgang mit Risiken und Krisen ist Bestandteil einer modernen Gesellschaft. Auch mit schleichenden Krisen wie dem Klimawandel, wo der Journalismus seine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft stärker wahrnehmen sollte …

 

Wo steht der Journalismus in fünf Jahren?

Er wird leider weitere Rückgänge erleiden, aber keineswegs verschwinden. Man darf nicht nur auf die aktuellen Medien schauen, denn es gab schon immer eine Vielzahl von Fachzeitschriften wie Magazinen, gedruckt wie digital. Und dieser Markt ist deutlich gewachsen. Die Vermittlungsleistung – von Information wie Wissen – wird immer nachgefragt sein. Der Markt wird größer werden in unserer modernen, mobilen Wissensgesellschaft. Deshalb wird es neue Angebote geben, kleinere, spezifische. Vor allem, wenn die oben skizzierte Infrastruktur bereitgestellt wird, können mehr Angebote hergestellt und verteilt werden. Der Journalismus ist und bleibt gesellschaftsrelevant. Er muss lernen, neue Angebote zu machen, und er muss interaktiver werden.

 

Das gesamte Interview mit Otfried Jarren finden Sie in der aktuellen Ausgabe des „medium magazins“.

 

Zur Person: Der gebürtige Deutsche Otfried Jarren (66) ist Kommunikationswissenschaftler und emeritierter Professor am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich. Er präsidiert die Eidgenössische Medienkommission, die die Schweizer Regierun in Medienfragen berät.

 

Weitere Themen im „medium magazin“:

  • Was bleibt von unserem Traumberuf? 66 Journalistinnen und Journalisten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz erzählen, warum sie sich für diesen Job entschieden haben, wie es ihnen jetzt geht und wie ihre Zukunft nach Corona aussehen könnte.
  • „Zwischen Schnuller und Schreibtisch“. Was bisher meist in Teilzeit arbeitenden Journalistinnen und Journalisten vorbehalten war, machen jetzt alle: Arbeiten im Homeoffice. Viele sehen darin einen Fortschritt und erhoffen sich eine bleibende Flexibilisierung des Arbeitslebens. Ist das wirklich so? 
  • „Wir Journalisten haben die Signale verschlafen“ Regierungen und auch Journalisten haben zu spät auf das Coronavirus reagiert, findet Ranga Yogeshwar. Der deutsche Wissenschaftsjournalist erklärt, was Journalisten jetzt unbedingt wissen müssen. 
  • Von Nestbeschmutzern und Arschlöchern. Tirol und vor allem Ischgl stehen im Zentrum der europäischen Kritik. Peter Plaikner analysiert die Medienberichte über die „Brutstätte“.
  • Wachsen in der Krise. Der deutsche Lokalzeitungsverleger Robert Dunkmann verzichtet auf Kurzarbeit, hat einen freiwilligen individuellen Lohnverzicht im eigenen Verlag umgesetzt und lobt jetzt „Redaktionshelden“ aus. 
  • 12 Lehren aus dem Drosten-Podcast. NDR-Programmchef Norbert Grundei und Wissenschaftsredakteurin Korinna Hennig über ihre Erkenntnisse aus der Arbeit mit dem „Coronavirus-Update“. 
  • 7 Überlebens-Tipps für Freie. Dazu ein Überblick, wie Österreich, Deutschland und die Schweiz ihren Freien helfen.
  • 10 Inspirationen für den Lokaljournalismus. Recherchieren, wenn alle zu Hause bleiben sollen und Distanz geboten ist? Kreative Ideen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz.